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Digitale Zeitenwende
Zwischen den Jahren hat man Ruhe, eben AUCH für Bücher, die man sonst wegen der rasenden Zeit nicht lesen kann. Zum Jahreswechsel hatte ich mir drei Bücher auf den Tisch gelegt:
- Meffert & Meffert: Eins oder Null. Wie sie Unternehmen mit digital@scale in die digitale Zukunft führen.
- Hill: Die Start-Up-Illusion. Wie die Internet-Ökonomie unseren Sozialstaat ruiniert (das Buch war ein Geschenk vom Kollegen Karsten Görsdorf @ danke dir!)
- Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen.
Es sind drei sehr unterschiedliche Bücher, die aber eines gemeinsam haben: Sie handeln von einer möglichen Zukunft, in der intelligente Algorithmen eine Rolle spielen: für uns als Einzelperson, für unsere Organisationen und unsere Gesellschaft als Ganzes. Ich will hier keine Zusammenfassung liefern, nur so viel:
- Das erste Buch wendet sich an all diejenigen, die wissen wollen, wie man vor allem aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive der digitalen Zukunft begegnen sollte. Zusammengetragen sind alle Tipps und Tricks der McKinsey-Bruderschaft. Entsprechend ist das Buch nach einer anfänglichen Warnungssalve (Die Uhr tickt!) vollgestopft mit allem, was der Mensch (offenbar) so braucht: Omni-Chanel, Dynamic Pricing, Digitales Marketing, Open Innovation, Lieferkette 4.0, Digital Lean, etc. Im jeden Fall geht es den Autoren um eines: Think Big! Nur so – so das Credo – können wir (als Unternehmen) überleben. Kritsch-klar ist auch: Ist dieses Mantra einmal vom Kunden geschluckt, sichert es der Beraterzunft die monetäre Zukunft.
- Das zweite Buch ist geschrieben von einem renommierten Wirtschaftsjournalisten aus den USA (Silicon Valley), der in Berlin als Fellow (Stipendiat) gelebt und gearbeitet hat. Er ruft uns Deutschen oder besser ganz Europa zu: Kämpft um die Errungenschaften einer wertebasierten und sozialen Marktwirtschaft mit Sozialsicherungssystemen, Mitarbeiterbeteiligung etc. und lasst diese Kultur nicht durch die Digitalisierung kaputt machen. In seinem Buch zeigt er durch Beispiele auf, dass aus vielen US-amerikanischen Unternehmen der Digitalwirtschaft nur in einem sehr geringen Umfang neue Jobs hervorgegangen sind. Zudem verbreite sich eine Kultur der Mini-Jobs (Gigs, Micro-Gigs), die zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig Geld einbringen würden: Beides zerstöre nicht nur Einzelschicksale, sondern auch die Demokratie als Ganzes! Was tun, wenn nicht ein europäisches Amazon oder Facebook schaffen? Er plädiert für eine Verbindung der neuen Start-Up-Kultur und dem guten alten deutschen Mittelstand! Innovation und Geschwindigkeit treffen auf Werte, Präzision, Langfristigkeit. Das ist das (attraktive) Credo.
- Das dritten Buch, Homo Deus, … der Titel ruft es uns zu: Wir wollen Götter werden! Nachdem alle Leiden abgeschafft sind: Krieg, Hunger etc. macht sich der Mensch auf, übermenschlich zu werden. Biotechnologie, Biosynthese, KI-Implantate, alles, was man aus guten Science-Fiction kennt (vgl. auch meinen Beitrag zu Karin Gloys Wahrnehmungswelten). Nur ist das keine Fiktion mehr, sondern bereits Teil unserer Wirklichkeit! Für den Autor ist eines sicher: Alle Wissenschaften werden in eine Art Megawissenschaften zusammenlaufen, in denen die Funktionsweisen von Natur und Kultur als Verrechnung von Daten, dem Dataismus, verstanden werden. Am Ende dieser Dystopie fragt der Autor: Wollen wir das?
„Wollen wir das?“ Diese Frage klingt noch einige Tage nach Beendigung des Hörbuches in mir fort. Während es für Meffert & Meffert ausgemacht ist, dass wir auf den EINEN digitalen Zug aufspringen müssen, hat Hill doch eine Alternative für uns, nämlich die, dass wir nicht auf die US-amerikanische Variante der Digitalisierung setzen, sondern etwas Eigenes, Europäisches, Wertebasiertes, Soziales, Demokratie-Stabilisierendes zu entwickeln haben. Zumindest ist das für mich eine erste inhaltliche (!) Antwort auf die Frage: Digitale Transformation, aber wohin? Und der Übermensch von Harari? Homo Sapiens stand und steht immer in Gefahr (vgl. hier). Nur, die digitale Revolution ist kein Kampf ums nackte Überleben (wie bei allen anderen Revolutionen), sondern ein Kampf um die humane (!) Existenz.