28. Februar 2020
von Frank Vohle
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 wir starten blind!

Forschendes Sehen, 
 wir starten blind!

Seit ca. drei Monaten denken wir intensiv in unserem bmbf-Projekt SCoRe ĂŒber das Forschende Sehen als Spezialform des forschenden Lernens nach. Als erstes Ergebnis ist nun ein Impact Free-Artikel entstanden, worĂŒber ich mich sehr freue [„FORSCHENDES SEHEN“ – EIN KONZEPT UND SEINE MÖGLICHKEITEN]. Darin beschreiben wir erstmals die Spezifika des Forschenden Sehens und kombinieren diesen „Erkenntnisrahmen“ mit den besonderen „Erkenntnismitteln“, nĂ€mlich Video und Social Video Learning.

Es ĂŒberrascht daher, wenn wir – wie im Titel geschrieben – „blind starten“. Hintergrund fĂŒr diesen verbalen AufhĂ€nger ist der Expertenworkshop „Video“, den wir letzte Woche an der Macromedia-Hochschule Hamburg (MMH) unter Leitung von Andreas Hebbel-Seeger und Team (Marianna und AndrĂ©) sowie unserem externen Videoexperten von der ETH ZĂŒrich, Pascal Xavier Schmidt, durchgefĂŒhrt haben. Im Workshop galt es u.a., im Rahmen eines Arbeitsauftrags zu erkunden, welche Barrieren und Hilfsmittel jemand im GebĂ€ude der MMH vorfindet, der blind ist. Um erste empirische Einsichten zu gewinnen, hatten wir jemanden aus unserem Kreis die Augen verbunden, ihn mit einer wortkargen Begleiterin ausgestattet und dann „einfach mal den Weg zum Professor“ suchen lassen. Man macht sich keine Vorstellung davon, wie offenkundig und subtil Barrieren sein können. Genau diese Barrieren mit Video aus sehr unterschiedlichen Perspektiven zu dokumentieren, war Teil des Arbeitsauftrags und Teil der „Beobachtungsstudien“, die wir mit dem Projekt anstoßen wollen.

Ich bin sehr froh, dass wir nach den Monaten intensiver Theorie- und Konzeptionsarbeit nun praktische Erfahrungen sammeln, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir ein GefĂŒhl dafĂŒr bekommen mĂŒssen, was wir Studierenden zutrauen können und mĂŒssen. Was mich besonders fasziniert, ist, dass mit der Metapher des „Forschenden Sehens“ ein Rahmen abgesteckt ist, der abstrakte Aspekte der Erkenntnistheorie und der Forschung im Zusammenspiel mit Video (lat. ich sehe) in greifbare und potenziell begreifbare Kategorien ĂŒberfĂŒhrt, z.B. BeobachterabhĂ€ngigkeit, PerspektivitĂ€t, KonstruktivitĂ€t etc. Am Ende steht wohl auch die Aufgabe, Studierende vom „naiven Sehen“ (und Beobachten) ĂŒber viele Zwischenstufen zu einem reflexiven Sehen (und Wahrnehmen) zu bringen, was ein wichtiger Aspekt einer forschenden Haltung ist. Und wie immer denke ich bei solchen SĂ€tzen nicht nur an die Studierenden an Hochschulen, sondern auch an die Trainer und Trainerinnen von morgen, fĂŒr die das Forschende Sehen ebenfalls ein attraktives Ziel sein dĂŒrfte.

17. Februar 2020
von Frank Vohle
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Thomas Beyer ist tot – Erinnerungen

Thomas war hier in Hamburg jahrzehntelang Leiter des Sportamt der UniversitĂ€t und damit verantwortlich fĂŒr den Hochschulsport; er war GeschĂ€ftsfĂŒhrer in der Universiade-Bewerbungs-GmbH, federfĂŒhrend aktiv bei der Dekadenstrategie Sport fĂŒr die Stadtentwicklung und Berater bei den TopSport-Vereinen und vieles mehr. Er war, wenn man so will, einer der grauen Eminenzen (des Sports) hier an der Elbe.

Ich kannte Thomas Beyer seit ca. 2010, wir hatten wenige Begegnungen, aber die hatten es in sich. Drei Ereignisse sind mir in Erinnerung:

