Der kleine Elefant

Irgendwo im südlichen Indien, so erzählt es eine Nachrichtenagentur im Internet, ist ein kleiner Elefant in ein Erdloch gefallen, und zwar rüsseltief. Die herbeieilende Elefantenherde zeigte sich in den ersten Minuten noch entspannt, in den nächsten Stunden zunehmend nervös, weil es ihnen trotz immenser Stärke und Rüsselraffinesse nicht gelingt, den Kleinen zu retten. Mit Beginn der Dämmerung sind die Elefanteneltern außer sich: Die Elefantenmutter stößt mit Blick auf den erschlaffenden Babykörper einen verzweifelten Schrei aus, der das bisherige Getöse und Posaune der Herde in Art und Lautstärke weit übersteigt.

Im zwei Kilometer entfernten Dorf hatte man das Posaunen der Herde bereits bemerkt. Aber erst mit dem Schrei der Elefantenmutter sagte einer der Dorfbewohner: Hier stimmt etwas nicht! Eine Menschengruppe mit Wildhütern eilt mit Geländewagen in Richtung der Elefanten, wohlwissend, dass diese Reise tödlich enden kann. Doch die Elefanten stehen still, lassen die Menschen nach dem Kleinen schauen. Schnell wird klar: Ohne Bagger ist hier nichts zu machen, zu schwer ist der Kleine und zu matschig ist das Erdreich. Um es kurz zu machen: Der Bagger wird schnell herbeigeschafft – im südlichen Indien eine ernste Herausforderung – und der kleine Elefant wird gerettet, noch ehe das Leben aus ihm schwindet.

Eine schöne Weihnachtsgeschichte, eine wahre noch dazu. Aber ist es nur eine Geschichte, wie sie das Internet tausendfach erzählt? Als ich die Geschichte las, samt Fotos vom kleinen Elefanten, der Mutter, den Wildhütern, dem Bagger, dachte ich mir: Kleine Elefanten, die in Löcher fallen, brauchen große Elefanten. Doch manchmal sind die Löcher so tief und schlammig, dass selbst die größten Elefanten keine Idee mehr haben, um eine Lösung zu finden. Diese Ohnmacht ist mit dem schrecklichen Schrei der Mutter auf den Punkt gebracht.

Ich habe gerade das Buch „Unsere Welt neu denken“ von Maja Göpel gelesen. Hier geht es nicht um Elefanten, aber um schwergewichtige Themen: Umweltschäden aller Art, grenzenloser Konsum und ungezügelter Kapitalismus. All das hat mich an den kleinen Elefanten erinnert, der in dieses tiefe Loch gefallen ist. Und Göpels treffende ökonomische Analysen erinnern mich an die großen Elefanten, die trotz ihrer Erfahrungen und Kraft nichts ausrichten können; gerade mit ihrem Gewicht würden sie jeden Rettungsversuch am schlammigen Loch des kleinen Elefanten zunichtemachen – ein Dilemma! Und 2020 ist das Jahr des Aufschreis: Göpel und andere Vordenker der neuen Welt auf allen Kanälen, Friday for Future, Sience for Future, alles eine Kombination aus neuer Macht (Tipping Point) und alter Ohnmacht (Dilemmata), eine Fortsetzung des Aufschreis des Club of Rome der 1970er.

Und wofür stehen hier nun die Wildhüter? Nicht für die Götter, die wir in der Not herbeiflehen, soviel ist klar. Es ist wohl nur ein analoger Hinweis auf die qualitativ andere Art des Problemlösens, die Elefanten von Menschen unterscheidet: Die Menschen haben den kleinen Elefanten mit ihrem Bagger nicht hochgehoben, sondern ausgegraben! Was sagt das über die Weltprobleme? Vielleicht so viel: Göpels Aufrufe zum kollektiven Mut, neuer Wertschöpfung und Ordnungspolitik klingen zwar logisch-zwingend, aber sie verbleiben, könnte man meinen, auf der logischen Ebene des Hochhebens, der intuitiven Lösung. Was wäre dann das Ausgraben? Welchen analogen Impuls können wir hier mitnehmen? Es hat was mit den (sozialen) Dilemmata zu tun, in die sich moderne Gesellschaften hineinmanövriert haben. Wie „löst“ man die? Indem man die Bedingungen aushebelt, unter denen sie sich organisieren, oder im Bild des Elefanten: Aus dem tiefen Loch wurde eine freie ebene Fläche. Und jetzt dürfen wir alle mal den heiligen Weihnachtsgeist über uns kommen lassen, um aus dieser Metapher eine Lösung zu entwickeln. 2021 klappt das, das wäre mal eine Frohe Botschaft.

