Frank Vohle

31. Dezember 2018
von Frank Vohle
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Die Zukunft

In ein paar Wochen werde ich einen Artikel in der Buchreihe „Die Zukunft des Sports“ abgeben müssen, in dem ich unser Konzept Lernen ‚5.0‘ weiter ausbuchstabieren darf. Für alle, die es noch nicht wissen: Lernen ‚5.0‘ beinhaltet fünf Dimensionen zur Neugestaltung der Trainerausbildung. Da steckt meines Erachtens genug digitale und didaktische Zukunft drin, genug sportpolitische Utopie. Also … alles gut?

Nein, denn ich frage mich grundsätzlich: Wie, also methodisch, kann man über die Zukunft des Sports reden? Geht es um das Wahrscheinliche oder Wünschenswerte? Welchen Rat geben uns eigentlich die Wissenschaften jenseits des Systemwissens (Evidenzen), wenn es um (normatives) Zielwissen und das noch viel knappere Transformationswissen geht?

Und weiter: Über welchen Sport reden wir, wenn wir die Zukunft DES Sports ins Auge fassen? Über den traditionellen Leistungs- und Wettkampfsport? Über sportnahe, aber doch eher spielerische, nicht-kompetitive Bewegungsformen wie z.B. Joga? Oder neue Sporterscheinungen wie den e-Sport, der Millionen von Menschen über virtuelle Spielkonsolen mit virtuosen Fingerspielen in den visuellen Bann zieht? Kurz: Gibt es ihn überhaupt noch, DEN EINEN Sport, und falls ja, welche Zukunft wolle wir warum für ihn?

Themenwechsel!?

In der aktuellen Ausgabe der ZEIT wurden Politiker danach gefragt, wie sie sich die Welt in 50 Jahren vorstellen. Die Politiker hatten die Aufgabe, eine Dystopie (Alles wird schlecht) und eine Utopie (Alles wird gut) zu skizzieren. Herausgekommen sind etwa 10 Zukunftsskizzen, in denen es bei der Dystopie um die Auflösung der EU, den Anstieg des Meeresspiegels, um Migrationsströme und atomaren Krieg, geht, bei der Utopie um die Ausweitung der EU, dem Nichtanstieg des Meeresspiegels, um geregelte Migrationsbewegung und … Frieden.

Insgesamt fällt es uns offenbar schwer, die Zukunft (neu) zu denken. Weder ist klar, was genau der Gegenstand ist (Welt, Gesellschaft, Bereich X, Prozess Y) noch haben wir gute Kenntnisse und Übung in den methodischen Zugängen. Fragt man die o.g. Politiker danach, was ihnen bei der Skizze leichter gefallen ist, die Utopie oder Dystopie, so kommen sie schnell zu einem Urteil: Dank Hollywood geht Ihnen die negative Sicht leichter von der Hand. Bei der Analyse der Zukunftsskizzen fällt zudem auf, dass es insgesamt nur sehr wenige Kategorien sind, mit denen sie Zukunft neu denken und wenn, dann konstruieren sie die Welt recht unkreativ mit verschiedenen Vorzeichen (Erhalt oder Ausstieg aus EU).

Themenwechsel!?

Im dritten Buch des israelischen Schriftstellers und Technikhistorikers Yuval Noah Harari, „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ werden uns Hinweise oder besser Mahnungen für die Gestaltung der Zukunft mitgegeben. Hararis beeindruckender Gedankenbogen von der „Geschichte der Menschheit“ bis „Homo Deus“ (seine beiden anderen Bücher in dieser “Serie”) zeigt uns, wie verführbar Homo Sapiens durch Erzählungen oder Fiktionen aller Art ist und wie grundsätzlich neu wir Homo Sapiens unter den Bedingungen der Künstlichen Intelligenz sowie Biotechnologie denken müssen. Grundsätzlich meint: Es geht nicht mehr nur um die Frage, mehr oder weniger EU oder Migration oder Meeresstand, sondern um das, was wir bisher „Menschsein“ nennen. Wenn wir durch genetische und technologische Veränderungen Menschen mit „erweiterten Möglichkeiten“ schaffen können (Übermenschen), dann kommen bei unseren Zukunftsbildern auf einmal ganz andere Farben ins Spiel, das schönste Rot und das dunkelste Schwarz.

Was also tun? Ich weiß es natürlich angesichts der komplexen Fragestellung auch nicht, aber eines ist gewiss: Wenn wir mit Bezug auf die  radikalen Veränderungen nicht ebenso radikal (intensiv, disruptiv, positiv) Zukunft denken, dann wird das mit unserer (!) Zukunft nix. Dann bekommen wir einfach eine.

