Wissenschaftliche Sportberatung

Wir beschäftigen uns an der Uni ja schon länger mit dem Thema "anwendungsorientierte Forschung". Im Zuge einer Buchvorbereitung "Der Nutzen wird vertagt" von Reinmann und Kahlert (siehe Gabis Blog) habe ich mich der Schriften von Karl Heinz Bette, einem Sportsoziologen, erinnert, der zu diesen Thema gute Sachen geschrieben hat. Vor mir liegt der Artikel "Wissenschaftliche Beratung des Sports: Möglichkeiten, Grenzen und Voraussetzungen". Ich meine, Bette bringt noch einmal eine ganz eigene Perspektive auf das Thema ein, weil er nicht nur die Schwierigkeiten einer Beratung analysiert (vom System Wissenschaft zum System Sportpraxis), sondern auch die FOLGEN einer geglückten Sportberatung mit ins Visier nimmt. Er plädiert für eine reflexive sportwissenschaftliche Beratung, die ihr eigenes Handeln mitbeobachtet und schließlich für eine fruchtbare Distanz zwischen Wissenschaft und Praxis. Ich bin gespannt, ob die Herausgeber den Beitrag aus dem Sport in ihr Konzept einbinden können und wollen.

Evidenz meets Partizipation

Am Dienstag waren wir auf der schon angekündigten Tagung an der Freiburger Universität. Es ging um das Thema „Partizipative Entscheidungsfindung in der Medizin“. Die Vorträge und Diskussionen waren in der Tat sehr interessant. Im Grunde fand man zwei Gruppen: (a) die Einen, denen das Thema Partizipation nicht weit genug geht, die ein „echtes“ Mitspracherecht im Enttscheidungsprozesse einfordern und (b) die Anderen, die sich darum bemühen, das in kontrollierten Studien erworbene, evidenzbasierte Wissen in einer angemessenen, laienverständlichen Form in den Entscheidungsprozess einzubinden. Man merkt schnell: vordergründig geht es Sprachschwierigkeiten, hintergründig geht es um Machtverschiebungen.

Auffällig war, dass vom Gesundheitsbegriff relativ wenig bis gar keine Rede war. Mir selber geht es dabei gar nicht um Definitionsfragen, sondern der Gesundheitsbegriff ist für mich so etwas wie eine Integrationskraft zwischen den doch recht unterschiedlichen Interessen im medizinischen Kontext: es geht um MEINE Gesundheit und dafür braucht man eben medizinisches (globales) Wissen, ebenso wie individuelles (lokales) Wissen. Ja, hinter all dem steckt für mich eben die Grundsatzfrage, ob Partizipation eben auch heißt, eine aus medizinischer Sicht suboptimale Option in Kauf zu nehmen, weil der Patient (trotz tiefer Abwägung) es eben so und nicht anders will. Auch hier noch mal nachgelegt: „medizinisch suboptimal“ ist ja auch nur eine sehr fragmentierte Momentaufnahme. Wenn durch Einbeziehung des Patientenwissens Wege der Gesundung gefunden werden, die aus medizinischer Sicht nicht „evident“ sind, aber sich im Ergebnis als positiv herausstellen, dann ist das doch für beide Seiten gut. Aber eben erst im Ergebnis. Ja und hier springt der Frosch ins Wasser: eine evidenzbasierte Medizin kennt kein Einzelwesen „Mensch“. Die Methode erzwingt allgemeingültiges Wissen durch ein artifizielles Untersuchungsdesign. Auf der einen Seite also das gesicherte Wissen aus systematischen aber ent-individualisierten Studien, auf der anderen Seite der Mensch in seiner individuellen Ganzheit. Wie bringt man das zusammen?

