Social Software – Social Scills: Tagung in Salzburg

So, ich möchte etwas ausführlicher von der Tagung in Salzburg berichten, einer Tagung, die sich um das Thema social software und social scills drehte. Bisher haben Jojo und ich in unsererem adhoc-(wir setzen mal einen blog auf)Tagungsblog primär Bilder und ich lediglich "Gestotter" ins Netz gestellt ;-). Eines summarisch vorweg: es war eine sehr gelungene Tagung, Tagungsort, Teilnehmer, Themen, … alles war gut ausbalanciert. Ein herzliches Lob an die Organisatoren.

Dienstag Mittag startete die Tagung für mich mit einem Workshop. Leif Pullich von der FernUni Hagen gab uns eine gute Einführung zum Thema weblog. Zwar war das für all diejenigen, die sich schon länger mit weblogs beschäftigen nicht so sehr interessant, aber für einen Neuling wie mich war es gut ;-). Als mein Fern-Uni-Hagen-weblog dann einmal einerichtet war, habe ich (angestoßen durch Jojo) eine für mich interessante Erfahrung gemacht: wenn man das, was im Seminarraum vor sich geht direkt (also live) in seinem Blog re-formuliert, dann nimmt man sehr aktiv (an)teil. Neben den Informationen des Dozenten, die man parallel durch googeln verifizieren oder ergänzen kann, kombiniert man eigene Gedanken zu einer Dozent-Google-Meins-Einheit, die man dann als Sinn-Einheit posten kann.

In diesem ersten Schritt (I) ist interessant, wie auf der Mikroebene der metalen Verarbeitung sich ein Gleichgewicht der Informationsverarbeitung einstellt, d.h. in Abhängigkeit von der persönlichen Leistungsfähigkeit spiele ich mit den Inputgrößen "Dozent", "Google" und "Vorwissen". Im Ergebnis empfinde ich dieses Gleichgewicht als Lernlust, da die Steuerung in mir liegt. Interessant wäre es hier zu sehen, wie unterschiedlich starke Schüler, Studenten mit diesen Angeboten und den damit verbundenen Freitsgraden umgehen. Gibt es individuelle Lernflows bei standartisierten Frontalunterricht? Toll wäre das :-). Ich habe dies im Anschluss kurz im Seminar angemerkt, dass man in Schulen diese Variante einmal ausprobieren sollte. Herr Pullich meinte, dass dies Schüler überfordern würde. Hier bin ich anderer Meinung!! Wenn ich sehe, wie lesitungsstark 12 Jährige in der multiplen Verarbeitung von Spielinformationen sind, dann kann dies nicht der Engpass sein. Wir trauen unseren Schülern und auch Studenten zu wenig zu! Wir spielen in Schule und auch Uni aber das falsche Spiel und schließen von der Jetztbelastung auf ein fehlendes Leistungspotential.

Gut, gut ;-). … interessant ist an diesem liveblogging (der Begriff trifft nicht das mentale matching => matchblog??), dass man in einem zweiten Schritt(II), die unterschiedlichen Objektivationen anschauen, interpretieren und darüber diskutieren kann. Das ist dann für den Lehrenden nicht nur ein sehr erhellendes Qualitätssicherungssystem (nach dem Motto: Was ist den "angekommen"?), sondern es ergeben sich auch Chancen, die jeweiligen Blogbeiträge im Unterricht zu diskutieren oder später asynchron zu kommentieren (Motto: warum hat er/sie das denn anders verstanden?). Was ich meine: man sollte es einfach in der Schule mal ausprobieren! Das die Schüler in den Laptopklassen googeln wenn ihnen langweilig ist (und ihnen ist öfter langweilig), zeigt, dass hier noch Potenziale der persönlichen Flowoptimierung schlummern.

Abends gab es lecker Essen, wirklich, dies ist erwähnenswert! Am Tisch saßen Sebastian Schlömer (ZWW Uni Augsburg), Jojo mein Kollege ein englischsprechender Podcaster und eben ich. Am Ende des Essens wurden uns vom besagten Podcaster ein paar Fragen zum Thema weblogs, wikis, podcast gestellt, die Sebastian professionell beantwortete. Der Beitrag wird nächste Woche online gestellt, ich muss aber noch rauskriegen wo.