  • Botanischer Garten, MĂŒnchen: Es war ein heißer Sommertag, als Thomas und ich uns trafen, um ĂŒber ein Projekt zu diskutieren, das kaum grĂ¶ĂŸer hĂ€tte sein können. Es ging um ein Ausbildungskonzept fĂŒr die Förderung von chinesischen SportvereinsmanagerIn nach deutschem Vorbild, wir nannten das kurz „social entrepreneurship“. Hintergrund war die Annahme des chinesischen Ministeriums, dass in naher Zukunft enorme Sozialkosten entstehen wĂŒrden, weil die chinesische Jugend an Übergewicht leide, im Übrigen wie in vielen westlichen LĂ€ndern. Was da hilft? Die GrĂŒndung von Sportvereinen! Um die darin tĂ€tigen VereinsmanagerInnen auszubilden, hatten wir uns ein Blended Learning-Konzept mit Social Video Learning ausgedacht, hatten Skripts geschrieben und in den Folgewochen Videos im Hamburger Sportverein mit chinesischen Darstellern gedreht. Wir waren also auf dem Sprung ins Reich der Mitte. Aber nach dem gefĂŒhlt 100sten Besuch beim Ministerium in Peking, der UniversitĂ€t in Shanghai und Hamburg (hier), gab es dann doch kein GO, die Sache verlief im Sand. Aber: Von der „großen Idee“ zehrten wir lange.
  • Gartenfest, Hamburg: Mich erreichte seit 2012 jĂ€hrlich eine eigenwillige Einladung zum Gartenfest in Hamburg, Winterhude. Eigenwillig deshalb, weil sie wohl ĂŒber die letzten 30 Jahre ausgesprochen wurde, inhaltlich immer gleich, nur die Jahreszahl Ă€nderte sich. Diese Gartenfeste versammeln eine bunte Mischung aus der Hamburger Sportwelt, kombiniert mit Kind und Kegel und Tante Erna von nebenan. Es gab mitgebrachte Salate, Kuchen – nur das Feinste – mit lecker Bier und Kaffee. Ich habe nie so recht verstanden, warum man sich das jedes Jahr „antut“, aber den Gastgebern war es heilig und so bin auch gerne gekommen. Am Gartenfest 2016 – ich war gerade mit Familie frisch von Bayern nach Hamburg gezogen – saß ich vier echten Hamburgern gegenĂŒber, die mich neugierig fragten, wo ich denn hingezogenen sei: Eidelstedt, ein Steinwurf von der Grenze zu Schleswig-Holstein. Die vier Hamburger schwiegen, keine Regung. Themenwechsel.
  • RestaurantgesprĂ€ch, Hamburg: Noch letztes Jahr haben wir uns zu einem „Was geht ab“-GesprĂ€ch getroffen, es ging darum, zu hören, an welchen RĂ€dern der jeweils andere dreht, etwas fĂŒr große Jungs oder fĂŒr welche, die das ernsthaft glauben. Thomas suchte hierfĂŒr die Location aus, es gab Wild und Dinge, deren Name ich nicht verstand. Thematisch ging es wieder mal um China, jetzt nur Fußball, um eine „Akademie“ und was man alles in Hamburg tun könnte, mĂŒsste, sollte.

Thomas war nicht immer leicht. Seine Zuneigung musste man „ertragen“ können, dann wurde man reich beschenkt, mit großen, verwegenen Ideen, die in keine Hose passen. Mit Thomas verliere ich einen Menschen, der ansteckende Visionen mit Sorge fĂŒr den Sport verband und der bereit war, dafĂŒr zu kĂ€mpfen, koste es, was es wolle! In diesem Geist war er ein Vorbild.

2. Februar 2020
von Frank Vohle
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Neues vom Piratensender

Vor knapp vier Jahren hatte Gabi (Reinmann) ein Publikationsformat mit Namen „Impact Free“ eingefĂŒhrt und mit „Journal fĂŒr freie Bildungswissenschaftler“ nĂ€her gekennzeichnet. Es ist unschwer zu erkennen, dass Name und Programm dafĂŒr erfunden wurden, um wissenschaftliche Gedanken OHNE Gedankenfesseln (ImpactprĂŒfung, Schreibweise etc.) schnell und niederschwellig der interessierten Öffentlichkeit zur kritischen Diskussion zur VerfĂŒgung zu stellen.

Gerade ist der 25ste Impact Free-Artikel publiziert worden. Der Titel (mit Download) lautet: „GESTALTUNGSFELDER UND -ANNAHMEN FÜR FORSCHENDES LERNEN IN EINEM DESIGNBASED RESEARCH-PROJEKT ZU STUDENT CROWD RESEARCH“ und hier haben Gabi Reinmann, Alexa Brase, Vanessa JĂ€nsch, Nele Groß und ich mit- und zusammengedacht. Es ist die erste Publikation aus unserem BMBF-Projekt SCoRE, das den Gesamtzusammenhang aus der Perspektive des Forschenden Lernens aufschlĂŒsselt und dabei vor allem die Herausforderungen der Crowd und des Videoeinsatzes thematisiert.

Obwohl Ghostthinker laut Antrag den technischen Part zur Entwicklung der Online-Umgebung zur verantworten hat (hier hat Johannes Metscher die Leitung), sehe ich meine Aufgabe mit Ghostthinkerhut an den didaktischen Schnittstellen des Projekts, weswegen ich aktuell im Team von Gabi Reinmann (Uni Hamburg) zum Forschenden Lernen oder auch im Team von Andreas Hebbel Seeger (Macromedia Hochschule Hamburg) zu den Videotechnologien „mit rumspringe“.

Sei‘s drum, Hauptsache wir bekommen was hin und können nach insgesamt 36 monatiger Laufstrecke wirklich, echte Innovationen vorweisen, und zwar theoretische, technologische wie praktische. Die Latte liegt hoch, mal sehen, ob wir auch alle gemeinsam ĂŒber die Latte springen.