Am Abend haben wir dann noch mit den Kollegen vom Lehrstuhl Härter (Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung) über ein Informationsportal gesprochen und wie man den Gedanken der Partizipation im technischen Bereich umsetzen kann. Neben den vielen Anregungen aus der Tagung nehmen wir aber auch eines mit: wenn man den Patienten helfen will, wenn man ihm also ein nutzbringendes Instrument wie z.B. ein Informationsportal anbieten möchte, dann muss man eine eigene Forschungsstrategie verfolgen, die sich nicht an den engen Grenzen der evidenzbasierten Medizin festklammert. Das methodische Design darf nicht die Intervention bestimmen. Der Weg muss umgekehrt gehen und man muss sich fragen dürfen, mit welchem methodischen Design wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nachhaltige Bildungsinnovationen – und da ist Partizipation systemimmanent – vorantreiben. Zumindest ergeben sich an dieser Stelle sehr spannende Fragen im Austausch zwischen Medizin und Pädagogik. Dabei ist es nicht so wichtig was beide trennt, sondern was beide verbindet: der Nutzen für den Patienten bzw. Lernenden.

Tagung in Freiburg

Morgen sind Christian und ich auf einer – wie es scheint – sehr interessanten Tagung http://patient-als-partner.de/pap2006/Tagung/5tagung.html. Es geht um das Thema „Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen“. Das Ärzteblatt schreibt hierzu:

Das moderne Gesundheitswesen entwickelt sich mehr und mehr weg von einem paternalistischen Verständnis der Arzt-Patienten-Beziehung hin zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit von Arzt und Patient. Begriffe wie „shared decision making“, „partizipative Entscheidungsfindung“ und „Patienten als Partner“ haben sich einen Platz im medizinischen Wortschatz erobert. Durch Einbeziehung der Patienten in medizinische Entscheidungen soll dem Wunsch nach Selbstbestimmung Rechnung getragen. werden.
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/ao.asp?id=43750

Ich bin auch deshalb sehr gespannt, weil wir mit den Veranstaltern bezüglich eines Portals ins Gespräch kommen und der mit dem Projekt verbundene stark partizipative Anspruch sicher für jede Portalkonzeption (Interaktivität) und Contententwicklung (Experten-Laien Kommunikation) eine spannende Herausforderung ist.

Trainerakademie Köln

Gestern war ich zusammen mit Christan Zange an der Trainerakademie Köln. Wir haben dort unsere Überlegungen zum Videobarometer, jetzt eRIS (e-reflection in sports) vorgestellt. Der Ansatz kam gut an und wir suchen jetzt nach Möglichkeiten, einen Piloten zu starten, was mich sehr freut.

Tagung von Petko & Team

In den letzten drei Tagen waren wir auf der Tagung  "Web 2.0 und Schule", die Dominik Petko in der Zentralschweiz organisiert hat. Gut 200 Vertreter waren versammelt, vorwiegend Lehrer, aber eben auch Menschen von Ministerien und Bildungsinstituten sowie Forscher. Ein echter Knaller war das Referat von Beat Döbeli, der sehr kurzweilig und narrativ das Zusammenspiel von Informatikern und Pädagogen illustriert hat … und was das eben alles mit web 2.0 zu tun hat. Das Referat war im Grunde ein gruppentherapeutisches Kunststück  … spring board story à la steven denning :-). Ich bin auf die Effekte gespannt. Sehr interessant war auch noch der Workshop von Herrn Petko, der die Bedeutung von "diskursiver Konvergenzbildung" unterstrich. Insbesondere beim Tagging wird deutlich, wie unterschieidlich Menschen "Sachen" verschlagworten, was ihre mentalen Modelle sichtbar macht. Am Ende war ich noch in einem Workshop von Herrn Moser, einem Mitarbeiter der Petko Truppe, der ein Lerntagebuch vorgestellt hat … auch sehr interessant, wenngleich hier noch keine Erfahrungen zur Implementation vorlagen. Eventuell ergeben sich an dieser Stelle Verknüpfungen zu unserem Onlinebaraometer/SAMB, das man gut mit der Idee des Lerntagebuchs verbinden kann. Zumindest haben wir diese Perspektive einmal gemeinsam angedacht.

