Zwischenstopp

Vor ein paar Tagen hatte ich Gelegenheit, kurz mit Tobias und Christian über meinen letzten Blogeintrag „Wir nennen es Arbeit“ zu sprechen. Dafür bin ich dankbar, denn: durch die direkte Rückmeldung habe ich erfahren, dass dieser Beitrag Schwierigkeiten bereitet hat, Schwierigkeiten, die nicht nur durch bestimmte (vielleicht etwas arrogant klingende) Formulierungen hervorgerufen wurden, sondern auch in der Sache begründet waren, z.B. zu meiner recht düsteren Einschätzung der Jobchancen an der Uni.

Mit Christian habe ich dann länger (etwas losgelöst vom genannten Beitrag) darüber gesprochen, welchen Charakter Blogbeiträge denn generell haben sollen. Natürlich kann man hier nichts Allgemeines sagen, logo. Es gibt da verschiedene Mentalitäten, die sich dann auch in der Art der Blogs wieder finden. Ich habe mich dann noch mal gefragt, was ich denn mit meinen Beiträgen will, was sie mir bringen sollen. Ja, warum schreibe ich also diese Dinger? Ziehen wir mal ein nicht geringes Maß an Selbstdarstellungsbedürfnis J ab, dann möchte ich mit den Beiträgen (so viele sind es ja nicht) Dinge mitteilen, die mich persönlich bewegen, über die ich mehr als 10 Sekunden am Tag nachdenke, Dinge von denen ich meine, dass Dritte ggf. auch Interesse daran haben oder haben sollten, … ja ein politisches Moment schwingt wohl mit. Aber es sind auch Dinge, die mir selber noch nicht so ganz klar sind, mit denen ich selber schwanger gehe, die noch nicht reif bzw. spruchreif sind. Ja und genau dies ist der Punkt, wo sich die Geister scheiden: während die Einen ihre Gedanken erst dann öffentlich machen wollen, wenn sie tiefer durchdrungen sind, stelle ich sie etwas voreilig, manchmal eher assoziativ ins Netz. Das hat einen Grund: ich denke, das ein Weblog eine Art „Denkhilfe“ ist – für mich jedenfalls. Ich nutze den entschleunigenden Effekt des Niederschreibens, dadurch wird manches geordneter. Wenn ich es dann ins Netz hochlade – nicht immer mit ganz gutem Gefühl – dann habe ich den naiven Glauben, dass einige Leser (ein zwei lesen es ja doch), einfach mal etwas dazu sagen. Nach dem Motto: „Junge, das geht ja gar nicht“ oder „Dieser Gedanke ist interessant, der andere zu dünn, zu leichtfertig“ … wie auch immer. Ich denke, ein Weblog ist ein Raum, in dem man unfertige Gedanken formulieren kann, die dann mit Hilfe einiger Leser und Kommentare vielleicht etwas an Reife gewinnen. Meinem ersten Weblog habe ich daher den Untertitel gegeben „Vorhof zum rationalen Denken“, was wohl doch etwas übers Ziel hinausschießt.

Ich will daher an meiner Linie festhalten, d.h. versuchen, etwas Essayhaftes mit etwas Provokation zu mixen. Man möge mir verzeihen, wenn es hin und wieder arrogant klingt, aber das sind dann wohl eher Schutzbemühungen. Und wenn ich durch diese lustigen Zeichen (g,j,x,p) am anderen Ende der Leitung jemanden ärgere, dann ist das ein sicherer Hinweis dafür, dass sich was tut. Und DASS sich was beim anderen tut, das finde ich erstmal toll … weil es ein Anfang ist.