23. November 2019
von Frank Vohle
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„Social Video Learning“ im wissenschaftlichen Fokus

„Lass uns doch mal einen Workshop bei der Campus Innovation einreichen“, so Andreas Hebbel Seeger vor ein paar Monaten zu mir in gewohnt heißer Hamburger Umgebung. Ja, und da war er nun, dieser kleine Workshop: Gut 100 Interessierte versammelten sich im Ballsaal des Curio-Hauses, um an unserem eLearning Track „Social Video Learning“ teilzunehmen. Neben uns beiden konnten wir Ruth Arimond aus Luxemburg und Jeanine Reutemann aus ZĂŒrich fĂŒr ein Referat gewinnen.

  • Nach einleitenden Worten von Andreas lag es bei mir, eine Art „EinfĂŒhrung“ in das Thema zu geben [Videovortrag hier]. Ich hatte diesen Auftrag so ausgelegt, dass ich mich etwas systematischer als sonst der Frage zugewendet habe, was Social Video Learning jenseits des technischen Prinzips ausmacht, warum es also in so unterschiedlichen Kontexten wie der Ausbildung von Trainern und Lehrerinnen, Musikerinnen, FĂŒhrungskrĂ€ften und Mathematikerinnen funktioniert. Da kann man sich doch fragen: Warum? Die Antworten hatte ich in fĂŒnf theoretischen Ankern versucht, wobei ich mich vor allem aus dem kommunikationstheoretischen Inventar (Videomanipulation, Zeichenmix, Elaboration, reflexive Beobachterebenen und Common Ground) habe anregen lassen. Es ist ein theoretischer Anfang und Jeanine signalisierte mir viel „Diskussionsbedarf“, ĂŒber den ich mich freue.
  • Ruth vom IFEN (Institut de Formation de l’Éducation Nationale) skizzierte in ihrem Beitrag Ausschnitte aus ihrer Doktorarbeit, die eine qualitative Studie zur Förderung von Wahrnehmungs-, Reflexions- und Handlungskompetenz umfasst [Videovortrag hier]. Ausgangspunkt ist ihr spezieller Kontext der luxemburgischen Lehrer- und Lehrerinnenausbildung, bei der im Rahmen eines Blended Learning-Settings neben Social Video Learning auch e-Portfolios eingesetzt werden. Das Ergebnis ihrer Fallanalysen ist vielversprechend: Wenn mit fokussierten (d.h. kriteriumsorientierten) Aufgaben u.a. unter Einsatz von Social Video Learning gearbeitet wird, dann ist eine Steigerung der o.g. Kompetenzen festzustellen! Das macht Laune: zum einem wegen des positiven Ergebnisses im Rahmen einer methodisch kontrollierten Interventionsstudie und zum anderen wegen Ruths Doktorarbeit, die nun in die Endphase geht. Wir drĂŒcken die Daumen!
  • Jeanine, Unternehmerin (www.redmorpheus.com) und Wissenschaftlerin (ETH ZĂŒrich), ging in ihrem Beitrag eher grundsĂ€tzlich auf das Thema der Bildevidenz von Video (VR 360) im Rahmen der wissenschaftlichen Dokumentation und Publikation ein [Videovortrag hier]. Was sie sagt, ist fĂŒr viele Ohren neu, ungewohnt, teils unbequem, weil sie neben dem wissenschaftlichen Textparadigma selbstbewusst und mit guten GrĂŒnden mehr Aufmerksamkeit fĂŒr das Bild- und Videoparadigma gerade bei der Wissensgenerierung einfordert. Sie sagt: „Text kann viel, aber Video kann auch sehr viel“. Und damit meint sie nicht Video zur „AufhĂŒbschung“ von wissenschaftlichen Ergebnissen, sondern Video als Mittel der Erkenntnisgewinnung, also als methodischen Kern aller Wissenschaften, die „was zu zeigen haben“. In ihrer 2019 publizierten Doktorarbeit – in der ich gerade nach Schenkung eifrig lese – stolpere ich z.B. ĂŒber Cetina Knorrs „Viskurse der Physik“, also einen Hinweis, wie das Visuelle die Erkenntnis- und Konsensbildung fördert. Großartig, gerade fĂŒr eine im Aufbau befindliche Theorie des Social Video Learning.
  • Andreas war es vorbehalten, viele zuvor genannte Aspekte in seinem Vortrag aufzugreifen und anhand unseres BMBF-Projekts SCoRE mit Fokus auf dem forschenden Lernen (siehe hierzu den Vortrag von Gabi und Georg, beides Projektpartner) zu vertiefen [Videovortrag hier]. Gerade dieses Projekt hat es ja aus vielerlei GrĂŒnden in sich, weil wir dort (a) das forschende Lernen unter (b) den Bedingungen der Vielen, der Crowd, mit (c) innovativen Videotechnologien im Kontext (d) von Nachhaltigkeit (VAN) untersuchen. Informativ fand ich u.a. die Unterscheidungen von normaler Videoarbeit mit dem Handy (fixed frame) und 360-Grad Video, weil hier die besonderen Lernchancen des 360-Grad-Raums deutlich werden. Man muss sich vorstellen: Wenn man Studierende fĂŒr das forschende Lernen zur Nachhaltigkeit motivieren will (was eine Herausforderung ist), dann kann es zielfĂŒhrend sein, sie mit einem 360-Grad Video und Headset z.B. „an den Meeresgrund tauchen zu lassen, um dort den PlastikmĂŒll zu sehen“. Explorierendes Sehen und körperlich-emotionales Eintauchen in eine fragwĂŒrdige Situation sind hier also der Auftakt fĂŒr eine PrimĂ€rreflexion, auf die dann die Ausarbeitung einer Forschungsfrage, das Finden eines Untersuchungsansatzes (ggf. durch Dritte = Crowdmitglieder) folgen sollen.

