Eine Mondlandung für den Sport

#Weltraum #Planeten #Rakete #Mondlandung #Astronauten #Narrativa #Collabora #Narrativa #Cognatio … worum geht es genau?

Es geht um das edubreak-Event 2023, eine „Weltraumreise“ der Ghostthinker, zu der Bildungsverantwortliche aus allen Sportarten, z.B. Fußball, Basketball, Tischtennis, Motorsport, Golf und viele mehr, Anfang November eingeladen wurden.

Der Auftakt war durch eine kurzweilige Online-Session 14 Tagen vorher gesetzt, in der wir die Leitthemen „Story-, Self- und Community-Learning“ vorgestellt, Themen in DOSB-Kompetenzorientierung eingebettet und alle auf die Space-Mission eingeschworen haben. Dann der Raketenstart in Leipzig am 09. November: An unserer Startrampe, der „Gustav Mahler Villa“, einem sehr schönen und hellen Haus aus der Jahrhundertwende, versammelten sich ca. 30 VertreterInnen der Sportverbände, ah sorry, Astronauten und Astronautinnen, um Neues zu erfahren, sich auszutauschen oder sich einfach nur inspirieren zu lassen.

Rebecca Gebler-Branch moderierte wie immer gekonnt und leichtfüßig durch den Tag. Nach der Begrüßung durfte ich selbst den Einführungsvortrag halten. Mit 10 Raketendüsen wollte ich die treibenden Kräfte oder besser Erfolgsbedingungen für die digitale Transformation im DFB aus den letzten acht Jahre umreißen. Man muss hören, ob mir das gelungen ist.

Im Anschluss jedenfalls wurde der „Goldene Ghosti“ verliehen, das ist so eine Art „Oscar“ für Bildungsverantwortliche, die sich „über alle Maßen“ für die Ideale von edubreak einsetzen, zumindest aber die digitale Transformation mit didaktischer Kreativität, hartnäckiger Schläue, ansteckendem Mut und ausdauerndem Atem vorantreiben (bisherige Preisträger: Markus Söhngen/TTVN und Christian Steinberg/BBL). Besonders wird dieser Preis deshalb, weil der Goldene Ghosti nicht jedes Jahr vergeben wird, sondern „Ghosti“ selbst den Zeitpunkt und den Preisträger festlegt – sehr eigenwillig halt. Dieses Jahr hatte uns „Ghosti“ den Namen Wolfgang Möbius (DFB) zugeflüstert (ins Ohr von Christopher Branch, unserem Case-Manager für den DFB) – eine sehr treffende Wahl, denn auf Wolfgang passen die Kriterien besonders gut!  

Nach diesem feierlichen Akt folgten dann die mit Spannung erwartete Präsentation zur „Neuen edubreak-Welt“: Das sind Innovationen rund um den Social Video-Player, Quer-Verbindungen zwischen Campus, Community und Academy sowie viele neue Features wie schöne Architekturelemente. Anschaulich und zum Anfassen wurde das Ganze im „Discovery Room“, der sich im grottenartigen, aber hell ausgeleuchteten Keller befand. Stephan Ebisch (Product Owner edubreak), Sergej Naumenko (Chief of Player) und Johannes Metscher (Head of All) haben bei der Präsentation vor Kunden und in der Interaktion mit Kunden einen klasse Job gemacht. 

Nach diesen „Input-Teil“ – Astronauten müssen informiert werden – ging es mit den Raketen zu den Workshops, sorry, zu den Planeten. Auf Collabora trafen sich Interessierte rund um die Themen „Self-Learning/E-Learning“ (mit Lea Schmidt & Vivian Pauels), auf Narrativa die „Geschichtenentwickler und -ErzählerInnen“ (mit Veronika Christodoulides) und auf Cognatio (mit Eva Zehnder & Selina John) jene, die intensiver über „das Lernen in Gemeinschaften bzw. über Communities“ nachdenken wollten. Was man so hört, waren alle drei Missionen erfolgreich. Am nächsten Tag jedenfalls stellten alle Teilgruppen ihre Erkenntnisse im Hauptraum der Gustav Mahler Villa vor; da war dann alles dabei: Berichtet wurde von Aha-Erlebnissen und intensiven Diskussionen, dem Kennenlernen neuer und passender Technologien bis zu neuen didaktischen Konzepten, die als „Beute“ für die Rückreise auf den Planeten Erde herhalten und zur Weiterverarbeitung in den Verbänden genutzt werden.