Wir nennen es Arbeit …

Alex hat mir den Text „Lehre zum Spottpreis“ zugespielt. In diesem Artikel geht es darum, dass an deutschen Universitäten Lehrbeauftragte wenig bis kein Geld für ihre Arbeit bekommen. In Kürze: arbeiten ohne Lohn. Wir hatten das Thema schon einmal angesprochen. Nun …ich kann zunächst all das Wehklagen der Betroffenen nachvollziehen, die dort sagen, dass diese Situation „untragbar“ ist. Die Argumente dafür sind vielschichtig: man beruft sich auf den Standpunkt, dass Arbeit an sich einen Wert hat und bezahlt werden müsse (ideologischer Aspekt); man sagt, dass die Arbeit der Lehrbeauftragten ein nicht unwesentlicher Pfeiler in der universitären Lehre ist (funktionaler Aspekt); man sagt, dass es ein gutes Recht von wissenschaftlich interessierten und fähigen Menschen ist, im universitären Raum eine irgendwie angemessene Bezahlung zu bekommen (rechtsliberaler Aspekt). Diese Liste ließe sich fortsetzen und für die „alte“ Universität gelten die Argumente alle, … irgendwie.

Die „neue“ Universität des 21. Jahrhunderts aber – man denkt dabei komischer Weise an eine Art Erstarkung – ist eine Universität der Notlage. Ich denke dabei an die Notlage der Finanzen, aber auch an die Notlage der Ideen (mit Notlagen umzugehen).

* Die finanzielle Notlage hat dazu geführt, dass der Mittelbau – also jener Teil in der Universität, der einen Großteil der Lehre zu stemmen hatte – in den Ruhestand geschickt wurde. Diese klaffende Lücke füllt man nun mit willigen Lehrbeauftragen, die für kleines Geld einspringen. Die Motive sind unterschiedlich: CV-Optimierer, Patchworker, Idealisten. Aus einer kurzsichtigen ökonomischen Perspektive heraus ist das prima: die Personalkosten sind um den Faktor x in den Keller gefallen, das Sparpotential wird in die renditetaugliche Forschung gesteckt und die Lehre – das fünfte Rad am Wagen – läuft … irgendwie. Mit den Studiengebühren wird sich das etwas verändern, die Kundenorientierung sorgt dafür, dass nur noch „gute“ Lehrbeauftragte ihren Dienst tun werden.
* Die Notlage der Ideen ist gerade in Deutschland sehr krass und sie hängt unmittelbar mit dem Thema Lehre zusammen. Wir tun immer noch so, als ob die Universität und damit der Staat das Problem selber lösen könnte. Aus dieser Richtung wird aber nichts kommen, hier und da mal ein paar Millionen „Anschub & Sonderprogramm“, aber nix Nachhaltiges. Denkbar wäre hier, die Lehre viel systematischer mit Institutionen außerhalb der Uni zu vernetzen: Industrie, NGO, Kammern etc. Ich höre die Gegenargumente: Einflussnahme, platte Nutzenorientierung etc. Aber das muss nicht sein, nicht zwingend, hier ist ökonomisch aufgeklärte didaktische Kreativität gefordert (eine lustige Wortfolge). Zumindest haben wir das mal für unseren Studiengang beispielhaft durchgespielt. Die Grundidee ist: Verbinde komplexe Problemlösemechanismen mit Anwendungsbeispielen aus der Praxis. Erarbeite Lösungen für die Praxis UND erarbeite Generalisierungen der Problemlösungen.

Aber diesen Aspekt will ich hier gar nicht weiter vertiefen. Mich hat der o.g. Artikel auch etwas geärgert. Mich ärgert das Gejammer, ja das Gejammer junger Menschen, die für sich reklamieren, intelligent zu sein (jeder natürlich auf seine Art und in seinem Fach). Was machen all diese Intelligenzen: sie klagen und schimpfen, bis zur Verweigerung oder Aufgabe. HA! DAS IST NICHT INTELLIGENT, WEIL ES NICHT FUNKTIONIERT, weil diese Verhalten zu nichts führt. Zwei Wege sind denkbar:

(1) Wenn man unterstellt, dass die Tätigkeit der Lehrbeauftragten in Deutschland so enorm wichtig ist, dann muss man das zeigen! Es nutzt nichts, wenn einer sagt, ihr könnt mich mal. ALLE müssen zu einem Zeitpunkt x aussteigen – also der klassische Streikansatz mit Gewerkschaftslogik. Aufmerksamkeit erzielt man nur, wenn man das System hinreichend stört, Störung muss koordiniert werden. Das mag zwar individuell irrational sein (Job verlieren), ist aber kollektiv sehr rational (und wenn es klappt, natürlich mit positiven Effekten für den einzelnen Lehrbeauftragten.