Abends habe ich dann noch Sebastian Fiedler getroffen, ein bekannter Hund der Szene (bekannter "Hund"?, oder meine ich bunter Hund), der jetzt für das Zentrum für soziale Innovation in Wien arbeitet. Neben "tiefen" Einsichten in die Verwaltungs- und Koordinationsarbeit in EU Projekten, habe wir uns noch länger über die Entwicklungen deutscher Universitäten unterhalten. Sebastian ist ja einer derjenigen, dessen Herz an der sog. Bildungsidee hängt, der daran glaubt, dass die Universität verdammt nochmal die Pflicht hat, kritische Zeitgeister auszubilden. Mit der "Angleichung" von BA/MA Strukturen würde aber eine Verplattung des ehemaligen universitären Anspruchs einhergehen, kurz und plakativ: 1. Semester "Wo bin ich hier", 2. Semester: "Wo sind die Frauen/Männer?", 3. Semester: "Wie qualifiziere ich mich für einen Job? Wo bleibt da Raum für eine Lebensphase – so seine Worte – , in der ich auf kritische Distanz zu dem gehen kann, was Vati und Mutti mir als richtig, als Wahrheit mitgegeben haben? Jojo, mein junger Kollege (4 Semester BA Medien/Informatik Uni Augsburg) antwortete auf diese leidenschaftlich vorgetragene Position: "Du hast ein Glaubensproblem" :-). Er verneint die Behauptung, dass alle im 3. Semester arbeitsfixiert sind, verneint, dass zu wenig Freiraum für eigene Gedanken gibt, verneint, dass da eine Verflachung und Vermarktung am Werke ist. Was er fordert ist vielmehr sehr pragmatisch: ich suche Lehrer, die mir effizient etwas beibringen können – basta! Wahrscheinlich sind die jungen BAler viel weniger verkrampft mit den Strukturen in denen sie selber leben (leben müssen) als wir Diplomer und echten UNIVERSITÄTSABSOLVENTEN ;-). Ich selbst bin der Meinung, dass die BA-Idee nicht notwenig zu einer Verflachung führt, wenn wir denn den Spielraum der mit Bologna vorgegeben ist auch ausnutzen, man kann ja auch über einen "typisch deutschen" BA nachdenken und zwar mal im positiven Sinne des Wortes. Wenn die Amerikaner einen Goethe, einen Humboldt, Schiller, Einstein etc. gehabt hätten, dann hätten sie einen Humboldtdiplom ausgerufen, ein einmaliges nur amerikanisches Bildungsdiplom. Dahinter hätten Sie eine riesige Marktingkampagne gehängt und gesagt, seht, hier in Amerika, wo die größten Köpfe der Welt gelebt und gewirkt haben, da haben wir ein Bildungsdiplom. Sie hätten gefragt: What's that? … a BA/Master???? Wir sollten also unter dem Dach der BA/MA Struktur (das ist Realität) die Spielräume so ausfüllen, dass da noch "Eigenbildung" stattfinden kann. Ich jedenfalls glaube nicht an einen Automatismus BA=>Verflachung. Die Hochschullehrer haben aber den Auftrag, die durch die Medien induzierte Angst zu dämpfen und die 3-4 Jahre "Freiraum" vielfältig, explorativ und meinetwegen auch effizient zu gestalten. Gleichzeitig hat der Staat die Pflicht, diejenigen, die sich für Bildung Tag und Nacht engagieren ordentlich zu bezahlen!

Den Folgetag will ich knapper beschreiben: es gab für mich 2 interessante Schwerpunkte: e-Portfolios mit digital story telling und gaming. Das erstgenannte Thema möchte ich weiterverfolgen, vielleicht auch mal in einem Seminar. Große Potentiale sehe ich in sog. Kooperationsseminaren wie z.B. unser letztes Werbung und Ethik mit dem beta Institut für Gesundheitsmanagement. Hier hat man eine Projektstruktur, hier treten Konflikte mit den externen Partner auf, hier hat man einen überdurchschnittlichen Koordinationsaufwand in der Projektgruppe. Ich selbst habe im genannten Seminar am Ende eine "Dokumentations- und Reflexionsmappe" erstellen lassen, sozusagen als schriftliche Leistung zum Seminar. Es wäre um ein vielfaches besser gewesen, wenn die Studenten in diesem Seminar ein formatives e-Portfolie angelegt hätten. Am Ende hätte man die echte Vor-Ort-Präsentation auf der Bühne der betaphram in einem sog. showcase-portfolie (habe ich gelernt) packen können, z.B. eines der Produkte.
Insbesondere der Verbindung zum story telling hat mich angesprochen. Hier schlummertn viele Potentiale, wie Studenten ihre Lerngeschichten gestalten (audio, video), sich gegenseitig erzählen und dadurch für sich, dem Kooperationspartner und den Dozenten etwas gewinnen. Aber: ich habe es oben schon erwähnt, die Dozenten müssen natürlich eines einbringen! Sie müssen potentiell spannende Rahmengeschichten erfinden. Wer eine klassische Vorlesung (kein kritisches Ereignis) macht, der überfordert seine Studneten mit einem e-portfolie … was soll da rein???