Talententwicklung … oder „zu sich kommen“

Es war wohl Anfang der 1990er, als ich zu meiner ersten Diplomprüfung geladen wurde. Prüfungsgegenstand war das Thema „Ordnung im Sport“, zu lesen hatte ich das Buch von D. Landau und H. Digel, also etwas aus dem Umfeld von Sportpädagogik und Sportsoziologie. Meine Prüfer waren die Professoren Quanz und Erdmann, der eine Didaktiker, der andere Psychologe. Es war ein heißer Sommertag und ich trat wie immer sehr, sehr aufgeregt in das Prüfungsbüro. Dort schauten mich neugierige und vertrauensvolle Prüferaugen an: „Herr Vohle, dann erzählen Sie mal, was haben Sie denn gelesen?“ Und ja, ich hatte Digel und Landau gelesen, darüber im Semester zuvor ein freies Referat gehalten und war (ernsthaft) der Meinung, alles gesagt zu haben. Daher hatte ich mich für die Prüfung lieber weiter in das Thema vertieft … oder besser verrannt! Ich verbrachte viele Tage zur Vorbereitung mit David Bohms „Impliziter Ordnung“, ein Buch aus dem Kontext der Quantenphysik, dessen Kernidee von impliziter Ganzheit mich noch weiter begleiten sollte. Nun aber in der Prüfung, da brach es aus mir heraus: Ich riss Digel und Landau nur kurz an, um dann MEINE Gedanken zum Thema Ordnung in Natur und Kultur (mit dem Spiel als Klammer) vorzustellen, ein Gestammel, nicht mehr. Das Überraschende war: Sie ließen mich reden! Nach 45 Minuten sagte Herr Quanz: „Herr Vohle, wir müssen hier vorerst Schluss machen … und jetzt fahren Sie erstmal nach Hause und trinken im Restaurant Ihrer Eltern ein Glas Bier“. Mit roten Wangen und ziemlich erschöpft verließ ich den Raum, über Noten sprachen wir nicht, nur eines war wichtig: Ich hatte meine sehr gewagten Gedanken geteilt, war in Neuland gestolpert, ohne zu fallen. Ich fühlte mich erstmals (!) als Anführer einer Expedition zu mir selbst.

Themenwechsel?!

Unter dem Titel „Er schrieb seine Partitur selbst“ wird in der aktuellen ZEIT ein Interview mit dem Stardirigenten Barenboim über das Jahrhunderttalent Maradona geführt. Wir erinnern uns: „Die Hand Gottes“. Gesucht werden Parallelen zwischen Musik und Fußball. Am Ende des Interviews geht es auch um Talente. Barenboims Kritik am Fußball: „Die Welt ist verwechselbar geworden“ […] Heute spielen alle ein bisschen argentinisch und ein bisschen Nähmaschine. Keine eigenen Leute, kein eigener Stil!“ Am Ende finden wir – so meine ich – nur noch strategisch agierende Allrounder, auf hohem Niveau, versteht sich. Aber Fußball lebt doch gerade vom Bruch, es anders zu machen, gegen den Strich, spontan, aus sich heraus, nicht umsonst spricht der Sport- und Kulturwissenschaftler Sven Güldenpfennig von einem Künstler, einer Künstlerin, dort auf dem Platz.

Themenwechsel?!

Seit Jahren beobachte ich im Bereich der LehrerInnenbildung die gut begründete Strategie, Lehrnovizen mit „kriteriumsorientierten“ Beobachungsschulungen besser zu machen. Man schaut also nicht zu allererst nach den Eigenarten, Ticks und Besonderheiten, nach dem naiven Vorverständnis der KursteilnehmerInnen, sondern hat gleich Kriterien zur Hand, wie es richtig geht; man weiß, was Lehrqualität ausmacht und man verschwendet keine Zeit, die AnfängerInnen schnellstmöglich mit den „wissenschaftlichen Kriterien“ zu konfrontieren.

Was ist also nun der Zusammenhang zwischen Vohles Prüfungsstunde, Maradonas Hand, Barenboims Kritik am Fußball und der Lehrerbildung heutiger Tage (mal abgesehen davon, dass hier Namen in eine Reihe gebracht werden, die auseinandergehören ?)? Es ist gleich, welche Talententwicklung wir in den Blick nehmen: Wissenschaft, Musik, Fußball, Lehre oder gar Singen. Der Punkt ist: Fragen wir zuerst nach den Abweichungen (so schräg sie uns auch erscheinen mögen) oder nach den gut begründeten Standards? Barenboim sagte im Interview einen wunderschönen Satz: Sein Vater (ebenfalls ein begnadeter Musiker) habe ihn früh gemahnt: Vergiss das Wunder beim Wunderkind und sei ab jetzt nur noch ein Kind.

„Nur noch ein Kind sein“. Das widerspricht unseren Vorstellungen von Planung, Verwertung und prognostischer Sicherheit bei der Talententwicklung in Wissenschaft, Sport und Wirtschaft. Aber eines ist sicher: Mit Standards bekommen wir Talente, die zwar alles können, was man so braucht, aber nicht Talente, die ein „Spiel drehen“ oder einen „Anfang machen“ können, was in Wissenschaft, Sport und Wirtschaft zwar verschieden aussieht (Paradigma, Pass, Produkt), aber auch einen gemeinsamen Kern hat, nämlich das Spielen. Spielen zu können, ist eine voraussetzungsreiche Sache, aber, so die abschließende These, wir brauchen mehr Spiel (auch mit sich selbst!), mehr Lust auf Abweichung, mehr Neulandvertrauen, gerade in einer komplexen Wissensgesellschaft, in der wir komplexe Probleme lösen müssen und z.B. wie im Fußball, auf eine unvergleichliche Art unterhalten und überrascht werden wollen.

