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Was ist Präsenz?
Im Zuge von Covid-19 und der damit verbundenen „Zwangsdigitalisierung“ sehnt man sich fast überall in Schule, Hochschule, Wirtschaft, Sport & Kultur zurück nach DER Präsenz. Zwar gibt es auch viele Stimmen, die nach einer „neuen Präsenz“ in „neuer Kombination“ mit einer „neuen Digitalisierung“ Ausschau halten (vgl. Digitalität), aber all diese neuen Überlegungen hängen an der alten Präsenz, in der wir uns ohne Maske, d.h. unvermittelt, spontan und frei begegnen konnten.
Die seit März 2020 flächendeckende Lernerfahrung im digitalen Raum, meist in gekachelten Videokonferenzen, provoziert aber auch die Frage nach dem unverwechselbaren Kern, dem einmaligen Mehrwert der Präsenz, dem USP oder der DNA sozusagen. Die bisher beste Antwort darauf kommt für mich nicht aus der Wissenschaft, sondern von einem aus der Mitte des Kultbetriebs: Herbert Grönemeyer. In der aktuellen ZEIT-Ausgabe sagt er in typischem Grönemeyer-Ton zwar nichts zur Präsenz direkt, aber dafür etwas zur Kultur. Vieles von dem, was er sagt – so denke ich –, passt genau und tiefgründig zu dem, was wir mit dem Begriff der „Präsenz“ zum Ausdruck bringen wollen.
„Kultur stützt die Menschen in ihrer Verzweiflung, Trauer, in der Lust, Freude, ihrem Lachen, ihrem Mut und ihrer Zuversicht. Sie lässt ihre Gehirne wachsen, nährt ihre Sicht, ihren Aufbruch, klärt und hinterfragt. Aber genau das liegt gerade brach. Bühnen und Clubs veröden, Musiker, Sänger, DJs, Schausteller, Kabarettisten, Comedians, Schauspieler, freie Theater und -schaffende sind zur Ruhe verdammt, können nicht brennen und anfeuern. Sie verdursten. Die Liebesbeziehung zwischen ihnen und ihrem Publikum liegt auf Eis, und ihr gegenseitiges Aufputschen verdorrt. Wir alle kleben unter dieser wabernden Viralwolke fest, wagen immer wieder den inneren Aufbruch, um dann zu merken, unserer Melancholie fehlt ihr Zuhause, ihre Heimat, ihr Ladegerät. Das ist die öffentliche Kunst und Unterhaltung, das sind die harten Beats, die Wucht der Sprache, die Anmut der Bewegung, der Tanz, das Aufreizende des Gesangs, die Gemeinsamkeit mit anderen, das Aneinander, das einende Singen, Zuhören, Weinen und Jauchzen. Gleichzeitig auch die Stille im Kino oder Theater, die Räume zum Sichverlieren, Sinnieren, zum Entfliehen und zum Wiederzurückkommen, gestärkt, bekräftigt, belebt und bestätigt, seiner versichert. […]
Es ginge mit dem Zitat noch weiter, aber hier mal ein Halt. Was können wir daraus für die Präsenz, z.B. im Zusammenhang von Lehren & Lernen, gar Bildung, lernen? Hm, ich ahne es nur: Vielleicht ist der Sinn der Präsenz eine „Verzauberung auf Zeit“? Verzauberung auf Zeit … man merkt, wie weit eine solche Sichtweise von dem weg ist, was wir Learning Professionals bisher unter Präsenz verstehen.