Private Blogs

Wir haben uns entscheiden, neben dem Ghostthinker Blog, auch private Blogs zu führen. Ihr findet sie unter http://www.frank-vohle.de/ und http://www.christian-zange.de/. In Kürze gehen wir auch mit einer neuen Ghostthinker Webseite und Blog online. Der GT-Blog soll dann eher gegenstandsnahe Themen aufnehmen – Sphärentrennung halt ;-)

Zurück in die Sportwissenschaft

Mehr durch Zufall bin ich in den letzten Wochen wieder zum Sport, genauer zur Sportwissenschaft, zurück gekommen, der ich vor Jahren einmal "entflogen" bin :-). Vor 10-Tagen war ich auf einer interessanten Tagung an der Sportschule Ruit (Nähe Stuttgart) auf der es um die Frage der Trainerausbildung ging. Trainer, Funktionäre, aber auch Sportwissenschaftler waren da. Neben Kontakten zu Vertretern der Spitzenverbände hat mir besonders der Vortrag von Prof. Digel gefallen, der über eine empirische Studie zu Trainersystemen in der Welt (China, England, USA, Russland etc) gesprochen hat.  Auch der Vortrag von Herrn Peters  (TSG Hoffheim) hat mir gut gefallen, weil er vor dem Hintergrund seiner langjähigen Trainererfahrung die emotionale Kompetenz für sehr bedeutsam hält, was man aus der Perspektive einer eher technologisch orientierten Trainingswissenchaft nicht so erwartet hat… vor allem nicht in dieser Deutlichkeit ;-). Und schließlich: mit Herrn Igel von der Universität des Saarlandes bin ich über das Thema e-learning ins Gespräch gekommen.  Als erstes Ergebnis dieses Gesprächs konnte ich mich noch rechtzeitig  für den 18. dvs-Hochschultag anmelden, um dort in der  Arbeitsgruppe E-Learning und Sport mitzuwirken. Ich bin sehr gespannt und erwartungsfroh.

Neuer Blog

Ja, so ist das, … mal wieder ein Blogwechsel. Christian und ich haben uns entschieden, unsere privaten GT-Blogbeiträge herunter zu nehmen. Die waren für eine GmbH doch arg privat und kulturpessimistisch ;-). Aus diesem Grund wollte ich mein neues (privates ) Blog auch erst "Denkverbot" nennen oder noch schlimmer in einer Erstversion "Es wird Regen geben". Egal, mit Spurensuche bin ich zufrieden und es spiegelt die Intension wieder,  mit meinem Blog  "Spuren"  aufzugreifen und zu dokumentieren – entweder Spuren von Ereignissen in der sog. echten Welt oder einfach Spuren in meinem Kopf. Na dann, es lebe die Freiheit ;-)!

Evaluation zum „Onlinebarometer“

Ich hatte in der Vergangenheit über die Entwicklung zum neuen Onlinebarometer berichtet. Nun ist der Prototyp von SAMB (so der aktuelle Name) soweit fertig. Johannes Metscher hat sich in den letzten Wochen und Monaten intensiv in Rahmen seiner BA Arbeit mit dem Thema auseinander gesetzt, hierzu wie gesagt einen Prototyp entwickelt (im Rahmen eines interdisziplinären Austausches zwischen Medienpädagogen und seiner Zunft) und steht jetzt davor, das alte Onlinebarometer und das neue SAMB hinsichtlich Usebility und Einsatzmotivation zu evaluieren. Es handelt sich dabei um eine Evaluation im Entwicklungsprozess, ganz im Sinne des Design Based Research. Wer Lust hat an der Evaluation teilzunehmen, der sei auf diese URL verwiesen. http://www.studiki.de/FlashEvaluation/ Danke!

Policy … erst der Anfang

Z.Z. behandeln wir innerhalb der Ghostthinker-Gruppe das nicht ganz triviale Thema „Policy“. Das sind Richtlinien für jeden Mitarbeiter, die im engen Sinne die Rechtefrage bei Produktionen, im weiten Sinne die Kulturfrage betreffen. Das Thema ist heikel aber wie ich finde wichtig, zumal wir uns ja als campusnahe Firma verstehen, bei der das forschende Arbeiten eine nicht geringe Rolle spielt – mit entsprechenden Folgen für die Policy. Aber das ist hier nur der Aufhänger für Folgendes…