Wir waren uns einig: Die vier VortrĂ€ge haben gut zusammengepasst und wurden durch die Klammer Social Video Learning gut verbunden, denn: Video kann personale Sichten auf Welt „einfangen“ (fixed frame oder 360 Grad); durch Kommentare bzw. Annotationen (= Sichten auf Weltsichten) kann man ein vertieftes, reflexives VerstĂ€ndnis aufbauen, individuell und in der Gruppe; und durch Videokollagen kann man wissenschaftliche Kernaussagen kommunikativ besser sichtbar machen. Vor uns liegen noch viele Fragen: Wie wird diese videobasierte Perspektivenarbeit (mit welchem Erkenntnisparadigma) zur Erkenntnis? Welche Art von Kollaboration können und wollen wir mit Video, Videokommentaren, Videokommentar-Kollagen unterstĂŒtzen? Wie bekommen wir hin, das Studierende eine Vorstellung vom forschenden Lernen gewinnen, obwohl sie in der Crowd nur einen kleinen Teil eines Forschungszyklus selbstĂ€ndig durchlaufen haben?

All diese Fragen (und unsere vorlĂ€ufigen Antworten, einer wachsenden Gruppe aus Forschern, Unternehmerinnen, Designern und Anwenderinnen) laufen auf eine spezifische Zukunftskompetenz (future skill) hinaus, wenn man diesen Trendbegriff aufgreifen will, nĂ€mlich auf ein „forschendes Sehen“, eine spezifische Form der videogestĂŒtzten Weltwahrnehmung, und eine designbasierte Verarbeitung und Re-Visualisierung, bei der Kommunikation und Kollaboration der Vielen eine zentrale Rolle spielen. Klingt alles noch sperrig, ich weiß, aber das Neue ist eine Geburt.

4. November 2019
von Frank Vohle
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Woher nimmt der Berater seinen Rat?

Einmal in der Woche, meistens sonntags, telefoniere ich mit meiner Mutter, 83 Jahre. Sie ließt fast jeden Artikel in der ZEIT, schaut alle Nachrichten im Fernsehern, interessiert sich fĂŒr fast alles (Kopf, Herz und Seele) und klagt fast nie. Ich freue mich also ehrlich auf diese knappe Stunde, in der wir uns „Neuigkeiten“ (große und kleine) erzĂ€hlen.

Immer wieder kommt es vor, und das schon seit Jahren, dass sie fragt: „Was machst du eigentlich genau? Die Betonung liegt auf diesem kleinen Wort „genau“, denn sie weiß natĂŒrlich bei ihrem wachen Verstand, was wir im Allgemeinen machen. In der Regel, und so war es bis heute, erlĂ€utere ich ihr dann so gut es geht, was ich mache: „Ich helfe Sportorganisationen dabei, wie sie ihre Trainerausbildung mit digitalen Medien qualitativ verbessern können.“ Aber das kommt nicht an, sie versteht es nicht richtig, weder „Trainerausbildung“, noch „digitale Medien“ noch „qualitativ verbessern“. Sie weiß zwar, was die einzelnen Wörter bedeuten, aber sie kann sich eben nicht vorstellen, was sich hinter der TĂ€tigkeit des Beraters verbirgt.

Sie fragt weiter: „Woher weißt du (!) etwas, was diese Menschen, die in den Organisationen leben (!), nicht wissen?“

Es ist also gar nicht die OberflÀche, die sie nicht versteht, sondern die VerstÀndnisschwierigkeiten liegen tiefer, eben in der Frage, woher ich als Unbeteiligter prinzipiell das Wissen hernehme. Ja, da stehe ich nun mit dieser Frage und ich denke nach. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten:

  • Ich weiß mehr (qualitativ und quantitativ), weil ich in der Sache einen Erfahrungsvorsprung habe. So wie ein Tennislehrer dem Novizen einen Aufschlag erklĂ€rt, erklĂ€re ich dem Kunden, wie man Blended Learning umsetzt. Ich weiß es halt, weil ich es schon 100mal umgesetzt habe.
  • Ich bringe den Kunden mit (methodische) Fragen dazu, eigenes, vorhandenes, Wissen auf den Tisch zu bringen, was ohne mich nicht passiert wĂ€re – eine Art Hebammentechnik. Das kann man auch ganz systematisch zu einer wissenschaftliche Methode machen: Was fĂŒr Ziele haben wir? Was fĂŒr Konzepte gibt es? Wie wollen wir diese fĂŒr uns modifizieren? Wie wollen wir das umsetzen? Wie wollen wir den Erfolg messen? Wie können wir den Prozess besser machen?
  • Ich weiß es nicht! Dann bringe ich mich zusammen mit dem Kunden in eine Position, in der wir das Neue gemeinsam erfinden. Im engen Dialog und in einer entspannten, vertrauensvollen AtmosphĂ€re fĂŒhrt dann eine Idee zur anderen. Entweder entwickelt sich das schrittweise oder erdrutschartig (reframe). Am Ende sieht man mit anderen Augen.