Gut, der andere interessante Teil des Nachmittags dreht sich um das Thema game based learning. Interessant war, wie viel Geld in diese Thematik auf der EU Ebene gesteckt wird (10 Mio). Ich habe mich etwas darüber geärgert, warum wir, also Freddi und Caro nicht intensiver bei solchen Tagungen in Erscheinung treten. Ihr Diss-Projekt mit der TU München Mikrosystemtechnik ist mittlerweile schon weit fortgeschritten und im Forschungsraum hätten sie sicher viel zu sagen. Auf jeden Fall brauchen sie sich mit ihrem interaktiven 3D-Spiel zur Mikrosystemtechnik nicht verstecken. Meine zentrale Frage zum Thema Spiel, insbesondere zur analogen Struktur von Spiel und Anwendungskontext bleib leider unbefriedigend beantwortet. Es ist für mich immer noch eine Herausforderung zu begründen, wie ähnlich (analog) sich Spiel und Anwenungskontext sein müssen, damit man a) Prozesse des Anwendungskontextes erlernt und nicht andere und b) das Spiel noch als Spiel erkennt und nicht als demotivierende 1:1 Abbild des Anwendungskontextes.

So, ich denke, das war es erstmal. Sicher wird Jojo noch eine recht umfangreiche Mitschrift der Tagung (Skizzen, Links, Fotos) ins Netz stellen.

Erste experimentelle Studie

Im Rahmen der BA-Betreuung (Ruppert Waldmüller) ergibt sich eine erste experimentelle Studie. Es geht dabei darum, wie unterschiedliche Zielgruppen (junge und alte Patienten sowie Ärzte) mit unserem Lernangebot Patientenvorsorge zurecht kommen. Dabei interessieren wir uns einerseits für die Verschränkung von narrativen Darstellungsmitteln und analytischer Detailinformationen via Concep-Map, anderseits wollen wir den Wert von dynamischen Comic gegenüber statischen Comic und Textgeschichte untersuchen. Leider suche ich bisher vergebens nach einem guten Modell zu dieser Thematik, d.h. einen Informationsverarbeitungsmodell, bei dem narrative und analytische Darstellungsformen berücksichtigt sind. Bisher versuche ich mir zu helfen mit dem Modell von Schnotz, der Text-Bildinformationen in einem Modell zusammenbringt. Zudem sind wir noch auf der Suche nach Ärzten/innen, die bei unserer Untersuchung zur Lernqualität mitmachen möchten. Wer also Ärzte/innen kennt, der kann sich gerne melden!
:-)

Onlinebarometer

Die GMW hat unseren Artikel angenommen! Hierin beschreiben wir den theoretischen Hintergrund zur Konzeption eines Onlinebarometers, also eines Features innerhalb einer Lernumgebung, mit dem man Stimmungen und Meinungen erfragen kann – grob gesprochen. Schon seit 2 Jahren „basteln“ wir an der Uni Augsburg an einem geeigneten Instrument, um Stimmungen & Gefühle beim Lernen zu erfragen und für andere Mitlerner sichtbar zu machen; die Grundidee zu einem „Barometer“ haben wir von der Uni Zürich, hier die Arbeitsgruppe um Prof. Reusser. Unsere bisherigen praktischen Vorarbeiten haben experimentellen Charakter, nicht zuletzt deshalb, weil der Gegenstand, also die Emotionen, etwas lichtscheu ist. Während wir im Theoriebereich nun interessante Ansätze vorliegen haben gilt eine besondere Herausforderung noch dem Interface, also der „Eingabemaske“ innerhalb der Lernumgebung. Einerseits soll dieses Interface die theoretischen Vorgaben berücksichtigen, andererseits soll es aber auch smart und intuitiv aufgebaut sein, damit man überhaupt Lust hat, sich neben dem eigentlichen Lernprozess mit dem Onlinebarometer zu beschäftigen. So interessant ein Onlinebarometer für die Lehrenden aus theoretischer und praktischer Perspektive ist, so groß ist auch die Gefahr, dass man mit diesem Instrument am Bedarf der Lernenden vorbeischifft. Hier liegt noch eine weitere Aufgabe, nämlich die, das Onlinebarometer als Instrument zur Selbstreflexion einzuführen.