23. September 2018
von Frank Vohle
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Sport trifft Wirtschaft: Wir suchen eine Börse für soziale Leistung

Am Freitag war ich auf dem DOSB-Kongress 2018, der sich dem Thema Personalentwicklung widmete. Als Keynote waren eingeladen: der Direktor der Führungsakademie (Herr Scheibe) sowie die Geschäftsführerin Personal von Procter & Gamble (Frau Buschhoff), die beide äußerst unterschiedlich gesprochen und präsentiert haben.

Ich habe mir die beiden Impulsreferate mit Gewinn angehört, gerade weil sie so verschieden in ihrer Form und ihrem Inhalt waren: Scheibe hat uns in ein klassisches Personalentwicklungsinstrument eingeführt und verdeutlichte seine Botschaften mit instruktivem Text im Rahmen einer klassischen PowerPoint-Präsentation. Frau Buschhoff wählte einen Ansatz, der auf Sinn, Engagement, Freiraum etc. abstellte, ihre sog. Magneten (vgl. Bild); sie unterstütze ihre Botschaften mit vielen Bildern und emotionalen Videos aus Agenturhand.

Im Anschluss entspann sich eine Diskussion, die vor allem (aber nicht nur) die „romantische Sicht“ – so die Deutung – von Frau Buschhoff auf- und angriff: Im Sport mit seiner permanenten Ressourcenknappheit vor allem im Ehrenamt sei eine solche Denke schlecht umzusetzen. Der Vorwurf der mangelhaften Umsetzbarkeit ging auch an Scheibe: Zu wenig würden die Bedingungen des Ehrenamtes gesehen und entsprechend wenig neue Ideen gäbe es „speziell für einen Großteil des Sports“.

Ich teile die Kritik, ohne die Impulse der beiden Keynote-Sprecher zu relativieren; sie bieten gute Ankerpunkte für eine spezifische Personalentwicklung im Sport. Kernpunkt der Herausforderung ist die These, dass ohne „Geld“ z.B. keine ehrenamtlichen Vereinsmanager zu gewinnen sind. Das sehe ich anders!

Geld ist ein Mittel der Anerkennung, aber ich denke ein für das Ehrenamt nicht zentrales. Zentral ist vielmehr – so meine These –, dass die Menschen ganz ökonomisch abwägen, ob ein ehrenamtliches Engagement für ihren Lebenslauf „nützlich“ ist. Der Nutzen wird also nicht mehr primär in einem Selbstzweck (Freude an der Sache, Kompetenzerleben, Eingebundenheit) gesehen, sondern in der Frage, ob das Ehrenamt z.B. bei der Bewerbung in der Wirtschaft hilfreich ist.

Wie wäre es also, wenn ein Ehrenämtler aus dem Sport die Dokumentation und Reflexion zu seiner Managementtätigkeit in Form eines e-Portfolios der o.g. Frau Buschhoff anschaulich zeigen könnte? Was wäre, wenn Frau Buschhoff in einem Vorstellungsgespräch sagen würde: „Sehr interessant, wie Sie mit der multisprachlichen Herausforderung bei der Integration von Flüchtlingen in Ihrem Verein auf der Managementebene umgegangen sind!“ Was wäre, wenn Frau Buschhoff den jungen Ehrenämtler u.a. wegen seines e-Portfolios im Bereich „Diversity“ einstellen würde?

Und weiter: Was wäre, wenn der DOSB alle „Buschhoffs“ aus Deutschland für ein Projekt gewinnen könnte, in dem Wirtschaft und Ehrenämtler via e-Portfolios zusammengeführt würden, wo man die Zeitinvestition im Ehrenamt für eine bessere Bewerbungssituation, quasi als eine „neue soziale Währung“, nutzen könnte (vgl. Social Return on Investment)!

Ich bin mir sicher: Es gäbe einen Run auf das Ehrenamt, wo es ja Sinn, Engagement, Freiraum, Diversität und authentische Kultur zu Hauf gibt, also all das, was Buschhoff als Kern der neuen Personalführung (vgl. auch neue Arbeit) definiert hatte. Wären in diesem skizzierten Sinne gebildete Ehrenämtler nicht die besten Botschafter für ein Personalführungsprogramm, das auf die fünf „Magneten“ setzt?

Also: Raus aus der Kein-Geld-Jammerei und in die Vollen gehen: Kein Geld, dafür gibt’s Sinnarbeit! Für diese Währung muss es jetzt nur eine Börse geben.