(2) Niemand kann mir erzählen, dass er von seinem Lohn als Lehrbeauftragter lebt, das wäre ein Anspruch, der unvernünftig wäre. Ich wünsche mir auch, dass ich mit 2 Tagen Arbeit meinen Lebensunterhalt verdienen kann, geht aber nicht. Von daher ist es logisch, dass jeder, der an der Universität u.a. Lehre macht, einen oder mehreren weiteren Tätigkeiten (Beruf?) nachgeht. „Uni“ ist dann so etwas wie persönliche Weiterbildung mit einer symbolischen UND finanziellen Anerkennung. Symbolische Anerkennung???? Ja! Höhere Beweggründe, soziales Kapital, Respektnetzwerke, Vitamin B. All das sind Begriffe für eine neue Währung in einem neuen Spiel – das (zumindest teilweise) funktioniert, … wie Holm Friede und Sascha Lobo in ihren Buch „Wir nennen es Arbeit : die digitale Bohème oder Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung “ postulieren.

Ich weiß, auch diese verlockenden Andeutungen bergen Fallen und es ist an vielen Stellen nur „angedacht“. Für mich ist die Wendung „Jenseits der Festanstellung“ eine positive Antwort, überhaupt eine Antwortperspektive in einer kritischen Übergangszeit, in der sich nicht nur die Universität, sondern auch die Lehr-„beauftragten“ neu erfinden müssen. In jedem Fall gilt: Die aus einer arbeitsteiligen Industrielogik heraus entstandenen Monsterbegriffe (Fragmente), wie z.B. einen „Lehrbeauftragten für besondere Aufgaben“ und den dahinter stehenden Anforderungsprofilen, müssen neuen Formen einer multiplen Arbeit bzw. Erwerbsauffassung weichen, die das offene Zusammenspiel von Technologie, Kultur, Politik, sozialem Wandel Rechnung tragen. Die Universität ist sicher der letzte Ort, an dem man „sicher unter kommen“ kann. Wer das will, der sollte zu BMW gehen, … habe ich mir sagen lassen.

Sport ist „Mord“

Mehr durch Zufall bin ich vorgestern durch eine Diskussion zum Thema „Videospiele und Gewaltästhetik“ (angestoßen durch Alex und fortgesetzt durch Basti) wieder auf den Zusammenhang von Sport und Ästhetik gestoßen. In den Jahren 1998/1999 habe ich mich mit diesen Thema beschäftigt und hierzu intensiver die Werke von Sven Güldenpfennig (Kunst oder Leben) studiert. Im Kern geht es da um die Frage, was Sport „ist“, also um eine kultursoziologische Definition von Sport.

Aktuell wird diese Diskussion von Herrn Tiedemann von der Uni Hamburg aufgegriffen. Er versucht dazu eine Art Rekonstruktion der Definitions-Anläufe von den 70ern bis in die Gegenwart. Ich bin an der Stelle hängen geblieben, an der er auf das Papier des wiss. Beirats des Deutschen Sportbundes hinweißt. Auch dieser kommt (ähnlich wie andere führende Autoren der Sportwissenschaft, z.B. Röthing, Grupe, Krüger) zum Schluss: Beschreibung des Begriffs ‚Sports’, die darauf zielen, den Termikus sachlich festzulegen oder in ein eng umrissenes Klassifikationssystem einzuordnen, erschienen auf Grund seiner Bedeutungsvielfalt wenig sinnvoll. Der wiss. Beirat plädiert also, so muss man folgern, für eine offene, man kann auch sagen beliebige Sportdefinition, macht dafür letztlich begriffstheoretische/ definitionstechnische Schwierigkeiten verantwortlich. Tiedemann vermutet hier aber ein politisch- ökonomisches, eher pragmatisches Kalkül, denn wenn der Beirat eine enge Definition hervorbringen würde, dann hätte sich der DSB, als Dachverband aller Fachverbände, freiwillig um seine Mitglieder gebracht (Angeln und Schach wären bei einer engen Sportdefinition kein Sport).