„Gesundheit“ im Sinne Nietzsches

Ich lese z.Z. ein Buch, kein Fachbuch, sondern ein Roman. „Und Nietzsche weinte“ so der Titel, von Irvin D. Yalom. Zunächst hat mich nur der Titel interessiert, weil ich früher schon mal in den Basler Vorträgen gelesen habe und weil ich dort die Verquickung von Narration und Erkenntnis toll fand. In dem angesprochenen Buch ist es dem Autor gelungen, den klassischen Imperativ „Werde du selbst“ neu aufleben zu lassen. Er tut dies durch eine geschickt gestrickte, erfundene! Geschichte, die aber authentische Personenskizzen und authentisches Material z.B. vom Lebensphilosophen Nietzsche, dem jungen Psychoanalytiker Freud und dem Arzt Dr. Breuer enthält. Was an diesem Buch reizt, sind z.B. die bei einem Treffen zwischen Breuer und Nietzsche stattfindenden Dialoge; hier wird exemplarisch gezeigt, das „Gesundheit“ im radikalen Sinne die Selbstwerdung des Menschen einfordert und eben nicht ein dumpfes sich Wohlfühlen. Wirklich lesenswert!.

Man muss wollen, dass es wird

Das Verhältnis von Ökonomie und Bildung beschäftigt mich ja schon länger. Angefangen hat „es“ mit einer Hausarbeit – noch zu Kölner Zeiten. Unter dem Titel „Der Nutzen des Schönen – Adam Smith und Friedrich Schiller“ versuchte ich damals voller Idealismus zu zeigen, dass sich z.B. moralisches Verhalten ökonomisch legitimieren lässt. Ich habe mich zum damaligen Zeitpunkt stark von den Begriffen individuelle und kollektive Rationalität leiten lassen. Im Grunde kreisten meine Gedanken um die für Nationalökonomen leitende Frage, inwieweit die Wohlfahrt der großen Zahl zu maximieren ist; schon Smith hatte in seiner früheren Schrift „theory of moral sentiments“ darauf verwiesen, dass ein moralisches Regulativ zum freien Marktgeschehen dafür vorausgesetzt werden müsse.

Heute – also in der Augsburger Zeit – gehe ich die ganze Sache pragmatischer an oder anders: ich versuche mit einer Reihe von Mitstreiter (allen voran Gabi) in unserem Verein Ökonomie und Bildung e.V. das Thema kleiner – ohne Schiller und Smith -, konkreter und vor allem näher an den in Institutionen herrschenden Entscheidungskalkülen zu behandeln. Von unserem Symposium 2005 „Wirtschaft(s)macht Schule“ hatte ich berichtet. 2006 steht nun ein weiteres Symposium mit dem Titel: „Der Wertbeitrag des Nicht-Messbaren – Controlling zu Kommunikations- und Lernprozessen in Unternehmen“ an. Eine ganze Reihe interessierter Kollegen aus Unternehmen haben sich bereits angemeldet und wollen einen Beitrag in Form von Impulsvorträgen oder Workshopleitungen übernehmen. Offenbar kann das „Messthema“ Resonanzen erzeugen, was nicht verwundert, gilt es doch, den Nutzen des Schönen :-) exakter zu definieren und eben gegenüber dem Controlling zu legitimieren (legitimierbar zu machen). Am 28. April treffe ich mich mit vier anderen Kollegen (u.a. Schick und Partner) zu konkreten Vorbereitungen (Tagesablauf, Impulsvorträge, Workshop etc.).