Was ist Präsenz?

Im Zuge von Covid-19 und der damit verbundenen „Zwangsdigitalisierung“ sehnt man sich fast überall in Schule, Hochschule, Wirtschaft, Sport & Kultur zurück nach DER Präsenz. Zwar gibt es auch viele Stimmen, die nach einer „neuen Präsenz“ in „neuer Kombination“ mit einer „neuen Digitalisierung“ Ausschau halten (vgl. Digitalität), aber all diese neuen Überlegungen hängen an der alten Präsenz, in der wir uns ohne Maske, d.h. unvermittelt, spontan und frei begegnen konnten.

Die seit März 2020 flächendeckende Lernerfahrung im digitalen Raum, meist in gekachelten Videokonferenzen, provoziert aber auch die Frage nach dem unverwechselbaren Kern, dem einmaligen Mehrwert der Präsenz, dem USP oder der DNA sozusagen. Die bisher beste Antwort darauf kommt für mich nicht aus der Wissenschaft, sondern von einem aus der Mitte des Kultbetriebs: Herbert Grönemeyer. In der aktuellen ZEIT-Ausgabe sagt er in typischem Grönemeyer-Ton zwar nichts zur Präsenz direkt, aber dafür etwas zur Kultur. Vieles von dem, was er sagt – so denke ich –, passt genau und tiefgründig zu dem, was wir mit dem Begriff der „Präsenz“ zum Ausdruck bringen wollen.

„Kultur stützt die Menschen in ihrer Verzweiflung, Trauer, in der Lust, Freude, ihrem Lachen, ihrem Mut und ihrer Zuversicht. Sie lässt ihre Gehirne wachsen, nährt ihre Sicht, ihren Aufbruch, klärt und hinterfragt. Aber genau das liegt gerade brach. Bühnen und Clubs veröden, Musiker, Sänger, DJs, Schausteller, Kabarettisten, Comedians, Schauspieler, freie Theater und -schaffende sind zur Ruhe verdammt, können nicht brennen und anfeuern. Sie verdursten. Die Liebesbeziehung zwischen ihnen und ihrem Publikum liegt auf Eis, und ihr gegenseitiges Aufputschen verdorrt. Wir alle kleben unter dieser wabernden Viralwolke fest, wagen immer wieder den inneren Aufbruch, um dann zu merken, unserer Melancholie fehlt ihr Zuhause, ihre Heimat, ihr Ladegerät. Das ist die öffentliche Kunst und Unterhaltung, das sind die harten Beats, die Wucht der Sprache, die Anmut der Bewegung, der Tanz, das Aufreizende des Gesangs, die Gemeinsamkeit mit anderen, das Aneinander, das einende Singen, Zuhören, Weinen und Jauchzen. Gleichzeitig auch die Stille im Kino oder Theater, die Räume zum Sichverlieren, Sinnieren, zum Entfliehen und zum Wiederzurückkommen, gestärkt, bekräftigt, belebt und bestätigt, seiner versichert.  […]

Es ginge mit dem Zitat noch weiter, aber hier mal ein Halt. Was können wir daraus für die Präsenz, z.B. im Zusammenhang von Lehren & Lernen, gar Bildung, lernen? Hm, ich ahne es nur: Vielleicht ist der Sinn der Präsenz eine „Verzauberung auf Zeit“? Verzauberung auf Zeit … man merkt, wie weit eine solche Sichtweise von dem weg ist, was wir Learning Professionals bisher unter Präsenz verstehen.

Corona und das Corporate Learning: Ein Besuch beim CLC20

Zu den kleineren Veränderungen von Corona gehört, dass Veranstaltungen wie das CLC20 DA rein online stattfinden. Doch solche „Verschiebungen von der Präsenz ins Netz“ erzeugen auch neue, ggf. radikale, Vorstellungen von dem, was wir bisher für „normal“ und „richtig“ gehalten haben; da bahnen sich große Verschiebungen an!

Gestern habe ich gefühlt nach zehn Jahren Abstinenz mal wieder an einem Barcamp der CLC-Community teilgenommen. Die ca. 3000 TeilnehmerInnen starke Gruppe hat im deutschsprachigen Raum (DACH) eine Vorreiterrolle beim Thema Corporate Learning (mit digitalen Medien) eingenommen, was u.a. Karlheinz Pape zu verdanken ist (Erstkontakt hier); ich weiß, ich weiß, er hat viele Mitstreiter wie z.B. die Cogneon Akademie mit Simon Dückert und viele viele andere. Aber für mich, als einen, der von außen drauf schaut, ist Karlheinz der Spiritus Rector ?.