5. August 2018
von Frank Vohle
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Kraft und Kraftlosigkeit des Fußballspiels

Samstag lese ich manchmal die ZEIT – Wochenzeitungen entschleunigen. Hängen geblieben bin ich dieses Mal an einem Artikel mit der Überschrift „Sie sind der German Dream“ von Wolfgang Thielmann. Darin wird von Scoring Girls berichtet, ein Projekt der ehemaligen Bundesliga-Fußballspielerin Tuna Tekkal, die sich heute als ehrenamtliche Trainerin für junge geflüchtete Mädchen stark macht, die jenseits aller kulturell-religiöser Unterschiede einfach Fußball spielen wollen. „Fußball bringt sie zusammen und macht sie selbstbewusst“, so Tekkal im Artikel. Während ganz Deutschland also über Integrationsprobleme spricht (Özil, Clans etc.) zeigt sie, dass Integration gelingen kann, nämlich spielend!

Liest man die Geschichten der geflüchteten Mädchen, die Gräueltaten des IS, besonders an der Gruppe der Jesiden, dann erscheint das, was Frau Tekkal mit ihrem gemeinnützigen Verein Hawar Help macht, als Utopie, als ein (wirklicher) Nicht-Ort. Doch was hier auf dem Bolzplatz passiert, ist mehr als nur Vollspann: Es geht um Selbstbestimmung (der Frauen) und um ein „Gefühl der Freiheit“, wie Tekkal es ausdrückt. Darin wird deutlich: Das (Fußball-)Spiel erzeugt vor dem Hintergrund der spezifischen Spielidee seine eigensinnige, d.h. freie, kreative, kämpferische, leidenschaftliche, regelgeleitete und soziale Wirklichkeit, die sich vom Leben da draußen so wohltuend abgrenzt. Und genau durch diese Abgrenzung entsteht im Sport dieses „Gefühl der Freiheit“ – ein flüchtiges, aber kraftvolles Gut auf Zeit!

Vor ca. 20 Jahren hatte ein Kollege von mir (Sporthochschule) in seiner Diplomarbeit die Forschungsfrage gestellt, ob Kinder aus brasilianischen Slums ihre Fairness-Erfahrungen vom Bolzplatz in den Alltag transferieren können. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Auf dem Platz folgte man artig den Regeln, zurück auf der Straße hatte man keine Scheu, die Pistole zu verwenden. Besser konnte man Kraftlosigkeit nicht auf den Punkt bringen.

Was kann also Fußball, was kann Sport leisten? Zum einen unendlich viel, z.B. bietet er Erfahrungen zur Selbstbestimmung, die vor allem dort wirken, wo bisher vorwiegend Fremdbestimmung herrschte. Zum anderen unendlich wenig, z.B. wenn alle Hoffnungen auf eine transferierbare Fairness ins Leere laufen.

Man darf also vom Fußball nicht viel erwarten, dann kann er die Menschen auch reich beschenken.

29. Juli 2018
von Frank Vohle
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Big Mac in Hamburg

Ich habe einen Großteil meiner Jugend auf dem Tennisplatz verbracht. Es war die Zeit von Boris Becker, Steffi Graf und Bic Mac (John McEnroe). Während Becker uns (nicht nur) mit seinem Willen inspirierte, fanden wir bei McEnroe die minimalistische Ausholbewegung „extrem cool“ (ökonomisch, schlicht, zielführend). Wikipedia beschreibt es treffend: „Seine Schlagtechnik bei den Grundlinienschlägen zielte darauf, das Tempo des vom Gegner geschlagenen Balles „mitzunehmen“. Er erreichte dies, indem er mit nur kurzer Ausholbewegung des Schlägers die Bälle in der Vorwärtsbewegung zum Netz noch in deren Aufstiegsphase spielte. Aus diesem Grund wurden viele Bälle unorthodox, mit fast offener Schlaghaltung gespielt.“

Das ist nun über 20 Jahre her, eine Ewigkeit, Jugend halt. Umso mehr habe ich mich zusammen mit meinem Bruder Peter (ein sehr großer Mac-Fan) gefreut, als letzten Sonntag McEnroe zusammen mit Michael Stich am Hamburger Rothembaum auf dem Center Court standen und wir das Spiel live verfolgen konnten.

Es hat sich nix geändert! Er ist mit 59 Jahren immer noch schnell unterwegs, spielt immer noch seinen unorthodoxen-ökonomischen, leicht provokativen Stiefel. Doch davon hat sich Michael Stich nicht irritieren lassen: „Mr Perfect“ (Stich: er hat einfach keine Schwächen), hat das Spiel schließlich gewonnen. Es war sein Abschiedsspiel, nicht nur deshalb sei ihm das gegönnt!