Ich überspringe jetzt mal die Yoga-Session mit unserer frisch aus Indien eingeflogenen Meisterin (Selina), den wunderschönen Abend im Neuen Ratskeller mit für einen „Ratskeller“ ungemein leckerem Essen oder auch die vielen informellen Gespräche in den Pausen, Zwischenräumen und Stadtwegen. Fest steht: Ohne die professionelle Leitung und Moderation des Gesamtevents durch Rebecca, ohne die inspirierenden Inputs und Outputs von Mirjam Hruby, Christian Dambach und Jasmin Nagel (Marketing/Social Media/Design), ohne die Workshoparbeit des Didaktik-Teams zu neuen Themen, ohne den anfassbaren Part „Technologie erleben“ vom Entwicklungs- und Kundenteam und schließlich ohne Menschen (Kunden), die für ein solch „verrücktes“ Angebot mental und emotional offen sind, wäre ein Event wie das in Leipzig keine Reise zu den Sternen, sondern ein Schuss in den Ofen.

Gott sei Dank hatten wir am Ende alle Sternenstaub in den Augen – Augen, die nach langer Vorbereitung, intensiven Tagen und dankbaren Kunden nicht nur etwas müde, sondern auch wässrig waren.

Und noch einmal: Was ist Präsenz?

Kennt ihr die Geschichte? Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: “Was zum Teufel ist Wasser?“

Ich hatte mir Ende des letzten Jahres zum ersten Mal die Frage gestellt, was das eigentlich ist: Präsenz. Ein wenig war der Blick auf Präsenz wie der Blick der Fische auf das Wasser: „Präsenz, was zum Teufel ist das?“ Eine erste Antwort habe ich Ende November 2020 bei Herbert Grönemeyer gefunden: „Kultur stützt die Menschen in ihrer Verzweiflung, Trauer, in der Lust, Freude, ihrem Lachen, ihrem Mut und ihrer Zuversicht“. Ersetzt man Kultur durch Präsenz, dann hat man eine erste Idee davon, was Präsenz vielleicht ausmacht.

2021 hat mich diese Idee nicht losgelassen, natürlich, weil auch 2021 von einer „Störung der Präsenz“ durch Corona durchzogen war. Anfang des Jahres habe ich mich zum ersten Mal bei einer Keynote beim LSB NRW getraut, meine eigenen Gedanken zum Thema zu formulieren. Die Kernthese war, dass die großen Sprünge beim Online-Lernen (Technologie, Didaktik, Organisation) durch Corona in den nächsten Jahren einen gewaltigen Innovationsdruck auf das erzeugen, was wir bisher Präsenz nennen. Einfach formuliert: Wenn ich schon 500 km zu einem Präsenztermin anreise, dann muss es auch „krachen“. Ein Vortrag mit Gruppenarbeit tut es dann nicht mehr, denn das geht online einfacher oder sogar besser. Um die Qualität der neuen Präsenz besser zu fassen, hatte ich den Begriff „Serendipity“ herangezogen, um (ganz im Sinne Grönemeyers) das Körperliche, Emotionale, Informelle und Zufällige in der zukünftigen Präsenz näher zu kennzeichnen, also etwas, was man nicht digitalisieren kann oder besser: nicht digitalisieren sollte!

Ich gebe zu: Serendipity war ein verbaler Handgriff, um überhaupt das „Wasser als Wasser zu erkennen“, d.h. über die Tiefenmerkmale von Präsenz als normativen (!) Begriff mehr zu erfahren. Offen und unbefriedigend blieb vor allem für die Verantwortlichen in Bildungsinstitutionen, was das nun genau heißt: körperlich, emotional, informell und zufällig.

In einem der letzten Redebeiträge dieses Jahr, auf der DFB-Jahrestagung Bildung, bei der über 100 Referenten:innen (edubreaker:innen) zusammengekommen sind, habe ich dann nochmal konkretere Bilder für das Neue gefunden: Ich spreche davon, (a) von Scheitern-Können, (b) Überrascht-Werden und (c) Gemeinsam-Schaffen.  