Wenn Universitäten im Zuge ihrer Modernisierungsbemühungen auf das Pferd „Unternehmertum“ setzen und entsprechende Anreize schaffen, dann ist es nicht verwunderlich, wenn Studenten auch schon innerhalb ihres Studiums an „verwertbare Produkte“ denken oder gar eine eigen Firma gründen. Die Frage, ob dieses Schielen nach der goldenen Zukunft gut ist für jene, die sich den Studien verschrieben haben (ich denke, Eliten tun das, oder??) will ich hier und jetzt nicht stellen und was für eine Person letztlich gut ist weiß ich auch nicht. Ich will darauf hinaus, dass das sog. „unternehmerische Denken und Handeln“ eine ambivalente Formel ist. Ein auf „Geldmachen“ reduzierter Unternehmerbegriff kann !!! das Bewusstsein auf das eigene Ego verengen und damit verliert man mentale Entwicklungschancen, die sich gerade auch im universitären Kontext ergeben sollten. Aus diesem Grunde spricht man ja auch gerne von Entrepreneurship oder gar Entrepreneurship Education, um junge Menschen eben nicht primär mit der Nase auf das Geld, sondern auf die Entdeckung von wertschöpfenden Ressourcenkombinationen zu lenken. Ein solcher Unternehmerbegriff (Entrepreneurship) fokussiert die Frühphase einer Unternehmung (ein schönes Wort), bei der die Problemfindung, der Mut und die Kreativität essentiell sind. Zwar winkt am Horizont ggf. auch hier die Möglichkeit „damit Geld zu machen“, aber das Bewusstsein und das Erleben in solchen Projekten ist doch ein qualitativ anderes.

Man merkt, ich habe noch so etwas wie eine pädagogische Idee der Universität. Ja, das ist wohl so. Seit dem Münchener Kongress der Hans Martin Schleyer Stiftung „Humboldt neu denken “, denke ich darüber nach, was da eigentlich vor sich geht. Auf der einen Seite Sebastian Fiedler , der nicht müde wird, die sog. Ökonomisierung der Universität kritisch auf den Prüfstand zu holen. Auf der anderen Seite z.B. Tom Sporer, der von einem „entrepreneural spirit“ (er meint sicher nicht Geldmacherei, sondern Unternehmergeist) nicht genug bekommen kann.
Ich frage mich: Was für eine IDEE von Universität haben wir heute? Haben wir überhaupt eine Idee, oder eher unkoordinierte Ideenfragmente, ein Konzert von Bruchstücken aus unterschiedlichsten Lagern? Und: denken wir diese Idee nur auf der Ebene der Institutionen oder auch auf der Ebene des Studenten, des Individuums (Autonomiebegriff). Damals in München habe ich mich gefragt, ob der gute Humboldt denn für alles herhalten muss, für die glanzvolle Vergangenheit (Einheit von Forschung und Lehre, allgemeine Bildung, Individualität als Zweck) UND als Gewährsmann für die Zukunft, was ja im „neu denken“ durchaus zum Ausdruck kommt. Also noch mal: was für eine Idee haben wir von universitärer Bildung im 21. Jh. in Deutschland?

Zum Schluss will ich doch noch die eingangs erwähnte Policydebatte aufgreifen: wenn wir im Studium den unternehmerischen Studenten bekommen, wenn wir durch Gründerplattformen und Inkubatoren am Ende des Studiums Gründer hervorbringen und wenn wir im Zuge der Clusterbildung campusnahe arbeitende Ausgründungen wünschen, dann erzeugen wir so etwas wie eine „Gründungspipiline“. Unbeantwortet ist bisher die Frage, nach welcher Entscheidungslogik der Einzelne entlang dieser Pipiline handeln soll, denn er lebt ja im Grunde in zwei Systemen gleichzeitig: in der Logik der Wissenschaft und in der Logik des (Wirtschaft)Marktes. Sicherlich gehören solche Überlegungen auch zu der oben geforderten „Idee“ der Universität. Eine komplexe Aufgabe, die sicherlich zu einem nicht geringen Teil deshalb entstanden ist, weil wir die „Welt“ in die Universität geholt haben.