Ich bin aufgewachsen mit „selbstbewussten Frauen“ und „sanften Männern“, wahrscheinlich sehe ich die Welt nicht so, wie sie ist. Aber wer sieht das schon…
Wer die aktuellen Nachrichten und Netzwerkmeldungen verfolgt, und dabei die Frauen im Blick hat, bleibt bei drei Meldungen hängen. Ich möchte etwas dazu sagen, weil es wichtig ist:
Frauen demütigen: Dass der Chef des spanischen Fußball-Verbandes eine Spielerin der Nationalmannschaft nach gewonnen Endspiel – wie man vermuten darf ohne Zustimmung – auf den Mund geküsst hat, ist bekannt. Man streitet darum, ob es eine Straftat oder Ausdruck von Freude ist. Das eben dieses Nationalteam sich über ihren Trainer wegen sexueller Belästigung seit Jahren beschwert (mit Duldung des Chefs) ist ein wichtiger Hintergrund, um das „Küsschen“ zu deuten. „Der Kuss“ steht also symbolisch für missbrauchte Macht und das muss man ächten. Was sollte man tun? Männer müssen sich ändern: die, die in Versuchung stehen, aber auch die, die passiv zuschauen und schweigen. Medien müssen sich ändern, denn die Rede vom Küsschen stützt den Machtmissbrauch und veralbert die, die geküsst werden. Und dort, wo sich unser Wunsch nach Vernunft nicht realisiert, hoffe ich auf mutige Frauen, die im Fall der Fälle verbal und handfest Widerstand leisten: mit einem klaren Nein, einer öffentlichen Backpfeife oder wirksameren Methoden.
Frauen unsichtbar machen: Dieses Jahr wurde in der ZEIT an den „Marsch auf Washington“ erinnert und damit auch an die radikalen Bürgerrechtlerinnen wie Gloria Richardson, Mahalia Jackson oder Marian Anderson. Sie alle stehen im Schatten des „großen“ Martin Luther King, der mit seiner Rede „I have a dream!“ in der kollektiven Erinnerung blieb. Der ZEIT-Artikel zeigt, dass und wie die Aktivistinnen, ohne die es keinen Marsch gegeben hätte, von der großen Bühne der Anerkennung verdrängt wurden: 1963 steckte man sie in hübsche Kleider statt der gewohnt engen Jeans, man verwehrte ihnen Redeanteile, man sagte ihnen „bleib zu Haus und ruhe dich aus“, damit die öffentliche Aufmerksamkeit den Männern vorbehalten blieb. Während man sie heute „stille Heldinnen“ oder „Kämpferinnen“ nennt, waren es 1963 „Mütter“ und „Ehefrauen“, die ihren Männern beistanden. Coretta Scott King – die Frau von Martin Luther King – war es leid, als „Anhängsel eines Staubsaugers“ dargestellt zu werden. Gegen Ende seiner Laufbahn, als Alfred Hitchcock, der berühmte Regisseur, eine Auszeichnung für sein Lebenswerk bekam, sagte er, dieser Preis gehöre „zu gleichen Anteilen seiner Frau“, einer Frau, die nun wirkliche jede Idee, jedes Drehbuch, jeden Videoschnitt tragend mitgestaltet hatte, wenn man den Recherchen Glauben schenkt. Was sollte man tun? Nichts ist und wird ohne Frauen, das ist eine Tatsache, keine Deutung. „I have a dream“ war schon damals falsch, richtig hätte es heißen müssen „We have a dream“. Merke: Wir haben alle immer nur An-Teil.
Frauen entrechten: Im vom Taliban geführten Afghanistan haben Frauen keine Rechte: Ihnen verwehrt man mit Gewalt den Schulbesuch, Hochschulen sind eh tabu. Diese Meldung bleibt in den Nachrichten auffallend unterbelichtet. Wäre es weltweit genauso still, wenn alle Männer weggesperrt und von Bildung abgetrennt würden? Ohne Bildung reduzieren sich die Rolle und die zukünftigen Möglichkeiten der Mädchen und Frauen auf winzige Optionen, schrecklich. Was muss man tun? Mädchen haben angefangen, sich in geheimen und kleinen Gruppen zu treffen, unter Lebensgefahr organisieren sie ihre Bildung selbst, greifen nach Strohhalmen, die ihre Zukunft bedeuten. Der in Hamburg ansässige „Afghanische Frauenverein“ hilft dabei, dass afghanische Mädchen Chancen haben. Wenn man die Männergesellschaft im Großem schwer verändern kann, muss man im Kleinen anfangen. Mauern fallen durch Risse.
Ich habe kein Fazit. Aber vielleicht ist die Trennung von Frauen und Männern Teil des Problems. Vielleicht ist es besser, zwischen den „Mutigen“ und den noch „Mutlosen“ zu unterscheiden. Denn am Ende gilt – so scheint mir – unsere Ängste zu überwinden: Angst vor öffentlicher Positionierung (Fußball-Beispiel), Angst vor Anerkennungsmangel (Washington-Beispiel), Angst vor Kontrollverlust (Taliban-Beispiel). Dabei können und sollten wir uns gegenseitig helfen: Frauen, Männer, Diverse sowie die Mutigen und die, die noch ohne Mut sind.