Ich hatte für meine Session eine Geschichte im Gepäck, die ich aufgrund der Besonderheit einfach mal erzählen wollte: Social Video in einer Blended Conference mit über 100 Teilnehmenden an einer Schweizer Hochschule (EHSM), wie hier beschrieben. Ziel meiner Session war, Interessierten die Methode „Social Video“ im Inverted-Format näher zu bringen und dieses Beispiels (also an einem konkreten Fall) mit den anderen ins Gespräch zu kommen. Dies gelang nur bedingt; offenbar war das Konzept eingängig, es kamen nach meinem Input fast keine Fragen, hmm. Frank … alles OK, bitte setzen.

Aus dieser fraglosen Ruhe heraus entstand dann aber eine sehr interessante Diskussion, nämlich über die Rolle der (analogen) Präsenz, woran auch der Anwesende Karlheinz nicht ganz unschuldig war. Er hatte in seiner Session im Slot vorher nach der neuen Rolle der Präsenz gefragt, von einem neuen Lernen gesprochen und auch dies sollte hier in meiner Session Thema sein. Die Diskussion hatte aber ein anderes Zentrum: Im Kern diskutierten wir über eine neue Zielkategorie, nämlich über die „Nähe“! (vgl. hierzu Impact Free von Gabi Reinmann)

Das ist ja eher eine Metapher, die Raum lässt für geistige Nähe, trotz körperlicher Ferne, was uns zu zwei Fragen führte: a) Wie lässt sich „geistige Nähe“ im digitalen Raum erzeugen? b) Für welche Themen und Zielstellungen brauchen wir eine „körperliche Kopräsenz“ (im analogen) wirklich zwingend, auch jenseits der VR-Immersion?

Die Diskussion nahm also zweifelsfrei philosophische Züge an. Aber wo, wenn nicht auf einem Barcamp darf man grundsätzlich und frei, also jenseits des täglichen Klein-Kleins, so sprechen?!

Wir sind auf keine „Lösung“ gekommen, das ist klar, zu groß und übermächtig ist die Frage nach dem neuen Lernen und seinen Räumen, nach den Modi, Steuerungen und Technologien. Aber wir sind – glaube ich – einer wichtigen Frage auf die Spur gekommen: Jenseits aller Detailfragen (die kontrovers und teils auch mit ideologischen Ballast diskutiert werden) ist die Metapher der Nähe ein gutes, gedankliches Spielfeld, um alte, oft dualistische Überzeugungen loszulassen und neue Kombinationen und Mischungen oder gar neue Qualitäten des Lernens zu erproben.

P.S. Auf einem Barcamp sind sog. Sketchnotes (visuelle Zusammenfassungen) populär. Ich habe mich in der Anlage mit Stift, Schere und Kleber erstmals versucht.
P.P.S. Bei Interesse am Werkzeug mal vorbeischauen https://interactive-video-suite.de/de/startseite

Den Schweizern so nah

In den letzten 14 Tagen war ich in die Klausurtagung 2020 an der Eidgenössischen Hochschule des Sports in Magglingen (EHSM) eingebunden. Im engen Austausch mit Rektor Urs Maeder und der Leiterin der Rektoratsdienste, Christine Hasler, haben wir eine „Blended Conference“ geplant und durchgeführt. Bei mir löst der Begriff „Sporthochschule“ immer noch eine besondere Faszination aus: zum einen, weil es mich an mein eigenes Sportstudium in Köln erinnert und zum anderen, weil in einem solchen Hochschultyp versucht wird, Körperliches mit Geistigem zu verbinden, was besondere Herausforderungen an eine „Hochschulsportdidaktik“ (Gibt’s noch nicht, oder?) stellt.

Und was war nun so besonders an dieser Blended Conference (~ Asynchron-Synchron-Hyflex-Ansatz)?