Wie oben erwähnt, hat Güdenpfennig 1996/1997 spätestens 2001 einen sportsoziologisch anspruchsvollen Definitionsversuch angeboten: Sport ist selbstzweckhafte, schwerpunktmäßig im Medium körperlicher Bewegung vollzogene Eigenleistung, in der es um Anerkennung, Setzung und Austestung von Grenzen geht, wobei die freiwillig vereinbarte Auseinandersetzung zwischen gegnerischen Parteien der (in bestimmter Weise durchaus rücksichtslosen und nicht hilfsbereiten) Erreichung dieser individuell gesetzten Ziele dient und zugleich die Erzeugung des Wettkampfs als eines ästhetischen ‚Werkes‘ ermöglicht. Das ist natürlich harter Tobak, sicher recht voraussetzungsreich, wegen der Begriffe „selbstzweckhaft“, „Grenze“, „Eigenleistung“, „ästhetisches Werk“. Insbesondere die Interpretation zur Ästhetik ist spannend, aber auch sehr streitbar.

Mir kommen all die Fragen auch deshalb in den Sinn, weil wir evtl. ein Projekt „E-Learning im Sport“ angehen können. Zwar werden diese Definitionen in den Verbänden pragmatischer gehandhabt, aber letztlich ist es auch hier entscheidend, was für eine Kernvorstellung man vom Sport hat, welche Sinnelemente damit eingeschlossen sind und welche man ausschließen muss (hier die Diskussion zum Leistungssport & Breitensport). Ich glaube zwar nicht, dass man in den Verbänden mit dem Begriff „Ästhetik“ weiter kommt, aber vielleicht gehen ja auch hier die Diskussionen in Richtung „Sport und Bewegungskultur “, wie Tiedemann es andeutet – mal sehen was sich da noch tut. Mir wird auf jeden Fall immer bewusster, wie eng die Verzahnung zwischen dem politischen Sport (der Verbände) und der Sportwissenschaft in Deutschland ist. Man muss sich fragen, ob diese Ehe mehr Synergien oder Defekte hervorbringt, jedenfalls sind solche Schnittstellen, z.B. personal vertreten durch August Kirsch (Sammlung), Orte „hoher Energie“.

Studenteninitiativen

Aktuell habe ich einen kleinen (virtuellen) Austausch mit Tobias Jenert zum Thema Studenteninitiativen und zwar im Forum von von Ökonomie und Bildung e.V. Wir reiben uns etwas und zwar beim Punkt, inwieweit die Förderung nach Integration von Studentenprojekten in die BA-Struktur realistisch ist. Hier müssen wir noch viel Hirnschmals (und ich glaube nicht nur das) reinstecken, denn die Spielräume sind eng … zumindest in der jetzig Spielart der BA-Architektur. Synergien sind gefragt, aber das ist ja so eine Sache mit diesen voraussetzungsreichen und stratosphärischen Begriffen … gelebt wird im Konkreten.

Disziplinen müssen sich disziplinieren und …

Gestern waren Christian und ich in Heidelberg, wo das erste Arbeitstreffen zum EU Paedimed-Projekt stattgefunden hat. Gabi konnte leider nicht dabei sein, weil sie an der Uni Prüfungen hatte – aus mehreren Gründen schade! Was war also los: Nach einem lecker Abendessen haben wir noch die Heidelberger Altstadt besichtigt, Schloss und Brücke, danach, wir kennen das, wurde „Grundsätzliches besprochen“. Am nächsten Tag haben wir uns im Institut für Arbeits- und Sozialmedizin getroffen. Anwesend waren Arbeitsmediziner (u.a. Onkologen, Dermatologen), Gesundheitswissenschaftler, Berufs- und Medienpädagogen. Bei diesem Projekt geht es ja – das ist mein derzeitiges Mentalmodell – um die Entwicklung einer Lernumgebung zum Thema Empowerment (salutogenitscher Gesundheitsbegriff). Thematische Aufhänger zu diesem Leitthema sollen aus dem Bereich Dermatologie kommen, wie z.B. das Themenfeld „sexuell übertragbare Krankheiten“. Das Ganze soll dann an Schulen aus Deutschland, Italien und Rumänien implementiert werden und zwar nach einem Blended-Learning-Ansatz mit der Zielgruppe Lehrer, Schüler und beteiligte (Schul)-Ärzte. Am Ende könnte eine Art Projektwoche stehen, für die eine Onlineumgebung, Kick-off-Materialien und ein Ablaufkonzept (+ evtl. Train-The-Trainer Konzept) bereitgestellt werden. So ein allererster Rahmen, auf den wir uns geeinigt haben.