7. Juli 2018
von Frank Vohle
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Ich hatte es immer schon auf den Lippen, eben meinen Blog portVOHLEo zu nennen und natürlich ist das mit einem Augenzwinkern gemeint. Aber neben der lautmalerischen Parallelität geht es mir hier darum, eine „Begegnung mit dem (eigenen) Tun“ zu ermöglichen, so wie es Polanyi treffend gesagt hat.

„Begegnung mit dem Tun“ klingt für mich besser, einladender als Reflexion, dieser für die Portfolioarbeit so viel- und vielleicht auch abgenutzte Begriff. Wenn man die Erlebnisse und Gedanken – manchmal sind es eben auch nur völlig unreife Gedanken – im eigenen Blog aufgreift, sie „dingfest“ und explizit macht, dann begegnet man sich neu. Wer hat das so erlebt: ich? Wie habe ich damals gedacht? Oh je oder Aha! Diese Verdopplung ist Teil des fruchtbaren Gedankenspiels (primäre Leistung), das man beim Bloggen erleben kann, über Jahre oder eben auch Jahrzehnte.

Mit meinem neuen portVOHLEo will ich die mehr als 13-jährige Bloggeschichte von frank-vohle.de fortsetzen, an der inhaltlichen Ausrichtung aber nix groß ändern (Didaktik, lernende Organisation, Digitalisierung, meist im Sport). „Es muss Spaß machen“, wie Helge Schneider schon richtig vermutet, zumindest dann, wenn die Beziehung zu sich selbst länger als einen Sommer halten soll. Neu ist allein der technische Hintergrund (à WordPress) und das Design (Tanker auf der Elbe der Freien und Hansestadt Hamburg).

Also, Ahoi!

5. Januar 2018
von Frank Vohle
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Digitale Zeitenwende

Zwischen den Jahren hat man Ruhe, eben AUCH für Bücher, die man sonst wegen der rasenden Zeit nicht lesen kann. Zum Jahreswechsel hatte ich mir drei Bücher auf den Tisch gelegt:

  • Meffert & Meffert: Eins oder Null. Wie sie Unternehmen mit digital@scale in die digitale Zukunft führen.
  • Hill: Die Start-Up-Illusion. Wie die Internet-Ökonomie unseren Sozialstaat ruiniert (das Buch war ein Geschenk vom Kollegen Karsten Görsdorf @ danke dir!)
  • Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen. 

Es sind drei sehr unterschiedliche Bücher, die aber eines gemeinsam haben: Sie handeln von einer möglichen Zukunft, in der intelligente Algorithmen eine Rolle spielen: für uns als Einzelperson, für unsere Organisationen und unsere Gesellschaft als Ganzes. Ich will hier keine Zusammenfassung liefern, nur so viel:

  • Das erste Buch wendet sich an all diejenigen, die wissen wollen, wie man vor allem aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive der digitalen Zukunft begegnen sollte. Zusammengetragen sind alle Tipps und Tricks der McKinsey-Bruderschaft. Entsprechend ist das Buch nach einer anfänglichen Warnungssalve (Die Uhr tickt!) vollgestopft mit allem, was der Mensch (offenbar) so braucht: Omni-Chanel, Dynamic Pricing, Digitales Marketing, Open Innovation, Lieferkette 4.0, Digital Lean, etc. Im jeden Fall geht es den Autoren um eines: Think Big! Nur so – so das Credo – können wir (als Unternehmen) überleben. Kritsch-klar ist auch: Ist dieses Mantra einmal vom Kunden geschluckt, sichert es der Beraterzunft die monetäre Zukunft.
  • Das zweite Buch ist geschrieben von einem renommierten Wirtschaftsjournalisten aus den USA (Silicon Valley), der in Berlin als Fellow (Stipendiat) gelebt und gearbeitet hat. Er ruft uns Deutschen oder besser ganz Europa zu: Kämpft um die Errungenschaften einer wertebasierten und sozialen Marktwirtschaft mit Sozialsicherungssystemen, Mitarbeiterbeteiligung etc. und lasst diese Kultur nicht durch die Digitalisierung kaputt machen. In seinem Buch zeigt er durch Beispiele auf, dass aus vielen US-amerikanischen Unternehmen der Digitalwirtschaft nur in einem sehr geringen Umfang neue Jobs hervorgegangen sind. Zudem verbreite sich eine Kultur der Mini-Jobs (Gigs, Micro-Gigs), die zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig Geld einbringen würden: Beides zerstöre nicht nur Einzelschicksale, sondern auch die Demokratie als Ganzes! Was tun, wenn nicht ein europäisches Amazon oder Facebook schaffen? Er plädiert für eine Verbindung der neuen Start-Up-Kultur und dem guten alten deutschen Mittelstand! Innovation und Geschwindigkeit treffen auf Werte, Präzision, Langfristigkeit. Das ist das (attraktive) Credo.
  • Das dritten Buch, Homo Deus, … der Titel ruft es uns zu: Wir wollen Götter werden! Nachdem alle Leiden abgeschafft sind: Krieg, Hunger etc. macht sich der Mensch auf, übermenschlich zu werden. Biotechnologie, Biosynthese, KI-Implantate, alles, was man aus guten Science-Fiction kennt (vgl. auch meinen Beitrag zu Karin Gloys Wahrnehmungswelten). Nur ist das keine Fiktion mehr, sondern bereits Teil unserer Wirklichkeit! Für den Autor ist eines sicher: Alle Wissenschaften werden in eine Art Megawissenschaften zusammenlaufen, in denen die Funktionsweisen von Natur und Kultur als Verrechnung von Daten, dem Dataismus, verstanden werden. Am Ende dieser Dystopie fragt der Autor: Wollen wir das? 

