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Nicht gemessen!
Diese Woche war ich mit Rebecca Gebler und unserem „Ghosti“ auf der Tischtennis-Weltmeisterschaft in Düsseldorf. Dass Düsseldorf die längste Theke der Welt hat, weiß man, aber dass sich dort die Besten der Welt mit dem kleinen weißen Ball duellieren, war in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt.
Ziel unserer Reise war eine Podiumsdiskussion des Deutschen Tischtennis-Bundes zum Thema „Trainerausbildung und Spielerentwicklung mit digitalen Medien“, bei der Becky als Diskussionsleitung und ich als Teilnehmer eingebunden waren.
Becky stand zum ersten Mal in dieser Funktion auf der Bühne und ich muss sagen, dass sie das sehr gut gemacht hat: strukturierte Gesprächsführung, freundliches Nachfassen bei Ausbrechern und gutes Zeitmanagement „aufn Punkt“. Für eine Erstlingstat „echt cool“.
Inhaltlich haben wir in einer Runde aus Bildungsverantwortlichen des DTTB (ehemaliger Bundesassistenztrainer, Referenten und Absolventen der A-Ausbildung) über digitale Bildung bei Trainern und Spielern im Tischtennis gesprochen. Leider waren kritische Stimmen im Podium rar; die meisten haben „von diesem Programm“ geschwärmt, konnten aber ihre Begeisterung rund um den Einsatz von edubreak durchaus anschaulich begründet. Unterm Strich also eine tolle Geschichte.
Sehr irritiert war ich dann über folgenden Sachverhalt: Ein Teilnehmer stellt fest, dass alle (!) Beiträge aus dem Podium überraschend kritikfrei waren (was der Fall war) und über die positive Wirkung „nur aus dem Gefühl“ befunden wurde. Vor diesem für ihn unbefriedigenden Hintergrund forderte er eine „genaue Messung“ der postulierten Wirkungen. Das Mikrophon wurde reflexartig an mich gegeben.
Ich weiß nicht, ob ich mich in dieser für mich etwas verzwickten Situation angemessen geäußert habe; in etwa habe ich Folgendes gesagt bzw. wollte Folgendes zum Ausdruck bringen:
- Es ging uns im DTTB ab 2007 um die Lösung eines komplexen Bildungsproblems, dessen Konturen wir damals noch nicht exakt erkennen konnten (mehr Zeitflexibilität, tiefere Lernprozesse, validere Prüfungen, intelligenter Wissensaustausch zwischen den Teilorganisationen).
- Wir als Systempraktiker (Ghostthinker) haben diese Bildungsprobleme dann im engen Schulterschluss mit Praxisvertretern (TTVN), und Wissenschaftlern (HUL) tief analysiert und auf theoretischer Basis schrittweise Lösungen erfunden! Sehr viele Zyklen mit Revision bei Didaktik, Technologie, Organisationsstruktur bis Implementationsstrategie brachten uns der Lösung Jahr für Jahr näher, schärften unser Bewusstsein für Wesentliches (Prinzipien, Muster, Gestalten) und erzeugten eine gemeinsame „Arbeitssprache“, mit der die Folgephase effizienter organisiert werden konnte. Wir haben versucht, so gut es ging, die Grundprinzipien der Entwicklungsforschung zu verfolgen.
- Und nach 10 Jahren gemeinsamer Entwicklung, drei Awards (auch international), fast flächendeckender sowie freiwilliger Anwendung der Neuerungen, da sagt jemand, dass die so erlebte und bekundete Wirkung nur eine Art Gefühlsduselei sei, ein Urteil auf schwachem Grund – ohne den viel beschworenen „impact“?!
Was mich auf die Palme brachte, war nicht, dass da jemand die berichteten Wirkung des edubreak-Konzepts in Frage gestellt hat (das MUSS man immer wieder in Frage stellen), sondern dass die Expertenurteile aus den eigenen Reihen so marginalisiert werden, die über Jahre gesammelt und kollegial validiert wurden! In Kurzform: Güte wird erst durch Messung akzeptabel, nicht durch kollektives Erfahrungsurteil.
Ich habe den Kollegen zugerufen, dass jetzt 2017 der richtige Zeitpunkt ist, um das Gesamtprojekt zu „vermessen“ (jenseits formativer und leichtgewichtiger Evaluationen)! Gern auch mit Überprüfung des „Social Return of Investment“ für die Organisation als Ganzes und mit Kompetenzmodellierung, Kontrollgruppendesign und höherer Statistik auf der Ebene der Lehrenden und Lernenden. Von 2007 bis 2017 mussten wir erstmal die Welt neu erfinden (phase of exploration) und da haben wir ganz bewusst auf die Mess-Menschen i.e.S. (phase of verification) verzichtet, denn: Man kann nur messen, wenn man weiß, was man messen soll. Wenn aber das Soll selbst im Werden ist, dann ist Zurückhaltung geboten, bis die neue Qualität ausgeformt und stabil ist. Bildungsinnovationen sind schwere Geburten.