Scheitern zu können, halte ich für die zukünftige Präsenz für wesentlich. Warum? Weil vor Ort, in der Sportschule (oder anderen analogen Orten der Weiterbildung) Experten:innen und Peers vor Ort sind, um mich aufzufangen, „wenn ich hingefallen bin“. Präsenz legitimiert sich dadurch, dass man didaktisch provozierte Entgleisungen wieder in die Spur bekommt, denn genau das kann im Online-Modus schnell ins Auge gehen. Und ja, auch überrascht zu werden, schätze ich für die Zukunft der Präsenz als essenziell ein: Wenn Präsenz dem Scheitern-Können dient, dann sind Unsicherheiten, Ungeplantes, Überraschungen fast schon notwendige Folgen. Damit zukünftige Praxis nicht im Chaos endet, wird es wichtig werden, die Geschichten des Scheiterns als Bedingung für Empowerment zu deuten und im Team zu meistern, also gemeinsam etwas zu schaffen. Mit dieser Präsenz-Deutung wäre man einen Schritt näher an Neuwegs „Könnerschaft“, die im Zuge der Kompetenzdiskussion manchmal etwas zu kurz kommt. 

Für 2022 wünsche ich mir, dass wir noch mehr als bisher mit Formen, Funktionen und Formaten von Online, Präsenz und allem Hybriden dieser Welt experimentieren, um eine ganze einfache Frage besser zu beantworten: Wie kann man heute, im 21. Jahrhundert, lebendiges Lernen wahrscheinlich machen? Und was bedeutet das für einen Lehrbegriff, der ja nur eines im Sinn hat: Lernen zu ermöglichen?

Kraft und Kraftlosigkeit des Fußballspiels

Samstag lese ich manchmal die ZEIT – Wochenzeitungen entschleunigen. Hängen geblieben bin ich dieses Mal an einem Artikel mit der Überschrift „Sie sind der German Dream“ von Wolfgang Thielmann. Darin wird von Scoring Girls berichtet, ein Projekt der ehemaligen Bundesliga-Fußballspielerin Tuna Tekkal, die sich heute als ehrenamtliche Trainerin für junge geflüchtete Mädchen stark macht, die jenseits aller kulturell-religiöser Unterschiede einfach Fußball spielen wollen. „Fußball bringt sie zusammen und macht sie selbstbewusst“, so Tekkal im Artikel. Während ganz Deutschland also über Integrationsprobleme spricht (Özil, Clans etc.) zeigt sie, dass Integration gelingen kann, nämlich spielend!

Liest man die Geschichten der geflüchteten Mädchen, die Gräueltaten des IS, besonders an der Gruppe der Jesiden, dann erscheint das, was Frau Tekkal mit ihrem gemeinnützigen Verein Hawar Help macht, als Utopie, als ein (wirklicher) Nicht-Ort. Doch was hier auf dem Bolzplatz passiert, ist mehr als nur Vollspann: Es geht um Selbstbestimmung (der Frauen) und um ein „Gefühl der Freiheit“, wie Tekkal es ausdrückt. Darin wird deutlich: Das (Fußball-)Spiel erzeugt vor dem Hintergrund der spezifischen Spielidee seine eigensinnige, d.h. freie, kreative, kämpferische, leidenschaftliche, regelgeleitete und soziale Wirklichkeit, die sich vom Leben da draußen so wohltuend abgrenzt. Und genau durch diese Abgrenzung entsteht im Sport dieses „Gefühl der Freiheit“ – ein flüchtiges, aber kraftvolles Gut auf Zeit!

Vor ca. 20 Jahren hatte ein Kollege von mir (Sporthochschule) in seiner Diplomarbeit die Forschungsfrage gestellt, ob Kinder aus brasilianischen Slums ihre Fairness-Erfahrungen vom Bolzplatz in den Alltag transferieren können. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Auf dem Platz folgte man artig den Regeln, zurück auf der Straße hatte man keine Scheu, die Pistole zu verwenden. Besser konnte man Kraftlosigkeit nicht auf den Punkt bringen.

Was kann also Fußball, was kann Sport leisten? Zum einen unendlich viel, z.B. bietet er Erfahrungen zur Selbstbestimmung, die vor allem dort wirken, wo bisher vorwiegend Fremdbestimmung herrschte. Zum anderen unendlich wenig, z.B. wenn alle Hoffnungen auf eine transferierbare Fairness ins Leere laufen.

Man darf also vom Fußball nicht viel erwarten, dann kann er die Menschen auch reich beschenken.