Vor dem Hintergrund der herannahenden, fast schon bedrohlich konkreten Fragen z.B. um „wiederverwertbare Kennzahlen etc.“ ist mir aber auch wichtig, die Grundsatzfrage zum Zusammenspiel von Ökonomie und Bildung – zunächst als Antagonisten gedacht – wach zu halten (allzu oft wird das von den Praktikern als Gesabbel runter gemacht). Ich hatte vor einiger Zeit mit meinem geschätzten ;-) Sebastian Fiedler hierzu ein längeres Telefonat, wobei es zu zwei unterschiedlichen Positionen kam. Um das Gespräch nachvollziehen zu können, ist es sinnvoll, wenn ich mit meiner Position beginne: Ich gehe davon aus, dass all unsere gesellschaftlichen Bereiche oder Subsysteme von der ökonomischen Maxime durchzogen sind; man spricht hier auch vom ökonomischen Imperialismus (Homann/Suchanek). Die Allgegenwart von Kennzahlen, Qualitätssicherung, Kunden- und Servicedenke auch in Non-Profit-Organisationen zeugen davon, auch wenn sich hieraus kein zwingender Handlungsimperativ für den Einzelnen ergibt. Ich glaube daran, dass man Wissens-, Lern-, und Kommunikationsprozesse oder Bildung allgemein mit dem Instrumentarium der Ökonomie rechtfertigen und begründen kann und MUSS! „Kann“ deshalb, weil ich daran glaube, dass das ökonomische Prinzip offen ist für jede Art von Nutzen und dieser nicht zwingend (auch wenn das der main stream ist) auf den engen betriebswirtschaftlichen Nutzenbegriff eingeschränkt werden muss. „Muss“ deshalb, weil ich kein Alternativkonzept vor dem Hintergrund des ökonomischen Imperialismus sehe. Wer heute noch idealistische Forderungen stellt, die sich nicht mit der ökonomischen Matrix kombinieren lassen, der wird nicht gehört, erzeugt lediglich Rauschen. Was mir vorschwebt, ist eine „Ökonomie der Redundanz“ oder noch weiter getrieben eine „Ökonomie der Kontemplation“. Mir ist bewusst, dass ich damit in einem gewissen Sinne kapituliere, meine Haltung entidealisiere oder wie man sagt, pragmatisch werde (ein sicheres Zeichen für das Älterwerden). Soweit, ich komme zu Sebastian. Er glaubt nicht daran, will nicht daran glauben, dass es so was wie einen ökonomischen Imperialismus gibt, er akzeptiert vor allem nicht, dass das ökonomische Prinzip dafür geeignet ist, Bildungsinteressen im weitesten Sinne durchzusetzen oder zu legitimieren. Während ich den Schulterschluss zur Ökonomie suche (in dem ich den Nutzenbegriff erweitern will), ist er misstrauisch und skeptisch gegenüber dem ökonomischen Prinzip, weil, so sagt er, damit Machtverhältnisse stabilisiert werden. Er sieht in der Ökonomie einen Gegenspieler von Bildung, weil die erste Macht erhält und ausbaut, die zweite Macht relativiert (im Diskurs relativieren kann).

So verschieden unsere Lösungsansätze zunächst scheinen, so einig sind wir uns doch in der Sache. Wir leben beide für das Ideal einer autonomen Bildung, sehen also eben diese wenn auch antiquiert klingende Bildung als erstrebenswert an – individuell und kollektiv! Er verfolgt den Weg der fruchtbaren Konfrontation, ich verfolge den Weg der systemischen Transformation. Kollektiv rational deshalb, weil in einer sog. Wissensgesellschaft die Differenz und eben nicht der mean stream zum Wohlstandsstabilisator wird. Es gilt halt „nur“ noch, die Differenz (= Bildung) in die nivellierende Funktionslogik von Organisationen zu integrieren. Der think tank als Quarantänetraum für die „Gspinnerten“ ist sicher nicht der richtige Ansatz. Spinner- und Querdenkertum sind zwar geflügelte Worte für ein Innovationsland, doch hat man im Grunde in Organisationen dafür keinen rechten Platz, weil man ja den Mehrwert des „an einem Strang ziehen“ nicht gefährden will. Organisationen müssen sich ändern, Organisationskultur muss sich ändern, Differenz ist keine Gefahr, wenn die Kultur Differenz als konstituierendes Element enthält.