  • Es war die ganze Hochschule beteiligt. Zwar ist die Hochschule in Magglingen gegenüber einer Universität klein und fein, aber es ist eine gute Sache, wenn alle mitmachen!
  • Asynchrone Phase: In der neuntägigen Online-Vorphase hatten wir drei kleine Aufgaben platziert: (a) Erstellung eines Erfahrungsberichts über die eigene Corona-Lehre (Emergency Remote Teaching) (b) Kommentierung eines kurzen Videos von Herrn Müller Werder zur Begrifflichkeit im e-Learning und (c) Kommentierung meines Vortrags „Lernen 5.0“, den ich im Sinne des Inverted Classroom bewusst VOR die Klausurtagung gelegt habe. Mit insgesamt über 400 Blogbeiträgen und Videokommentaren entwickelte sich viel Energie mit Beschreibungen, Meinungen, Einschätzungen, Forderungen schon im Vorfeld der Klausurtagung.
  • Synchrone Phase: Auf der Klausurtagung in Magglingen fanden sich ca. 100 Personen vor Ort und ca. 50 Personen im Online-Raum ein (räumliches Hybrid). Nach einem Impulsreferat von Claude Müller Werder am Vormittag, kam mir am Nachmittag die Aufgabe zu, mit allen Beteiligten (in verteilten Analogräumen und zugeschalteten Online-Räumen) einen zweistündigen Workshop umzusetzen … und das ist aus der Hamburger Ferne dann doch eine interessante Erfahrung ?. Gestartet bin ich mit einer Zusammenfassung der aus meiner Sicht wichtigsten Punkte aus den über 200 Videokommentaren zu meinem Vortrag. Obwohl: Zusammenfassung ist nicht ganz richtig; vielmehr sollten Stichworte mit weiterführenden Gedanken die Auseinandersetzung mit den Themen vertiefen. Inwiefern mir das in gut 30 Minuten gelungen ist, weiß ich noch nicht, die Reflexionen stehen noch aus. Im Anschluss sind wir dann produktiv geworden: In Kleingruppen (2-4 Personen) bestand die Aufgabe darin, die bisherigen Impulse aus der Vorphase sowie des Vor- und Nachmittags in einer eigenen Lehrskizze zu verwerten. Gefordert war ein erstes Konzept, wie man die eigene Lehre durch digitale Medien von der Seite der Inhaltserstellung, der Aktivierung und Betreuung attraktiv machen kann. Das Ergebnis sollte in einem 5-minütigen Video festgehalten und in edubreak hochgeladen werden. Am Ende hörten wir uns exemplarisch zwei Präsentationen an und diskutierten erste Ideen.
  • Asynchrone-Phase: In der Nachphase – die aktuell noch läuft – besteht die Aufgabe darin, ein beliebiges Kleingruppenvideo mit einem „kollegialen Tipp“ zu kommentieren, um die Sichtung der Ergebnisse und den inhaltlichen Austausch anzukurbeln. Eine abschließende offen Reflexion in einem Blog – bewusst ganz ohne Befragungskategorien – soll nochmal die Mehrwerte und Schwachstellen der Blended Conference sichtbar machen.

Mein Fazit: Ich fand es ebenso herausfordernd wie interessant, durch die vielen Videokommentare in engen Kontakt mit allen Beteiligten zu kommen, ich meine damit eine „geistige Nähe“, die offenbar selbst aus dem fernen Hamburg möglich ist. Die Rückmeldung, inwiefern ich durch das Format der Blended Conference – bei der ja der Inhalt zur Methode wird – Neues und Nachhaltiges anstoßen konnte, steht aus. Nur so viel: Es lief alles ohne größere technische Probleme, was angesichts der großen Zahl der Beteiligten vor Ort in Magglingen und im Onlineraum immer wieder erstaunlich ist. Mein Dank geht an dieser Stelle an Stephan Ebisch auf Seiten der Ghostthinker und an Paul Friedli an der EHSM. Schließlich möchte ich mich bei Urs Maeder bedanken, der mir bei der ganzen Aktion großes Vorschuss-Vertrauen entgegengebracht hat, was ich hoffentlich nicht enttäuscht habe

Fehlerkultur

Also bei uns ist es so: Meine Frau wäscht und ich kaufe ein. Nicht, dass ich nicht waschen könnte, aber ich nehme es mit den Farben und Stoffen nicht so genau. Aber auch, wenn man nicht selber wäscht, können schlimme Sachen passieren.

Neulich kam Gabi in mein Büro und zeigte mir meine T-Shirts, alle in einem poppigen Rot gefärbt. Ursache war eine rote Serviette, die ich in einer meiner Jeans vergessen hatte. Rote Servietten erfüllen alle Kriterien, die man bei einem Waschvorgang nicht braucht: Der Zellstoff löst sich in kleinste Teile auf und haftet bombenfest an jedem Textilstück, und die Farbe Rot dringt tief in die Faserstruktur ein, sodass alles mit einem schönen Schleier versehen ist.

Die Frage ist also: Was machen wir mit diesen Menschen, die rote Servietten in die Waschmaschine stopfen? Auspeitschen hat sich für die Prävention nicht als förderlich herausgestellt, so die Rechtsgeschichte. Geeigneter erscheint mir die Selbstbestrafung, die T-Shirts mit einem starken Klebeband von den Zellstoffpartikeln zu befreien, was erstaunlich gut ging.

Man könnte jetzt meinen, dass mir das eine Lehre war, also Gabis Mahnung, meine Einsicht, die Selbstbestrafung. Klar, rote Servietten in der Wäsche sind böse, dass weiß doch jedes Kind. Zwei Tage später kam Gabi wieder in mein Büro. In der Hand hielt sie ein Schokoladenbonbon. Gott sei Dank hatte die Plastikfolie gehalten, sonst wäre die ganze Wäsche schoko-braun oder klebrig gewesen, wer weiß das schon.