„Wollen wir das?“ Diese Frage klingt noch einige Tage nach Beendigung des Hörbuches in mir fort. Während es für Meffert & Meffert ausgemacht ist, dass wir auf den EINEN digitalen Zug aufspringen müssen, hat Hill doch eine Alternative für uns, nämlich die, dass wir nicht auf die US-amerikanische Variante der Digitalisierung setzen, sondern etwas Eigenes, Europäisches, Wertebasiertes, Soziales, Demokratie-Stabilisierendes zu entwickeln haben. Zumindest ist das für mich eine erste inhaltliche (!) Antwort auf die Frage: Digitale Transformation, aber wohin? Und der Übermensch von Harari? Homo Sapiens stand und steht immer in Gefahr (vgl. hier). Nur, die digitale Revolution ist kein Kampf ums nackte Überleben (wie bei allen anderen Revolutionen), sondern ein Kampf um die humane (!) Existenz. 

2. Januar 2018
von Frank Vohle
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Sanfter Wandel

Seit Sommer 2016 arbeiten wir mit verschiedenen Abteilungen (von Amateur bis Profi) des Deutschen Fußball Bund e.V. zusammen. Auch 2017 war für uns wieder sehr aktives Fußball-Jahr (vgl .auch Ghostthinker-Jahresbericht).

  • Das aktuell größte Teilprojekt bezieht sich auf die Neugestaltung der Trainer C-Lizenz mit Social Video Learning. Zusammen mit Wolfgang Möbius (Leitung Qualifizierung und Initiator der Social Video Learning-Initiative im DFB), seinem Mitarbeiter Florian Huber sowie Vertretern der Landesfachverbände aus Sachsen-Anhalt, Hessen, Rheinland und Westfalen konnten dieses Jahr fünf Kurse mit je ca. 20 TeilnehmerInnen durchgeführt werden. Die zentralen Botschaften lauten: Das Blended Learning-Konzept mit Social Video Learning als neue Reflexions- und Kollaborationsmethode sowie einer “Prüfung im Heimatverein” funktioniert und alle Beteiligte sind sehr motiviert, diesen Ansatz 2018 „in der Fläche“ auszubauen.
  • Auch in der Trainer B-Lizenz schreitet das Projekt “Social Video Learning” unter Leitung von Markus Nadler fort. Nach den positiven Erfahrungen von 2016 beim FLVW (Leitung Maik Halemeier) und FSA (vgl. Zusammenfassung hier) haben sich dieses Jahr die Landesfachverbände Berlin und Hamburg rangemacht, um Reflexionsprozesse aber auch Vermittlungsprozesse über den edubreak®SPORTCAMPUS zu organisieren. Interessant hier: Erstmals kam unser Online-Fachtutor Fußball zum Einsatz (Christopher Branch). Er begleitete insbesondere die Berliner Kollegen und unterstütze sowohl in technischen als auch didaktischen Fragen. Der Kurs in Berlin war für alle Beteiligten ein großer Erfolg.
  • Die Torwart-Elite-Ausbildung in der A-Lizenz ist der dritte Bereich, indem edubreak unter Leitung von Jörg Daniel und Marc Ziegler zum Einsatz kommt. Während in der C-Stufe die Herausforderung darin besteht, Ehrenämtler mit wenig Zeit für das neue Lernen zu gewinnen, dreht sich hier in der A-Lizenz alles um Berufstorwarttrainer der deutschen Bundesligaclubs. Besonders spannend zu beobachten ist, dass trotz eines Konkurrenzverhältnisses ein gemeinsames Online-Lernen mit Dokumententeilung und Reflexionsprozesse möglich ist und aktiv praktiziert wird.
  • Noch kurz vor dem Jahresende ist es uns gelungen, auch die Schiedsrichter mit ins „Social Video Learning“-Boot zu holen. Lutz Wagner (Koordinator Schiedsrichter-Ausbildung) hat uns in die Hände von Sandy Hoffmann gegeben (ein Glücksfall!), mit dem wir auf kurzem Wege einen ersten Case im Bereich „Schiedsrichter Frauen Bundesliga“ auf die Beine stellen konnten. Auch hier wurde der Mehrwert für alle schnell sichtbar: Zum einen ist auch ohne aufwändige Reisen ein zielführendes Coaching möglich, zum anderen sehen die Beteiligten eine Qualitätssteigerung, da sich alle Reflexionsprozesse nun an einem (virtuellen) Ort für alle sichtbar materialisieren.