Am Ende will ich noch einmal auf einen Aufsatz kommen, den ich gerade gelesen habe. Es handelt sich um einen 15-seitigen Text von Peter Heintel und Larissa Krainer, Titel: Bildung und Ökonomie. Der Text ist lesenswert wie ich finde. Im Kern warnen die Autoren vor der Reduktion der Bildung auf ihre Brauchbarkeit für Wirtschaft und Staat. Gegen Ende wird ein Plädoyer für eine „freie“ Bildung gehalten, deren Nutzen in einer mündigen, zivilen Gesellschaft mündet. Insbesondere der letzte Abschnitt – die Konsequenzen – will ich hier etwas länger zitieren:

Was jedenfalls zu dieser neu zu generierenden Bildung hinzugehört, ist eine grundsätzliche Analyse des (ökonomisch) Brauchbaren und Nützlichen sowie ihrer Grenzen. Es lässt sich zwar vieles an traditionellem Wissen, an spezieller (Fach-)Bildung auf Brauch- und Verwendbarkeit beziehen und reduzieren. So wird auch für jedes Kulturereignis die “Umwegrentabilität” angegeben werden können.

Uns jetzt kommt die für mich wichtige Passage:

In letzter Konsequenz unterliegt diese Reduktion aber einem selbstzerstörerischen Trugschluss. Verwertbarkeitskriterien werden nämlich meist in kausal-mechanistischen Modellvorstellungen gedacht. Hier eine “Schlüsselqualifikation”, da ihre Anwendung; hier spezieller Wissenserwerb, dort seine funktional aufweisbare Brauchbarkeit. Bereits Max Weber hat in diesem Modell seine funktionale “Idealbürokratie” zur Vorstellung gebracht, die allerdings nie so wie beschrieben eingerichtet wurde. Damit nämlich Verwertbarkeit garantiert ist, muss sie von zusätzlichen Wissens- und Bildungsfaktoren “begleitet” sein. Ohne “soft facts” keine “hard facts”. Man muss z.B. zusammenarbeiten wollen, vertrauen, dass der andere das gleiche will, muss davon ausgehen, dass man sich auf Zusagen und Vereinbarungen verlassen kann, dass Verträge auch ohne rechtliche Einforderung “halten” etc. Es muss also viel geschehen und vorausgesetzt werden, damit Nützlichkeit sein kann. Wird aber darauf keine Rücksicht genommen, ist auch diese Nützlichkeit gefährdet; sie wurde immer schon von einer “geheimen Ethik” begleitet, und diese muss insbesondere dann bewusst gemacht werden, wenn funktionaler Reduktionismus meint, ohne sie auskommen zu können.

Ich frage mich nach diesen Zeilen, ob Sebastian nicht doch Recht hatte, mit seiner Skepsis. Ob nicht eben die Vermischung von autonomer, freier Bildung und – wie es die Autoren nennen – heteronomer Bildung zu einer Auflösung der „geheimen Ethik“ führt. Die Autoren plädieren in ihrer Lösungsperspektive mit ähnlichen Kategorien, wie ich sie oben andeuten wollte:

Es geht um Themen wie: Gestaltung und Organisation selbstreflexiver Kommunikation, um die Einrichtung von Widerspruchselementen in Systemen, um die Aufhebung hinderlicher Arbeitsteilung (BildungsexpertInnen als SpezialistInnen, die wissen sollen, was für andere “Laien” Bildung ist), um die Etablierung anderer Zeitstrukturen, um die Identifikation von förderlichen Hilfsmitteln (z.B. Neue soziale Architekturen, Designs, Kunst als Darstellungs- und Reflexionshilfe, als kollektives Integrationsmittel etc.). Es geht also um den Einbau einer “Zwischenebene”, die freie Bildung erst ermöglicht; sie ist aber damit Teil von Bildung selbst und nicht von ihr abzutrennen. Dies muß auch deshalb hervorgehoben werden, weil wir hier lernen müssen.