Vielleicht sollte ich doch mal den Wasch-Posten übernehmen, dann habe ich die Chance, alles nochmal zu kontrollieren. Aber das wird Gabi nicht mitmachen. Rote Servietten und Schokobonbons in zwei Tagen sind einfach zu viel des Guten. Ok, dann schleppe ich lieber die schweren, schweren Einkaufstaschen, da kann man nix falsch machen … obwohl … neulich …. :-)

Barcamp, Fishbowl und ein Überraschungsgast

Erstmals fand 2020 die „Digitale Jahrestagung Bildung“ des Deutschen Fußball Bundes e.V. unter Leitung von Wolfgang Möbius im reinen Online-Format statt. Und das, was sich das Organisationsteam (u.a. Sebastian Fink, Felix Mack, Steffen Bartel) im Vorfeld überlegten, hatte es in sich: Die Konferenz startete am Freitag um 16.30 Uhr mit Wolfgang und Sebastian, die ca. 90 Teilnehmerinnen aus dem ganzen Bundesgebiet begrüßten. Es folgte eine kurzweilige Rede von Günter Distelrath (Vizepräsident des DFB), der u.a. an die erfolgreiche Einführung des digitalen Lernens (Blended Learning, SVL etc.) seit 2016 erinnerte.

Nach einer Pause trugen zwei Barcamps mit jeweils ca. 15 Sessions dazu bei, dass eine große Vielfalt an Themen auf den Tisch kam. Es ist immer wieder erstaunlich, wenn da 90 Teilnehmende „per Klick“ in Breakout-Rooms „verschwinden“ und fast nahtlos eine intensive Diskussion beginnt, mit Themen, die sie selbst vorgeschlagen haben. Vor allem hier denkt man sich: Vorteil digital! Ich selbst hatte eine Session mit dem Thema „Multikriterien Videokommentierung“ (edubreak@spider) beigesteuert, die zwar von Wenigen, dafür intensiv diskutiert wurde. Danke Tammo!

Nach einer erneuten Pause schaffte es Professor Jenewein von der Uni St. Gallen in einer Motivationsrede Covid19 mit den Begriffen Demut und Interesse zu verbinden. Das, so sein Credo, seien die richtigen kognitiv-emotionalen Modi, um für sich, in der Familie und im Job positiv Wege im Umgang mit den Folgen von Covid19 zu (er)finden. Recht hat er! Hermann Grams, der die nachfolgende Diskussion visualisierte, stellte vor allem den Wortteil Mut in DeMUT als wichtige Zukunftseigenschaft heraus.

Nach einer erneuten Pause startete dann ein Fishbowl, also eine Diskussionsrunde, an der sich die Teilnehmenden per Chat und bei großer Relevanz auch mit Wortmeldung beteiligten. Es würde hier zu weit führen, alle Aspekte dieser Diskussionsrunde u.a. mit dem Leiter der DFB Akademie Dr. Haupt, dem Leiter der DFB-Kommission Qualifizierung Gundolf Walaschewski sowie Markus Danz (SFV) zusammenzufassen. Aber: Es ging um das Leitthema Digitalisierung und damit verbunden, um Fragen der praktischen Umsetzung in der Ausbildung sowie um ein dem digitalen Zeitalter angemessenes Führungsverständnis. Hier spielten Begriffe wie Wärme, Empathie und Wissensteilung eine große Rolle. Vor allem viel auf, wie virtuos Wolfgang Möbius die gesamte Online-Diskussion stimulierte und lenkte, also eine seltene Digitalkompetenz, die auf jahrelanger analoger Erfahrung beruht.

Und wäre das bisher nicht alles genug:  Die TeilnehmerInnen wurden am Ende noch mit einer Zuschaltung von Oliver Bierhoff überrascht. Das war großes Tennis! Auch hier wird sichtbar, welche Vorteile im Digitalen liegen. Bierhoff nutzte die Zeit, um ein paar persönliche Perspektiven mit den Teilnehmern zu teilen, z.B. wie er in Coronazeiten Kontakt mit den Nationalspielern hält. Das war ebenfalls kurzweilig, genau wie die gesamte Tagung.

Der DFB hat damit einen Konferenz-Standard im deutschen Sport gesetzt, der mir in dieser Form noch nicht untergekommen ist. Das ist genau der Mut von Bildungsmachern, von dem weiter oben die Rede war. Echt klasse und Glückwunsch ans Team!

Die Resiliente Gesellschaft

Gerhard Polt – ein bayerischer Kabarettist – hatte mal in einem seiner Stücke gesagt: Sein „Bangladeschi“ (gemeint war ein aus Bangladesch stammender Arbeiter, der in seinem Restaurant als Spülhilfe arbeitete) sei in Krisenzeiten finanziell „flexibel“, flexibel wie ein Bambus, der sich bei Sturm biege!

Polt sei seine diskriminierende Bemerkung verziehen: In der Kunst fallen Humor und Kritik (hier bei Polt an der Globalisierung) in eins. Biegsam wie ein Bambus: Schaut man in die einschlägige Literatur zur Resilienz, dann trifft man immer wieder auf dieses Bild der „Biegsamkeit“, der „Wiederrückstellung“, so ähnlich wie bei den Borg von Star Wars, bei denen jeder Schiffstreffer der Föderation sogleich durch Nanotechnologie repariert wird. Wie praktisch!