Man sieht also, die Prozesse der (didaktischen) Digitalisierung im DFB nehmen Fahrt auf! 2018 werde ich die Gelegenheit nutzen, um die ersten Ergebnisse auch im wissenschaftlichen Kontext zur Diskussion zu stellen. Im Mai 2018 wird in Athen eine internationale Tagung veranstaltet (Lead Prof. Dr. Andreas Hebbel-Seeger) und die Bewerbung zur Teilnahme läuft gerade. Ich bin guter Hoffnung :-). 

29. Oktober 2017
von Frank Vohle
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Bist du normal? Inklusion im Sport

Wusstes ihr, dass Inklusion eine ästhetische Kategorie ist? Vielleicht habe ich im kurzen, aber intensiven Flurgespräch mit Edgar Sauerbier nicht alles verstanden, was mir der Experte für dieses Thema sagen wollte, aber eines ist sicher: Es geht nicht nur um den „Rollifahrer im Sportunterricht“ und die Frage, wie man ihn integriert.

Hintergrund für das genannte Flurgespräch ist ein laufendes Projekt mit dem DOSB zum Thema Inklusion. In Zusammenarbeit mit Kompetenzexperten der Universität Erlangen-Nürnberg (u.a. Prof. Sygusch) und einer Expertengruppe für Inklusion (Schwimmverband, LSB Niedersachsen) sowie mit Vertretern des DOSB (Kreutel und Fabinski) sollen kompetenzorientierte Fortbildungsmodule im Blended Learning-Format für das Vereinsmanagement und für die Trainerausbildung entwickelt werden. Mediendidaktisch setzen wir auf das edubreak-Konzept, erweitern dieses aber um jene Aspekte, die Menschen mit Behinderung Interaktion und Gestaltung mit und in der Online-Welt ermöglichen.

Was ist an diesem Projekt so außergewöhnlich? Eine Antwort in Kürze: das Zusammenspiel aus Kompetenzorientierung, Digitalisierung und organisationsübergreifendem Aushandeln von Inklusionsthemen. Das alles ist sehr anstrengend und man ist geneigt, bekannte Konzepte aus der Schublade zu ziehen und zu sagen: Lass es uns doch machen wie immer!

Aber wie das so ist in Innovationsprojekten: Am Ende entstehen Dinge, die man noch im Prozess nicht für möglich gehalten hat. So liegen aktuell ein fast fertiges Blended Learning-Konzept sowie ein stimmiges Aufgabendesign mit Lernzielen vor, mit dem wir in vier Wochen an den Start gehen. Die technischen Anpassungen in edubreak sind auf dem Weg (WCAG 2.0 AAA + Social Video Learning inclusion) und die ReferentInnen fühlen sich durch die Schulung in unserer Academy gut vorbereitet. Also alles rosa?

Na ja, nicht ganz so rosa finde ich, dass wir es versäumt haben, gleich zu Beginn alle ReferentInnen mit ins Boot zu holen. Zum einen waren diese noch nicht alle greifbar, zum anderen denken wir noch immer zu arbeitsteilig und vor allem linear: Hier die Expertengruppe, die erfindet, dort die ReferentInnen, die es umsetzen. Aber wir wissen es doch besser: Bei der didaktischen Transformation müssen alle mit an den Tisch – von Anfang an. Zudem sind lineare und starre (vs. iterative) Phasen aus Entwurf/Plan, Test, Bewertung und Neuplan ungünstig, weil die Lernkurve zu flach verläuft und wir sehr viel im unfruchtbaren Metamodus verharren. Beim nächsten Mal machen wir auch das besser. 