Was nehme ich mit in die Ostertage? Ich denke, dass wir mit unseren Vereinsaktivitäten auf dem richtigen Weg sind, denn nur wenn man anschlussfähige Positionen anbietet, ist die notwendige Bedingung für einen gemeinsamen Diskurs erfüllt und, das weiß ich vom großen Schulmeister :-), man spricht erst dann vom Diskurs, wenn man an dem Punkt kommt, wo man sich gerade nicht mehr versteht. Diesen Punkt beim Thema „Bildung“ zu erreichen ist nicht schwer, zu verschieden sind die Erwartungen an diesen genuin deutschen Begriff mit seinen metaphysischen Implikationen. Dennoch: Ich halte gerade dieses schwerfällige deutsche „Ideal“ für fruchtbar, weil man sich daran reibt, weil es durch die Realität nicht eingeholt werden kann, weil es wegen seines Status (Ideal) immer „Maßstab für zu Messendes bleiben muss“ ( Heintel & Krainer).
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BA-Arbeiten

Gestern und heute hat es sich ergeben, dass ein paar Studenten bei mir eine BA-Arbeit schreiben wollen (da ich immer noch an der Professur mitarbeite, kann ich die Arbeiten co-betreuen). Im Kern interessiert uns, wie narrative Elemente in kurzen E-Learning Einheiten gestaltet sein müssen, damit Akzeptanz, Wissensaufbau und Transferleistung beim Nutzer wahrscheinlich werden. Eingrenzende Stichworte zur Thematik sind: Gesundheitskommunikation, microlearning, Narration. In einem eher allgemeinen Teil sollen Qualitätskriterien für den Einsatz solcher narrativen Elemente entstehen. Auf einer praktischen Ebene wollen wir "prüfen", ob es uns in den Modulen betacare und Patientenvorsorge gelungen ist, diese Kriterien umzusetzen. Der Hintergrund der ganzen Übung ist, dass gerade im Gesundheitsbereich "viele Worte" und auch "gute Texte" nicht ausreichen, Menschen zu einer Einstellungsänderung bzw. Verhaltensänderung zu bewegen. Ich glaube, dass der narrative Ansatz hier ein großes Potential birgt. Nicht umsonst lassen sich die Wurzeln bis zur klinischen Psychologie zurück verfolgen, wo man mit ähnlichen hartnäckigen Problemen zu tun hat. Ebenso scheint mir das Format des Microlearnings – also relativ kurzweilige "Einschübe" – geeignet zu sein, um das medizinische, aber auch das pharmazeutische Fachpersonal zu schulen. Damit schafft man schließlich ein Angebot, dass das Lernen "en passant" fördert.

Wiss. Interesse

Seit einiger Zeit bewege ich mich (aber eher beruflich) im Umfeld der Gesundheitspädagogik. Dieses von der Pädagogik vernachlässigte Feld interessiert mich nun auch wissenschaftlich, gerade unter dem Fokus der virtuellen Weiterbildung. Das Feld ist aber unter dieser Perspektive immer noch zu weit und wenig griffig. Was mich besonders interessiert ist das Thema "Einstellungsänderung" und zwar durch den Einsatz von Geschichten & Analogien oder dem Narrativen generell. Das ist sicher in diesem Feld eine spannende Sache, weil man ja mit einer Informationensvermittlung im klassischen Sinne nicht weiter kommt. Als erste Annäherung an das Thema Gesundheitspädagogik habe ich das Buch von Elisabeth Zwick (Gesundheitspädagogik) gelesen. Obwohl ich einige wichtige Einsichten mitnehme konnte mich das Buch nicht weiter begeistern. Der Schwerpunkt liegt auf der Legitimation und Explikation einer eigenen Gesundheistpädagogik aus den Wurzeln der Pädagogik. Ich werde es für Überlegungen zur wissenschaftstheoretischen Einordnung brauchen können. Ganz neu erschienen (und es liegt nei mir auf dem Schreibtisch) ist das Buch von Johanne Pundt (Professionalisierung im Gesundheitswesen). Nach einer ersten Durchsicht vermisse ich aber eines: das Thema E-Learning. Nun gut, ich werde es erstmal lesen. Wer sich eine (erste) Vorstellung von dem machen möchte, was ich mit "Einstellungsänderung" und "Einsatz des Narrativen" meine, der kann sich unseren Comicfilm auf der Seite des betanets ansehen. Hier geht es direkt zum Programm: Grundlagen der Patientenvorsorge (siehe Film)

Vereinssitzung

Morgen kommen alle Gründungsmitglieder unseres Vereins Ökonomie und Bildung e.V. in München beim ISF zusammen. Die Agenda steht: Symposium 2005 in Pöcking; Aktionen in 2006, Fragen rund im die Mitglieder (Aufnahme und Vorstand) und das Finanzthema. Für 2006 bin ich recht zuversichtlich: wir planen gemeinsam mit einer Unternehmensberatung, der Universität Augsburg und evtl. dem Controllingverband ein Symposium zum Thema "Controlling und Bildung" (Arbeitstitel). Zudem werden wir, hoffentlich noch im April unsere DVD zum Verlag schicken können, auf der das Symposium 2005 "Wirtschaft(s)macht Schule" dokumentiert ist und auf der es noch weiterführhrende Materialien zum Schnittfeld "Wirtschaft und Schule" gibt.