Der Bezug zur Gegenwart ist schnell gezogen: Seit Corona ist nichts mehr, wie es war; alle Menschen auf dieser einen Erde stehen vor der Herausforderung, ihr eigenes Leben zu schützen, anderes Leben zu schützen, zwar nicht ganz wie im Krieg, aber doch mit einer keine Widerrede duldenden Entschlossenheit, die uns bisher fremd war. Doch dieses Ziel hat seinen Preis: Zunehmend geraten die Freiheitsrechte, der soziale Frieden und die wirtschaftliche Kraft eines Landes bzw. ganzer Nationen in Bedrängnis. Auf wissenschaftlich letztlich unsicherer oder zumindest kontrovers diskutierbarer Informationsbasis ist von einem Tsunami die Rede, von dem man nicht weiß, wann er kommt und wie hoch er ist. Wir sind also gespannt und gelähmt zugleich, irgendetwas Ungesundes jedenfalls und der nationale Wille wächst von Woche zu Woche, etwas Grundsätzliches dagegen zu tun.

In den 70er des letzten Jahrhunderts sprach man bereits in der Umweltbewegung von Widerstandskraft, spätestens aber mit dem Beitrag von Benedikter & Fadthi (2010) ist der Begriff in der Welt: „Resiliente Gesellschaft“. In ihrem Aufsatz skizzieren sie vier Dimensionen einer Zukunftssicherung in Krisenzeiten: Sicherheit durch Schutz, Sicherheit durch Risikomanagement, Sicherheit durch Sozialkapital und Sicherheit durch Technologie, so könnte man das knapp umschreiben. All diesen Ansätzen ist gemein, dass sie die Krise immer als etwas von außen Kommendes begreifen, das über den Menschen hereinbricht, was man auf eine bestimmte Art managen kann. Und ohne Zweifel gilt: In der Krise sind all die o.g. Faktoren wichtig.

Was aber mit Corona auch sichtbar wird, ist eine „Krise von Innen“, d.h. eine Krise unseres Denkens selbst! Es ist die Art und Weise, wie wir Probleme lösen, gemeinhin nach der Maxime der Effizienz. Man sieht das an den Denkfolgen: Just-in-Time-Management ohne Zwischenlager, Projekt- und Personalmanagement ohne Puffer, Ressourcenplanung ohne Redundanz, kurz: alles „auf Kante“.

Dass Systemkatastrophen wie aktuell Corona auf lebenswichtige Strukturen durchschlagen, ist naheliegend: Ein angespanntes Gesundheitssystem, überforderte Schulen und Hochschulen, eine ohnmächtige (Analog)Wirtschaft. An all diesen Orten ist die Not groß, weil Alternativen zur bisher fest eingespurten Praxis vor allem aus „ökonomischen Gründen“ nicht vorhanden sind.

Nun denken wir gezwungenermaßen über eine „neue, ökonomische Vernunft“ nach, alles wird resilient und viele Beraterhäuser fangen an, ihr bisheriges Effizienzmantra gegen das der Resilienz auszutauschen. Geschickt, oder?

Dabei dürfte klar sein: Auch die neuen Widerstandsressourcen, Zeitpuffer und Alternativstrukturen werden sich rechnen müssen, da es nicht darum gehen kann, die Puffer ins Unendliche auszuweiten. Vielleicht ist ein analoger Blick in die Natur lohnend: dort, wo Verbundenheit und Autonomie keinen Widerspruch erzeugen, dort, wo Sparsamkeit und Überfluss eine Einheit bilden, dort, wo die Dinge „schön“ sind.

Vielleicht ist am Ende der Begriff der Resilienz auch nur eine Zwischenstation, ein Stützrad auf Zeit. Vielleicht sprechen wir in ein paar Jahren oder Jahrzehnten oder Jahrhunderten von einer „Ästhetischen Gesellschaft“, in der sich eine stabile Funktion mit einer humanen Norm „spielerisch“ verbindet. Das klingt weit weg, aber etwas von dem, was sein wird, legen wir heute gerade fest: Durch jeden neuen Gedanken, durch jede offene Kritik.

Zeit für Erfinder

Ende der 1990er wohnte ich etwa drei Jahre lang mit meinem Bruder Peter zusammen: freie Kölner Jahre jenseits aller bürgerlichen Verpflichtungen. Die einzige Pflicht, die wir uns selbst auferlegten, war das Lesen von Büchern und das Entwickeln von Erfindungen aller Art (z.B. einen Monitor-Rahmen). Mit großem Ernst bündelten wir damals diese Ideen und Prinzipien in der „Sonnenblumen AG“ – einer fiktiven Gesellschaft für Social Entrepreneurship, die nur auf dem Papier bestand.

2020 steht die Welt auf dem Kopf. Corona, ein kleiner Virus, erzeugt in wenigen Monaten ein gesellschaftliches Erdbeben, bei dem die körperliche und psychosoziale Gesundheit jedes Einzelnen und die Gesundheit unserer Gesellschaft auf dem Spiel stehen. Die Maßnahmen, die sich die Verantwortlichen bisher ausgedacht haben, lassen sich durch ein „Verbot der Nähe“ kennzeichnen. Genau dieses Verbot greift tief in das ein, was wir bisher Gesellschaft nennen. Nicht erlaubt sind alle Formen der Geselligkeit: in der Freizeit ebenso wenig wie in Arbeit und Bildung.