Zum Schluss: „Bist du normal?“, fragt eine blinde Frau einen jungen (nicht behinderten) Mann bei einem Videodreh. Der Mann weiß gar nicht, worauf sich die Frage bezieht, denn die Blindheit der Frau sieht man nicht. Verunsicherung folgt auf beiden Seiten. Sehenswert (aktion mensch)! Warum aber nun ist Inklusion eine „ästhetische Kategorie“ wie im eingangs genannten Flurgespräch angedeutet? Vielleicht, weil es nicht um ein Mitleid erheischendes Hineinfühlen der Nicht-Behinderten in den Körper-Geist der behinderten Menschen geht, gehen darf, sondern um die Anerkennung der Selbstzweckhaftigkeit von Menschen schlechthin. Schon der Dualismus von „Menschen mit und ohne Behinderung“ bringt uns auf eine falsche Spur.

1. Oktober 2017
von Frank Vohle
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Auf Wiedersehen!

Seit einer Woche zurück aus Luxemburg, dem Ort, wo sich das EU-Projektteam (prepare) getroffen hat, um über die Gestaltung des letzten Drittels nachzudenken. Das Vorort-Treffen hat sich gelohnt, nich nur wegen der intensiven Gespräche und der kurzweiligen Abendgestaltung (hier im Bild Reinhard Bauer von der PH Wien). 

Im Zentrum unseres Projekts steht die „Reflexive Praxis“ in der Lehrerbildung und genau dieses Ziel wollen wir mit einer Methodenkombination aus (a) Social Video Learning, (b) e-Portfolioarbeit und (c) learning analythics (als Reflexionshilfe) angehen. Dieses Ziel korrespondiert mit einer zu entwickelnden technischen Infrastruktur, dem prepareCampus, eine Kombination aus edubreak und mahara.

Es läuft selbstverständlich noch nicht alles so, wie wir uns das vorstellen. Da gibt es noch Lücken beim Aufgabendesign und beim technischen Workflow. Aber immerhin: Die praktischen Arbeiten mit den Lehrerinnen wurden aufgenommen und die ersten Kurse rund um die „Primärreflexion“ in Österreich, Deutschland, Italien und Luxemburg mit Social Vide Learning laufen!

Ganz wesentlich haben wir uns über das Thema Aufgabendesign unterhalten. Das dies wichtig ist, sieht man daran, dass Nachlässigkeiten beim Aufgabendesign beim Punkt Sinn und Klarheit unmittelbar bestraft werden (eine gute Feedbackmethode für Dozierende). Um hier weiter zu kommen, haben wir uns im Sinne eines kollegialen Coachings eigene Aufgaben gezeigt, bisher gemachte Erfahrungen geteilt und Tipps zur Aufgabengestaltung festgehalten. In diesem Zusammenhang bin ich wieder über Eric Jeisy gestolpert; er hatte vor einiger Zeit eine wirklich tolle Dissertation mit DBR Schwerpunkt fertiggestellt und nun – 2014 – auch einen Beitrag zur Aufgabenkultur geschrieben, den ich in den nächsten Tagen unbedingt lesen muss.

Interessant war zudem der Vortrag on JP Dr. Zaki. Sie kommt von der PH Freiburg und beschäftigt sich mit e-Portfolioarbeit in der Fremdsprachenausbildung. Fremde Kontexte erzeugen in der Regel auch neue Lösungskonzepte. Neu war für mich, dass im Studiengang mit e-Tandems gearbeitet wird, einer im Heimatland und einer im Fremdland. Mit der e-Portfolioarbeit bereiten sich die Tandems auf den Besuch vor, was ich für einen guten Grund halte. Ja, guter Grund, in nicht wenigen Portfolioprojekten hat man diesen meines Erachtens nicht, denn „Reflexion“ ist kein ausreichender Grund, eher ein Mittel, ja für was?

Noch ein kleiner Schmunzler zum Schluss: Mein Flieger ging letzten Mittwoch um 06.30 Uhr. Früh aufstehen war also angesagt. Nach Ankunft am Flughafen sagte mir der Taxifahrer den Preis von 32 €. Ich gab 50 €, sagte „bitte auf 35 € zurück“. Drei Sekunden später sagte ich: „Ich habe es auch klein,“ und gab weitere 35 €. Der Taxifahrer bedanke sich und sagte nach Ausstellung der Quittung: Auf Wiedersehen! „Was ist mit meinen 50 €?“ sagte ich. Er: „Welche 50 €?“ … Junge!

3. Juni 2017
von Frank Vohle
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Nicht gemessen!

Diese Woche war ich mit Rebecca Gebler und unserem „Ghosti“ auf der Tischtennis-Weltmeisterschaft in Düsseldorf. Dass Düsseldorf die längste Theke der Welt hat, weiß man, aber dass sich dort die Besten der Welt mit dem kleinen weißen Ball duellieren, war in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt.