Patientenvorsorge

Vor ca. 1 Woche haben wir unser erstens "beta" Produkt in den Markt bringen können. 56.000 sog. Einleger sind in die Zeitschrift Arzt Praxis eingebunden worden. Nun bin ich mal gespannt, welche Ressonancen wir erzeugen können. Mit dem Ergebnis bin ich selbst zufrieden; mehr geht einfach nicht, zummal in der kurzen Zeit. In Kürze wird im betanet eine Version für interessierte Laien erschienen, die Barmer Kasse wird in ihrem Informationsblatt darauf hinweisen.

Learntec – Messegefühle

Am Donnerstag war ich auf der Learntec. Habe mir eine „Armenkarte“ gezogen, konnte mich also nur im Messebereich bewegen; für den Kongressbereich muss man das 10-fache bezahlen. Unglaublich! Exklusionstechniken auf einer Bildungsmesse! Aber das ist ein weites Feld … Gabi hat ja dieses Thema aufgegriffen. So, was war also auf der Messe? Ich bin deshalb hingegangen, weil dort ein neuer Bereich eröffnet wurde, health care, vom Ansatz sehr interessant, für mich wissenschaftlich wie beruflich. Hier wurde das große Thema „Weiterbildung im Gesundheitsbereich“ angesprochen, aber auch Themen wie Marketing und CRM, was für Pharmafirmen spannend ist. Die große Einsicht des Tages: viele Entwicklungen im medizinischen e-learning werden vom Marketing und vom Vertrieb aus angestoßen und gefördert. So hat man z.B. im Bereich medizinischer Großgeräte eine Echtzeitsimulation deshalb aufgebaut, weil sich so die Geräte besser verkaufen lassen. Jetzt entdeckt man quasi in der Nachlese, dass man mit dem Simulationsprogramm & eigenem Eingabegerät bestens Mitarbeiter Schulen kann. Interessant war auch, dass ein Vertreter von doccheck davon berichten konnte, dass Ärzte ein wikiweb betreiben. Vor dem Hintergrund der unwürdigen CME „Zwangsjacke“ scheint mir das ein innovativer Weg der medizinischen Fortbildung zu sein – hier sollte man Weiterdenken, da dieser Weg den natürlichen Wissensdurst der Ärzte nicht zerstört. Am meisten habe ich mich aber über das Treffen mit Herrn Dr. Stosiek gefreut, der ein (Überblicks-)Referat zum Thema „Gesundheitspädagogik“ (i.w.S.) gegeben hat. Ich konnte mich mit Ihm hinter her noch etwas unterhalten. Er hat viele spannende (Quer-)Gedanken, die aber recht konkret und geerdet sind. Ohnehin hat Herr Stosiek schon mit Gabi Kontakt aufgenommen. Vielleicht ergibt sich ja hier ein gemeinsamer Weg. Uns sonst?? Ich bin definitiv kein Messemensch, all die Krawattemenschen in dunklen Anzügen und die überdurchschnittlichen netten Mädels hinter den Ständen – das Ganze hat marktschreierischen Charakter – bin da aber auch ein undankbarer Gast. Dennoch bin ich über alle drei Hallen geschlendert, vorbei an vielen full-service Agenturen, die „alles können“ an unglaublich groß aufgestellten FH-Ständen und eben an den Großen der Branche, Telekom & co. Was habe ich gelernt? Hmmm, das Thema „Weiterbildung“ erzeugt große Resonanzen, was man allein an der Größe der Messe ablesen konnte, das Thema Gesundheit geht in Richtung Megatrend, weil demographische und strukturelle Faktoren diesen erzwingen und die Bedeutung eines guten Contentdesigns wird zunehmend erkannt. Soweit.