Eine große gesellschaftliche Verwerfung, egal wie schlimm sie ist, ist auch die Zeit für Erfinder. Sie bricht gerade an und erste Lösungen für eine neue, vielleicht widerstandsfähige, resiliente Gesellschaft entstehen. Die Erfindungen lassen sich hinsichtlich ihrer Komplexität und Motivation unterscheiden:

  • Bedruckungsmaschinen für Masken mit lustigen Bildern, weil Masken Teil der neuen Gesellschaft sein werden.
  • Systeme für Online-Kommunikation, weil Fern-Kommunikation noch intensiver als bisher und hoffentlich auch qualitätvoller Teil der neuen Gesellschaft sein werden.
  • Müllentsorgungsmaschinen, weil Masken, Schutzkleidung, aber auch Einwegbesteck und andere virenfreie „Einmalartikel“ millionenfach Teil der neuen Gesellschaft sein werden
  • Individuelle Fortbewegungsmittel, weil der nach dem Massenprinzip aufgebaute ÖNV zumindest in der Form, wie wir ihn kennen, gegebenenfalls nicht (mehr) Teil der neuen Gesellschaft sein kann.
  • Geselligkeitsformate für Freizeit mit neuen Ideen von „Nähe“, weil eine neue Gesellschaft ohne Nähe nicht überleben kann.
  • Bildungsformate für Kindergarten, Schule, Hochschule und Weiterbildung, welche das Körperliche und Sinnliche neben aller nun aufbrechenden Bildschirmdidaktik auf eine eigene (neue) Weise zurückerobern, weil eine neue Gesellschaft ohne Körper nicht funktioniert.

Diese nur kleine Auswahl zeigt: Es gibt viel zu tun und die Zeit ist gut dafür, sich als Erfinder oder Erfinderin zu engagieren. Was mir ein besonderes Anliegen ist: Wir denken aktuell sehr viel über die Toten und die Kranken nach, was menschlich und nachvollziehbar ist. Wir denken (noch) wenig (offiziell) über unsere Kinder nach. Der Schrecken, den wir ihnen heute einjagen, wird sich Jahre, Jahrzehnte später zeigen, in subtilen Formen der Angst. Hier sollten wir mit unseren Erfindungen anfangen.

Online versus Anders

Im März 2020 waren eine Reihe von Tagungen im Kontext Bildung, Lehren, Lernen, Medien geplant. Viele von ihnen sind ersatzlos gestrichen worden, einige experimentierten mit unterschiedlichen Online-Formaten. So hat z.B. das CLC20 schön gezeigt, wie man ein BarCamp im synchronen Format online umsetzt. Klasse zu sehen, wie das mit der Koordination via kollaborativem Google-doc und Videokonferenz (wie ZOOM) funktioniert!

Bei der 15. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschulforschung ist man dieses Jahr einen anderen Weg gegangen: Im Zentrum standen nicht synchrone-Formate, sondern alle Beiträge von Keynote über Posterpräsentation bis arrangiertem Streitgespräch wurden dezentral und asynchron als Video aufgenommen und in einem „Online Video Conference Book“ zusammengetragen. Die Gründe dafür waren zunächst gar nicht mal didaktischer Natur: Fehlende oder überlastete technische Infrastrukturen – wie an vielen deutschen Unis – machten alle Pläne zunichte, doch noch was „live“ auf die Beine zu stellen.

Nun also asynchron. Das hört sich zunächst langweilig an, weil wir doch gewohnt sind, alles, was mit Internet zu tun hat, in Echtzeit erleben zu wollen, interaktiv und kollaborativ, versteht sich. Schaltet man im Kopf um und fragt sich, was man eigentlich braucht, dann ist zumindest das neue Angebot einer umfassenden Videodokumentation mit Kommentaroption … interessant. Man erinnert sich: Ohne Stress ein Buch lesen, sich vertiefen, nachdenken, sich Notizen machen, nachdenken, in aller Ruhe einen Kommentar schreiben und hoffen, dass dieser Kommentar andere inspiriert, zum Weiterdenken und ggf. zu einem Austausch. Entschleunigung nennt man das und in einer hektischen Zeit ist das zumindest eine gute Handlungsoption, gerade an Universitäten und Hochschulen.

Für mich ein Highlight bei der o.g. Tagung war das arrangierte Streitgespräch: Arrangiert deshalb, weil Gabi sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht hat, wie man ausgewählte WissenschaftlerInnen zu einer Art Streit motivieren kann, um Facetten des Spannungsfeldes von individueller und institutioneller Verantwortung im Kontext der Hochschullehre sichtbar zu machen. Die Professoren Kreber, Bremer, Braun, Langemeier und Scharlau haben sich auf das Experiment eingelassen. Wer mag, kann sich das Streitgespräch anschauen und natürlich auch sehen, was ich nach nach ca. drei Stunden Nachdenken als Kommentar zu Papier gebracht habe ?

P.S. Was man unbedingt auch sehen und hören muss, ist die Keynote von Prof. Biesta. Ich selbst warte damit bis Ostern. Wir haben Zeit.