Aber darum geht es hier nicht: Spannend war für mich das Zusammentreffen der Fachdisziplinen selbst und hier die Einsicht, dass wir an einer gemeinsamen INHALTLICHEN Zielvorstellung arbeiten müssen. Einerseits sind unterschiedliche Erwartungen/Vorstellungen/Sprachen für ein Erstreffen vollkommen normal, wahrscheinlich. Andererseits ist es sehr interessant, was Mediziner als bedeutsam erachten und was wir Pädagogen als bedeutsam erachten – bei einer ähnlichen Zielvorstellung versteht sich. Die einen rücken die Fachtexte ins Zentrum, bei den anderen gilt das Primat der Didaktik. Wir kommen wahrscheinlich nicht weiter, wenn wir danach fragen, was für uns selber das Wichtigste ist, jeder sieht das, was er gewohnt ist zu sehen, für Experten gilt das zweimal. Für mich ist die Frage entscheidend, worauf hin wir unsere (interdisziplinäre) Arbeit hin integrieren wollen, was also der Zweck ist. Und der Zweck wird im Wesentlichen von der Zielgruppe her definiert , also von den Schülern, Lehrern und den beteiligten Ärzten vor Ort. Und wahrscheinlich ist genau diese Nachfrageorientierung der Schlüssel dafür, wie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit (in diesem Fall) aussehen kann, wer also welche Inhalte, in welcher Bearbeitungstiefe bereitstellt und wer für den „Produktcharakter“ letztlich verantwortlich ist. An der Deutschen Sporthochschule in Köln hat mich die Herausforderung „Interdisziplinarität“ schon einmal beschäftigt. Ich hatte damals den Eindruck, dass (trotz guter institutioneller Voraussetzungen), kein echter Wille an so einer Zusammenarbeit vorhanden war – das Etikett reichte. Innerhalb einer Disziplin liegt eben nicht der Schlüssel (und der Anreiz) für Interdisziplinarität. Entweder kommt dieser von „weisen“ Wissenschaftlern/innen, die den Horizont und damit die Grenzen des eigenen Tuns mitdenken und von daher kooperieren, was zu selten vorkommt oder, der andere Weg, die Disziplinen müssen sich über eine äußere Kraft (Nachfrage Dritter), disziplinieren. Disziplinen müssen sich disziplinieren, ja das hört sich gut an :-).

Dennis Linder, ein Mitglied des Consortiums aus Italien, hat mir freundlicherweise beim Abendessen eine Buchempfehlung gegeben: Knock oder Der Triumph der Medizin. Ich habe das Gefühl, dass dieses Buch mit den oben gemeinten „Einkapselungen“ und den dadurch hervorgerufenen Paradoxien zu tun hat. Aber wahrscheinlich müsste man dann auch ein zweites Buch schreiben: Knock – oder der Triumph der Pädagogik. Ja, am Anfang aller interdisziplinären Zusammenarbeit gehört – glaube ich – so etwas wie eine Satire, ein Schauspiel, das allen Beteiligten den Spiegel vorhält. Nicht um zu strafen, sondern um uns zum Lachen zu bringen – über uns selbst. Damit machen wir unsere hochheiligen Inhalte und Methoden nicht lächerlich, sondern wir können unverkrampfter mit den selbstgesetzten Grenzen umgehen. „Echte“ Interdisziplinarität ist vor diesem Hintergrund (Selbst-)Neufindung, jedenfalls Relativierung eingefahrener An- und Einsichten. Eine Satire zur Zusammenkunft von Medizin und Pädagogik wäre eine spannende Herausforderung und vielleicht eine der besten Investitionen in die gemeinsame Zukunft.