WĂ€hrend ich also im ersten Fall (Alt)Wissen vermittle, im zweiten Fall neues Wissen methodisch entdecke, zeichnet sich der dritte Fall durch eine sehr ungewisse (Neu)Erfindung aus und ich habe den Eindruck, dass dabei unbedingt der Körper beteiligt sein muss, es geht also nicht rein online. ErkenntnismĂ€ĂŸig interessant ist genau dieser dritte Fall, weil man fragen kann, wo das Wissen denn herkommt (ohne Wissensquelle und ohne Methode)?

Beim nĂ€chsten Telefonat mit meiner Mutter und der erneuten Frage nach dem „genau“ werde ich ganz anders antworten, ich werde sagen: „Mutter, du hast 40 Jahre im eigenen Restaurant gearbeitet und du hast mit nicht wenig Aufwand die GĂ€ste glĂŒcklich gemacht. Wenn ich vor 30 Jahren dein Berater gewesen wĂ€re, dann hĂ€tte ich dir geraten, die Speisekarte zu verkleinern (Produktpalette konzentrieren), eine Kegelbahn zu bauen (um Kunden auch im Winter zu binden) oder etwas ganz anderes zu machen, z.B. anstatt eines Restaurants ein Pflegeheim zu betreiben (um langfristig zu ĂŒberleben).“

Sie wĂŒrde dann sagen: „Das wusste ich damals bereits alles, du wĂŒrdest von mir keine „Mark“ bekommen!“

Und dann wĂŒrde sie mich anlĂ€cheln und sagen: „Ich habe dich schon verstanden.“ ?

Man(n) hat‘s nicht leicht.

30. Juni 2019
von Frank Vohle
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Hamburger KĂ€mpfer

Mindestens einmal in der Woche treffe ich auf meinen Freund A.. Wir spielen Squash. Wie jeder weiß, lĂ€dt diese Sportart alle KĂ€mpfer zum Kampf ein, die nicht mit ausgefeilter Technik und Taktik punkten können. Solche KĂ€mpfer sind wir. Es wird um jeden – wirklich jeden – Ball solange gekĂ€mpft, bis der Körper die Befehle des Kopfes verweigert. Jenseits der 50 spricht der Körper mit einem, anders, ĂŒber anderes.

Das Ende vom Lied sieht dann immer gleich aus: Ist der letzte Punkt nach 45 oder 90 Minuten (je nach Folgebuchung) gespielt, lassen wir uns auf den Boden fallen und strecken alle Viere von uns. Schweigen. Dann folgen Beschwörungsformeln „noch nie so fertig gewesen zu sein“. MĂ€nner brauchen das, offenbar.

Unsere Treffen wĂ€ren aber unvollstĂ€ndig beschrieben, wenn ich nicht doch noch einen Satz zur Sauna – heiße Phase, Teil zwei – sagen wĂŒrde. Eine abschließende Geschichte zeigt die QualitĂ€t: Nach einem Saunagang sitzen wir mit knappen Leibchen bekleidet auf zwei StĂŒhlen unter freiem Himmel uns direkt gegenĂŒber, so dass wir uns anschauen. Wir mussten spontan an eine UniprĂŒfung denken und so inszenierten wir ad hoc eine Art StreitgesprĂ€ch zu einem wissenschaftlichen Thema. „Herr Professor, hier kann ich Ihnen nicht zustimmen, denn die Theorie sagt doch nichts darĂŒber aus 
“ Um uns herum versammeln sich Zuhörer, alle nackig mit Leibchen und beĂ€ugen uns, neugierig und schweigend. Das Ganze hat nicht lĂ€nger als 20 Sekunden gedauert, also nix.

Aber in diesem Nix liegt alles.

5. April 2019
von Frank Vohle
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 Didaktik der Vielen

„crowd didactic“ 
 Didaktik der Vielen

Es gibt Menschen, die sagen, man brauche keine Didaktik mehr (hier). Wahrscheinlich haben sie schlechte Erfahrung mit Didaktikern gemacht, oder sie rĂŒcken die Didaktik in einen Bereich, von dem sie sich distanzieren und emanzipieren wollen. Aber solange ‘Didaktik’ die Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens (und damit des Unterrichts) ist und wir diese Theorie und Praxis als Design begreifen (vgl. Goodyear), solange taugt und trĂ€gt der Begriff auch oder gerade im digitalen Zeitalter!

Nun wurde zur Didaktik schon viel geschrieben: Normatives seit Comenius, Unterrichtstheoretisches seit Herbart, Psychologisches seit Aebli, bis zu (immer noch) modernen Überlegungen zur didaktischen Analyse seit Klafki. Mediendidaktiker weisen seit der Jahrtausendwende auf Multimedia und Hypermedia hin und mit dem ‘flĂŒssigen’ Internet auch auf Potentiale von Kooperation, Kollaboration und Netzwerkarbeit. Der Einzug der digitalen Medien und des Internets hat ohne Zweifel die didaktische Fantasie beflĂŒgelt, man schaue sich hierfĂŒr nur die Tagungs-Dokumentationen der Gesellschaft fĂŒr Medien in der Wissenschaft seit den 2000er Jahren an.