Ziel unserer Reise war eine Podiumsdiskussion des Deutschen Tischtennis-Bundes zum Thema „Trainerausbildung und Spielerentwicklung mit digitalen Medien“, bei der Becky als Diskussionsleitung und ich als Teilnehmer eingebunden waren.

Becky stand zum ersten Mal in dieser Funktion auf der Bühne und ich muss sagen, dass sie das sehr gut gemacht hat: strukturierte Gesprächsführung, freundliches Nachfassen bei Ausbrechern und gutes Zeitmanagement „aufn Punkt“. Für eine Erstlingstat „echt cool“.

Inhaltlich haben wir in einer Runde aus Bildungsverantwortlichen des DTTB (ehemaliger Bundesassistenztrainer, Referenten und Absolventen der A-Ausbildung) über digitale Bildung bei Trainern und Spielern im Tischtennis gesprochen. Leider waren kritische Stimmen im Podium rar; die meisten haben „von diesem Programm“ geschwärmt, konnten aber ihre Begeisterung rund um den Einsatz von edubreak durchaus anschaulich begründet. Unterm Strich also eine tolle Geschichte.

Sehr irritiert war ich dann über folgenden Sachverhalt: Ein Teilnehmer stellt fest, dass alle (!) Beiträge aus dem Podium überraschend kritikfrei waren (was der Fall war) und über die positive Wirkung „nur aus dem Gefühl“ befunden wurde. Vor diesem für ihn unbefriedigenden Hintergrund forderte er eine „genaue Messung“ der postulierten Wirkungen. Das Mikrophon wurde reflexartig an mich gegeben.

Ich weiß nicht, ob ich mich in dieser für mich etwas verzwickten Situation angemessen geäußert habe; in etwa habe ich Folgendes gesagt bzw. wollte Folgendes zum Ausdruck bringen:

  • Es ging uns im DTTB ab 2007 um die Lösung eines komplexen Bildungsproblems, dessen Konturen wir damals noch nicht exakt erkennen konnten (mehr Zeitflexibilität, tiefere Lernprozesse, validere Prüfungen, intelligenter Wissensaustausch zwischen den Teilorganisationen).
  • Wir als Systempraktiker (Ghostthinker) haben diese Bildungsprobleme dann im engen Schulterschluss mit Praxisvertretern (TTVN), und Wissenschaftlern (HUL) tief analysiert und auf theoretischer Basis schrittweise Lösungen erfunden! Sehr viele Zyklen mit Revision bei Didaktik, Technologie, Organisationsstruktur bis Implementationsstrategie brachten uns der Lösung Jahr für Jahr näher, schärften unser Bewusstsein für Wesentliches (Prinzipien, Muster, Gestalten) und erzeugten eine gemeinsame „Arbeitssprache“, mit der die Folgephase effizienter organisiert werden konnte. Wir haben versucht, so gut es ging, die Grundprinzipien der Entwicklungsforschung zu verfolgen.
  • Und nach 10 Jahren gemeinsamer Entwicklung, drei Awards (auch international), fast flächendeckender sowie freiwilliger Anwendung der Neuerungen, da sagt jemand, dass die so erlebte und bekundete Wirkung nur eine Art Gefühlsduselei sei, ein Urteil auf schwachem Grund – ohne den viel beschworenen „impact“?!

Was mich auf die Palme brachte, war nicht, dass da jemand die berichteten Wirkung des edubreak-Konzepts in Frage gestellt hat (das MUSS man immer wieder in Frage stellen), sondern dass die Expertenurteile aus den eigenen Reihen so marginalisiert werden, die über Jahre gesammelt und kollegial validiert wurden! In Kurzform: Güte wird erst durch Messung akzeptabel, nicht durch kollektives Erfahrungsurteil. 

Ich habe den Kollegen zugerufen, dass jetzt 2017 der richtige Zeitpunkt ist, um das Gesamtprojekt zu „vermessen“ (jenseits formativer und leichtgewichtiger Evaluationen)! Gern auch mit Überprüfung des „Social Return of Investment“ für die Organisation als Ganzes und mit Kompetenzmodellierung, Kontrollgruppendesign und höherer Statistik auf der Ebene der Lehrenden und Lernenden. Von 2007 bis 2017 mussten wir erstmal die Welt neu erfinden (phase of exploration) und da haben wir ganz bewusst auf die Mess-Menschen i.e.S. (phase of verification) verzichtet, denn: Man kann nur messen, wenn man weiß, was man messen soll. Wenn aber das Soll selbst im Werden ist, dann ist Zurückhaltung geboten, bis die neue Qualität ausgeformt und stabil ist. Bildungsinnovationen sind schwere Geburten.