Mitarbeit im EU-Projekt paedimed

Am 19. Oktober starte für uns das EU-Projekt paedimed (Medizin und Pädagogik), bei dem die Ghostthinker-Gruppe konzeptionell im Bereich Didaktik/ Medientechnik mitwirken darf. Genauer geht es darum, mit unterschiedlichen Partnern aus der Medizin (Dermatologie, Klinische Sozialmedizin, u.a.) und der Pädagogik (Medienpädagogik, Gesundheitspädagogik u.a.) Maßnahmen zur hautbezogenen Gesundheitsförderung/ Gesundheitsbildung in Schulen und an Arbeitsplatz zu entwickeln, diese umzusetzen und zu evaluieren. Koordiniert wird das Projekt von der Universität Heidelberg . Eine erste Partnerübersicht und Zielformulierung gibt es hier.

Narrationen im E-Learning

Ich beschäftige mich gerade intensiver mit dem Thema Narration, also mit erzählerischen Darstellungsmitteln im Rahmen der Gesundheitsbildung. Ganz konkret geht es (im MOment) darum, einen 3min (interaktiven) Lehrfilm zu entwicklen, der mit narrativen Mitteln arbeitet und den man z.B. in Ärztpraxen (=> Beratungsecke) einsetzen kann. Bisher bin ich bei der Literatur nicht gerade fündig geworden. Leuchtende Ausnahme ist das "Drehbuch zum Drehbuch" von Albert Heiser. Das Thema wird ja gerade erst – es hat den Anschein – vom E-Learning entdeckt, Z.B. die Tagung "Narrative and interactive learning environment". Eher allgemein zur Narratologie finden sich bei der Hamburger Forschergruppe gute Beiträge.

GMW Tagung 2006 & Fachdidaktik

Wenn man von einer Tagung nach Hause fährt, dann gehen einem so manche Bilder und Gedanken durch den Kopf. Neben den vielen interessanten Angeboten auf der GMW-Tagung ist mir aber ein ganz bestimmter Vortrag in fester Erinnerung und zwar der von Alain Schorderet , der über den Zusammenhang von Gedichten und E-learning gesprochen hat. Als einer der Wenigen hat sich Alain bei seinem Referat primär und mit voller Leidenschaft dem Gegenstand seines Faches gewidmet, also dem WAS! Zunächst hat er uns mit Takt und Melodie ein französisches Gedicht vorgelesen und dieses dann auf Deutsch übersetzt – das hat allein 15 min gedauert … der reine Luxus für einen 30 min Vortrag, zumal auf einer Tagung, bei der die neuen Medien im Zentrum stehen. Dann hat er uns gezeigt, wie man Studenten dabei helfen kann, die komplexen Analyseschritte bei einer Gedichtsinterpretation mit Hilfe eines Wikisystems durchzuführen. Der Schwerpunkt der Argumentation lag auch hier auf dem WAS, also auf den Analysegegenstand, z.B. welche rhetorischen Figuren verwendet werden, welche semantischen Regeln zugrunde liegen etc. Eher nebenbei und nachrangig hat Alain das Wiki beschrieben, mit der er diese Analyseprozesse im virtuellen Raum unterstützt. Zwar bin ich wie Christian davon begeistert, das guter Unterricht mit so einfachen (technischen) Mitteln möglich ist. Doch das ist nicht der Grund, warum mich dieser Vortrag bewegt. Vielmehr wurde mir durch diesen Vortrag (wieder) klar, wie wertvoll die fachdidaktische Perspektive auch und gerade im E-Learning ist, eine Perspektive, die wir im Zuge unserer E-Learningbemühungen (zunehmend) aus dem Auge verlieren. Hierfür sehe ich zwei Gründe:

* Erstens treiben uns die BA- und MA-Strukturen in den Sozial- und Geisteswissenschaften und die damit verbundene Forderung nach (inhaltsneutralen) Schlüsselkompetenzen tendenziell weg von den Inhalten. Gerade in Fächern, die sich schwerlich über ihren Nutzen für den Arbeitmarkt legitimieren lassen, weicht man immer mehr in Richtung dieser Schlüsselkompetenzen aus. Aber: Wer stricken will, braucht Wolle, und es ist primär die Wolle, die ein Fach und seine Didaktik ausmachen.
* Zweitens besteht gegenwärtig (wieder) ein wissenschaftliches Interesse daran (z.B. Peter Baumgartner) eine Taxonomie, also ein allgemeines Ordnungsraster für Objekte und Prozesse der Didaktik zu entwickeln. Baumgartner sieht innerhalb seiner „Information Objects“ keine Notwendigkeit, eine fachdidaktische Perspektive einzuführen. Er betont hingegen, dass seine Taxonomie gegenüber fachspezifischen Inhalten neutral sein muss (S. 240, GMW Band 38 oder hier S. 3) – eine Folge, wie ich meine, des Verallgemeinerungsimperativs von Taxonomien. Die fachdidaktische Perspektive führt er erst nachrangig in den Prozess des „Exports“ ein, d.h. bei der Prozessierung seines Repositoriums (= Aktenschrank der Informationsobjekte und Didaktische Szenarien), und zwar in der Didaktischen Szene. Genau hier sehe ich das Problem: eine E-Learning Didaktik muss doch das Besondere des zu vermittelnden Gegenstands ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen, sie muss bei den Qualitäten der sog. „information objects“ (IO) so unterschiedlicher Disziplinen wie Mathematik, Kunst, Technik unterscheiden! Eine Fachdidaktik muss diese Informationsobjekte nach einer je eigenen Logik zusammenbauen und sie muss hierzu spezifische Content-Designideen integrieren. In einer Art Wechselbeziehung zum Informationobjekt-Design muss sie eigene Pfade der Vermittlungs- oder Konstruktionsdidaktik finden (siehe hierzu die Unterscheidung von Inhalts- und Aufgabendesign in Gabis Buch). Von diesem Punkt aus betrachtet, habe ich prinzipielle Zweifel am Vorgehen hin zu einer Taxonomie, denn: der Praktiker, der Lehrer, für den diese Taxonomie als „kreativer Schlüssel“ gedacht ist, dieser sieht das didaktische Problem aus der Perspektive seines Faches und damit primär vom Gegenstand aus. Ich weiß nicht, ob dieser mit (allgemeinen) didaktischen Szenarien – so detailliert sie auch beschrieben sein mögen – etwas anfangen kann. Die theoretische Herausforderung (will sie denn auch praktisch sein) besteht für mich darin, wie man die fachdidaktische Perspektive in eine allgemein didaktische Perspektive – meinetwegen in Form einer Taxonomie – hinein projizieren kann.

Generell weiß ich nicht, ob ein analytisches Verfahren mit einer fast atomistischen Aufgliederung in IO, DS etc. sinnvoll ist. Alternativ würde ich nach der „funktionellen Einheit der Didaktik“ fragen analog zur funktionellen Einheit im Organismus, also die Zelle. In dieser biologischen Perspektive sind Objekte und Prozesse zusammengedacht und zwar bezogen auf die nächst höhere (Funktions-)Ebene. Kann man sich hiervon anregen lassen? Zumindest aber muss man in eine analytisch-deskriptive Darstellung sog. „Views“ einführen also integrierte (problemlösende) Sichtweisen, die sich von einem bestimmten Standpunkt x, z.B. eines Lehrers für Kunstgeschichte, ergeben und die konkrete Handlungsschritte bzw. Entscheidungshilfen nahe legen.

ZfPäd wird 50 Jahre alt

Auf der Suche nach gereviewten (deutsprachigen) Zeitschriften für erziehungswisenschaftliche bzw. pädagogische Themen, bin ich bei der Zeitschrift für Pädagogik hängen geblieben. Da die Zeitschrift ihr 50-jähriges Bestehen feiert, geben die Herren Tenorth und Oelkers einen kurzen Abriss zur Geschichte der Zeitschrift . Sowas finde ich immer sehr hilfreich, wenn man den Charakter einer Zeitschrift verstehen will. Im letzten Absatz wünschen sie sich für die Zukunft Textbeiträge, die noch die "Denkform der Pädagogik" bereichern und, so schreiben sie weiter, das "Unwahrscheinliche nicht ignorieren". Ich bin davon überzeugt, dass die Zeitschrift mit einer solchen zukunftsoffenen Haltung gerade junge Wissenschaftler begeistern kann. Wer das "Unmögliche möglich machen" will, der ist auch für die nächsten 50 Jahre gut gerüstet. Glückwunsch!