Die moderne Didaktik hat sich vor diesem Hintergrund immer weiter ausdifferenziert und ist damit leistungsfĂ€higer geworden. Kritisch muss man aber feststellen, dass sich die theoretischen Überlegungen sowie didaktischen Szenarien letztlich am Kernkonstrukt vom Unterricht im engeren Sinne orientieren und damit nicht ĂŒber eine „Didaktik fĂŒr Wenige“ hinauskommen; und da ist es egal, ob wir eine Klasse mit 25 SchĂŒlern oder eine (flipped) Vorlesung mit 250 Studenten in den Blick nehmen.

U.a. setzt das BMBF-Projekt SCoRe genau hier an: Mit SCoRe betreten wir, d.h. mehrere Unis/Hochschulen sowie Ghostthinker als EdTec-Unternehmen, Neuland, denn es geht darum, das „Forschende Lernen“ ganz bewusst unter den “Bedingungen der Vielen” neu zu denken und das ist gerade fĂŒr den Hochschulraum einzigartig (vgl. crowd research, Standford). Das wir das noch mit aktuellen Videotechnologien (u.a. 360-Grad-Video; Social Video Learning) tun wollen, die ein “forschendes Sehen” unterstĂŒtzen und an einem Gegenstand, bei dem es um Nachhaltigkeit geht (vgl. Virtuelle Akademie der Nachhaltigkeit), macht das Ganze speziell.

Wie das didaktisch und medientechnisch genau gehen soll, wissen wir ehrlich gesagt noch nicht ganz genau, 
 wir formen gerade mit einem DBR-Ansatz eine erste Gestalt! Aber genau deshalb ist SCoRe ja auch ein echtes entwicklungsorientiertes Forschungsprojekt, ĂŒber das ich mich ungemein freue, zumal im Team wirklich sehr gute Wissenschaftler aus den Bereichen Designforschung, forschendes Lernen, Nachhaltigkeitsforschung und Videotechnologie am Start sind, die zusammen mit den „guten Geistern“ von Ghostthinker die LĂŒcke des Nichtwissens kreativ fĂŒllen werden. Ich werde berichten 


31. Dezember 2018
von Frank Vohle
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Die Zukunft

In ein paar Wochen werde ich einen Artikel in der Buchreihe „Die Zukunft des Sports“ abgeben mĂŒssen, in dem ich unser Konzept Lernen ‚5.0‘ weiter ausbuchstabieren darf. FĂŒr alle, die es noch nicht wissen: Lernen ‚5.0‘ beinhaltet fĂŒnf Dimensionen zur Neugestaltung der Trainerausbildung. Da steckt meines Erachtens genug digitale und didaktische Zukunft drin, genug sportpolitische Utopie. Also 
 alles gut?

Nein, denn ich frage mich grundsĂ€tzlich: Wie, also methodisch, kann man ĂŒber die Zukunft des Sports reden? Geht es um das Wahrscheinliche oder WĂŒnschenswerte? Welchen Rat geben uns eigentlich die Wissenschaften jenseits des Systemwissens (Evidenzen), wenn es um (normatives) Zielwissen und das noch viel knappere Transformationswissen geht?

Und weiter: Über welchen Sport reden wir, wenn wir die Zukunft DES Sports ins Auge fassen? Über den traditionellen Leistungs- und Wettkampfsport? Über sportnahe, aber doch eher spielerische, nicht-kompetitive Bewegungsformen wie z.B. Joga? Oder neue Sporterscheinungen wie den e-Sport, der Millionen von Menschen ĂŒber virtuelle Spielkonsolen mit virtuosen Fingerspielen in den visuellen Bann zieht? Kurz: Gibt es ihn ĂŒberhaupt noch, DEN EINEN Sport, und falls ja, welche Zukunft wolle wir warum fĂŒr ihn?

Themenwechsel!?

In der aktuellen Ausgabe der ZEIT wurden Politiker danach gefragt, wie sie sich die Welt in 50 Jahren vorstellen. Die Politiker hatten die Aufgabe, eine Dystopie (Alles wird schlecht) und eine Utopie (Alles wird gut) zu skizzieren. Herausgekommen sind etwa 10 Zukunftsskizzen, in denen es bei der Dystopie um die Auflösung der EU, den Anstieg des Meeresspiegels, um Migrationsströme und atomaren Krieg, geht, bei der Utopie um die Ausweitung der EU, dem Nichtanstieg des Meeresspiegels, um geregelte Migrationsbewegung und 
 Frieden.

Insgesamt fĂ€llt es uns offenbar schwer, die Zukunft (neu) zu denken. Weder ist klar, was genau der Gegenstand ist (Welt, Gesellschaft, Bereich X, Prozess Y) noch haben wir gute Kenntnisse und Übung in den methodischen ZugĂ€ngen. Fragt man die o.g. Politiker danach, was ihnen bei der Skizze leichter gefallen ist, die Utopie oder Dystopie, so kommen sie schnell zu einem Urteil: Dank Hollywood geht Ihnen die negative Sicht leichter von der Hand. Bei der Analyse der Zukunftsskizzen fĂ€llt zudem auf, dass es insgesamt nur sehr wenige Kategorien sind, mit denen sie Zukunft neu denken und wenn, dann konstruieren sie die Welt recht unkreativ mit verschiedenen Vorzeichen (Erhalt oder Ausstieg aus EU).

Themenwechsel!?

Im dritten Buch des israelischen Schriftstellers und Technikhistorikers Yuval Noah Harari, „21 Lektionen fĂŒr das 21. Jahrhundert“ werden uns Hinweise oder besser Mahnungen fĂŒr die Gestaltung der Zukunft mitgegeben. Hararis beeindruckender Gedankenbogen von der „Geschichte der Menschheit“ bis „Homo Deus“ (seine beiden anderen BĂŒcher in dieser “Serie”) zeigt uns, wie verfĂŒhrbar Homo Sapiens durch ErzĂ€hlungen oder Fiktionen aller Art ist und wie grundsĂ€tzlich neu wir Homo Sapiens unter den Bedingungen der KĂŒnstlichen Intelligenz sowie Biotechnologie denken mĂŒssen. GrundsĂ€tzlich meint: Es geht nicht mehr nur um die Frage, mehr oder weniger EU oder Migration oder Meeresstand, sondern um das, was wir bisher „Menschsein“ nennen. Wenn wir durch genetische und technologische VerĂ€nderungen Menschen mit „erweiterten Möglichkeiten“ schaffen können (Übermenschen), dann kommen bei unseren Zukunftsbildern auf einmal ganz andere Farben ins Spiel, das schönste Rot und das dunkelste Schwarz.

Was also tun? Ich weiß es natĂŒrlich angesichts der komplexen Fragestellung auch nicht, aber eines ist gewiss: Wenn wir mit Bezug auf die  radikalen VerĂ€nderungen nicht ebenso radikal (intensiv, disruptiv, positiv) Zukunft denken, dann wird das mit unserer (!) Zukunft nix. Dann bekommen wir einfach eine.

23. September 2018
von Frank Vohle
Kommentare deaktiviert fĂŒr Sport trifft Wirtschaft: Wir suchen eine Börse fĂŒr soziale Leistung

Sport trifft Wirtschaft: Wir suchen eine Börse fĂŒr soziale Leistung

Am Freitag war ich auf dem DOSB-Kongress 2018, der sich dem Thema Personalentwicklung widmete. Als Keynote waren eingeladen: der Direktor der FĂŒhrungsakademie (Herr Scheibe) sowie die GeschĂ€ftsfĂŒhrerin Personal von Procter & Gamble (Frau Buschhoff), die beide Ă€ußerst unterschiedlich gesprochen und prĂ€sentiert haben.

Ich habe mir die beiden Impulsreferate mit Gewinn angehört, gerade weil sie so verschieden in ihrer Form und ihrem Inhalt waren: Scheibe hat uns in ein klassisches Personalentwicklungsinstrument eingefĂŒhrt und verdeutlichte seine Botschaften mit instruktivem Text im Rahmen einer klassischen PowerPoint-PrĂ€sentation. Frau Buschhoff wĂ€hlte einen Ansatz, der auf Sinn, Engagement, Freiraum etc. abstellte, ihre sog. Magneten (vgl. Bild); sie unterstĂŒtze ihre Botschaften mit vielen Bildern und emotionalen Videos aus Agenturhand.

Im Anschluss entspann sich eine Diskussion, die vor allem (aber nicht nur) die „romantische Sicht“ – so die Deutung – von Frau Buschhoff auf- und angriff: Im Sport mit seiner permanenten Ressourcenknappheit vor allem im Ehrenamt sei eine solche Denke schlecht umzusetzen. Der Vorwurf der mangelhaften Umsetzbarkeit ging auch an Scheibe: Zu wenig wĂŒrden die Bedingungen des Ehrenamtes gesehen und entsprechend wenig neue Ideen gĂ€be es „speziell fĂŒr einen Großteil des Sports“.

Ich teile die Kritik, ohne die Impulse der beiden Keynote-Sprecher zu relativieren; sie bieten gute Ankerpunkte fĂŒr eine spezifische Personalentwicklung im Sport. Kernpunkt der Herausforderung ist die These, dass ohne „Geld“ z.B. keine ehrenamtlichen Vereinsmanager zu gewinnen sind. Das sehe ich anders!

Geld ist ein Mittel der Anerkennung, aber ich denke ein fĂŒr das Ehrenamt nicht zentrales. Zentral ist vielmehr – so meine These –, dass die Menschen ganz ökonomisch abwĂ€gen, ob ein ehrenamtliches Engagement fĂŒr ihren Lebenslauf „nĂŒtzlich“ ist. Der Nutzen wird also nicht mehr primĂ€r in einem Selbstzweck (Freude an der Sache, Kompetenzerleben, Eingebundenheit) gesehen, sondern in der Frage, ob das Ehrenamt z.B. bei der Bewerbung in der Wirtschaft hilfreich ist.

Wie wĂ€re es also, wenn ein EhrenĂ€mtler aus dem Sport die Dokumentation und Reflexion zu seiner ManagementtĂ€tigkeit in Form eines e-Portfolios der o.g. Frau Buschhoff anschaulich zeigen könnte? Was wĂ€re, wenn Frau Buschhoff in einem VorstellungsgesprĂ€ch sagen wĂŒrde: „Sehr interessant, wie Sie mit der multisprachlichen Herausforderung bei der Integration von FlĂŒchtlingen in Ihrem Verein auf der Managementebene umgegangen sind!“ Was wĂ€re, wenn Frau Buschhoff den jungen EhrenĂ€mtler u.a. wegen seines e-Portfolios im Bereich „Diversity“ einstellen wĂŒrde?

Und weiter: Was wĂ€re, wenn der DOSB alle „Buschhoffs“ aus Deutschland fĂŒr ein Projekt gewinnen könnte, in dem Wirtschaft und EhrenĂ€mtler via e-Portfolios zusammengefĂŒhrt wĂŒrden, wo man die Zeitinvestition im Ehrenamt fĂŒr eine bessere Bewerbungssituation, quasi als eine „neue soziale WĂ€hrung“, nutzen könnte (vgl. Social Return on Investment)!

Ich bin mir sicher: Es gĂ€be einen Run auf das Ehrenamt, wo es ja Sinn, Engagement, Freiraum, DiversitĂ€t und authentische Kultur zu Hauf gibt, also all das, was Buschhoff als Kern der neuen PersonalfĂŒhrung (vgl. auch neue Arbeit) definiert hatte. WĂ€ren in diesem skizzierten Sinne gebildete EhrenĂ€mtler nicht die besten Botschafter fĂŒr ein PersonalfĂŒhrungsprogramm, das auf die fĂŒnf „Magneten“ setzt?

Also: Raus aus der Kein-Geld-Jammerei und in die Vollen gehen: Kein Geld, dafĂŒr gibt’s Sinnarbeit! FĂŒr diese WĂ€hrung muss es jetzt nur eine Börse geben.

5. August 2018
von Frank Vohle
Kommentare deaktiviert fĂŒr Kraft und Kraftlosigkeit des Fußballspiels

Kraft und Kraftlosigkeit des Fußballspiels

Samstag lese ich manchmal die ZEIT – Wochenzeitungen entschleunigen. HĂ€ngen geblieben bin ich dieses Mal an einem Artikel mit der Überschrift „Sie sind der German Dream“ von Wolfgang Thielmann. Darin wird von Scoring Girls berichtet, ein Projekt der ehemaligen Bundesliga-Fußballspielerin Tuna Tekkal, die sich heute als ehrenamtliche Trainerin fĂŒr junge geflĂŒchtete MĂ€dchen stark macht, die jenseits aller kulturell-religiöser Unterschiede einfach Fußball spielen wollen. „Fußball bringt sie zusammen und macht sie selbstbewusst“, so Tekkal im Artikel. WĂ€hrend ganz Deutschland also ĂŒber Integrationsprobleme spricht (Özil, Clans etc.) zeigt sie, dass Integration gelingen kann, nĂ€mlich spielend!

Liest man die Geschichten der geflĂŒchteten MĂ€dchen, die GrĂ€ueltaten des IS, besonders an der Gruppe der Jesiden, dann erscheint das, was Frau Tekkal mit ihrem gemeinnĂŒtzigen Verein Hawar Help macht, als Utopie, als ein (wirklicher) Nicht-Ort. Doch was hier auf dem Bolzplatz passiert, ist mehr als nur Vollspann: Es geht um Selbstbestimmung (der Frauen) und um ein „GefĂŒhl der Freiheit“, wie Tekkal es ausdrĂŒckt. Darin wird deutlich: Das (Fußball-)Spiel erzeugt vor dem Hintergrund der spezifischen Spielidee seine eigensinnige, d.h. freie, kreative, kĂ€mpferische, leidenschaftliche, regelgeleitete und soziale Wirklichkeit, die sich vom Leben da draußen so wohltuend abgrenzt. Und genau durch diese Abgrenzung entsteht im Sport dieses „GefĂŒhl der Freiheit“ – ein flĂŒchtiges, aber kraftvolles Gut auf Zeit!

Vor ca. 20 Jahren hatte ein Kollege von mir (Sporthochschule) in seiner Diplomarbeit die Forschungsfrage gestellt, ob Kinder aus brasilianischen Slums ihre Fairness-Erfahrungen vom Bolzplatz in den Alltag transferieren können. Die Ergebnisse waren ernĂŒchternd: Auf dem Platz folgte man artig den Regeln, zurĂŒck auf der Straße hatte man keine Scheu, die Pistole zu verwenden. Besser konnte man Kraftlosigkeit nicht auf den Punkt bringen.

Was kann also Fußball, was kann Sport leisten? Zum einen unendlich viel, z.B. bietet er Erfahrungen zur Selbstbestimmung, die vor allem dort wirken, wo bisher vorwiegend Fremdbestimmung herrschte. Zum anderen unendlich wenig, z.B. wenn alle Hoffnungen auf eine transferierbare Fairness ins Leere laufen.

Man darf also vom Fußball nicht viel erwarten, dann kann er die Menschen auch reich beschenken.