Auf der Post

Gerade war ich bei der Post, ich musste ein Paket für das BIBB wegbringen. Am Schalter steht ein älterer Mann, der freudestrahlend eine Sammlung von Münzen über den Tisch schiebt und sagt: „Das reicht locker für ein Weißwurstfrühstück, was?“. Der Postbeamte schaut skeptisch: „Das ist ja altes Geld, das sind ja Markstücke und Pfennige, das ist heute nix mehr wert. Das müssen sie bei der Bundesbank abgeben!“ Daraufhin sagt der Alte: „Sicherlich kostet das Porto?!“. Wir schauen uns an und sagen fast gleichzeitig: „Dann wird das mit dem Weißwurstfrühstück nix“. Der Mann lacht, ich auch, … ein guter Tag.

Ein Besuch bei der PH Zürich

Montag und Dienstag war ich mit Gabi an der PH Zürich. Sie hat dort ein abendliches Referat zum persönlichen WM gehalten und am Morgen einen Workshop-Impuls im Rahmen einer internen Dozentefortbildung gegeben (sie hat in ihrem Blog darauf hingewiesen). Solche Ausflüge zu anderen Institutionen sind für mich immer inspirirend, eine Art Mindbreak. Man lernt neue, nette Menschen kennen (z.B. die Herren Moser, Merz) sieht aber auch, dass die Herausforderungen bei der Einführung der digitalen Medien in die Organisationen sehr ähnlich sind. An der PH Zürich kann man das gut unter dem Stichwort „Wissensbasis“ analysieren … dazu im  folgenden ein paar Worte.

Die PH hat sich vor einiger Zeit entschieden eine Wissensbasis aufzubauen, die den Lehrenden bei der Gestaltung des Unterrichts helfen soll. Gemeint ist ein Pool an didaktisch aufbereiteten und hinreichend flexiblen Lernobjekten, d.h. PDF-Texte, E-Learning-Module, Videos, Podcast etc. Diese sollen von den Dozenten entwickelt und in diesen Pool gegeben werden. Ein raviniertes Anrechnungssystem soll diesen Prozess unterstützen.

Vor allem am Dienstag Morgen wurde intensiv über diese Wissensbasis diskutiert. Der Leiter des Projekts, Herr Casper Noetzli, stellte hierzu den aktuellen Stand sehr anschaulich vor. Im Anschluss diskutierten die Bereichsleiter unter Moderation von Herrn Moser die Vor- und Nachteile in einer kleinen Podumsrunde, wobei ein kritisch-konstruktiver Gesamtblick gewollt war. Zu dieser Sicht gehörten folgende, wie ich finde berechtigte, Fragen: (a) Unterstützt eine solche Wissensbasis den Zweck einer genuin pädagogischen Einrichtung? Hier wurde vor allem das Defizit gesehen, dass eine Wissensbasis nicht die Vermittlungskompetenz angehender LehrerInnen unterstützen kann. In der Folge ist fragwürdig, ob es am Ende dem SchülerIn in der Schule zu gute kommt. b) Sind wir auf die Fülle der koordinativen Aufgaben aus Leitungssicht vorbereitet? Brauchen wir ein primär organisationales Konzept, dass die button up Initiativen zusammenhält? c) Wer übernimmt die Verantwortung für die Wissensbasis (deren Aufbau, Nutzung, Pfege, Zweck), wenn die Beteiligten eben nicht wissen, was mit ihren Lernobjekten geschieht? Letzteres wird besonders brisant, wenn man an ein OER-Szenario denkt, bei dem sich auch andere PHs beteiligen. Zusammenfassend: Welchen Sinn, sieht man als Lehrender in der Erstellung solcher Lernobjekte und der Beteiligung am prozess, wenn offene Fragen auf der Unterrichts-, Personal- und Organsiationsebene zu finden sind?

Ich fand die Diskussionsrunde sehr sympathisch, weil die Kernfragen offen und kontrovers angesprochen wurden, weil man um die beste Lösung ringt. Man spürt: Den Beteiligten ist das wichtig! Und der pädagogische Gesamtzweck gerät nicht aus dem Blick.

Im Nachgang habe ich mich gefragt: wie ist es möglich, dass ein so kleines Wort wie „Wissensbasis“ eine ganze Organisation nervös macht? Ich denke, weil damit – wie in den Fragen oben angedeutet – auf jeder Ebene substanzielle  Veränderungen impliziert sind, Änderungen in Richtung Arbeitsroutinen, Kooperationsbedingungen oder pädagogisches Selbstverständniss. Neu ist der organisationale Druck, der die primär pädagogischen Gedanken durch Kontroll-, Standardisierung- und Finanzinteressen zu einem Kompromiss, ggf auch zu einen Widerspruch treiben, wie wir es von der Bolognadiskussion kennen.

Was tun? Ich hatte den Eindruck, dass die oben angesprochenen Bedenken "gefangen" sind in mentalen Vorstellungen, die nicht deutlich genug expliziert wurden. Hier ist für mich die zentrale Frage, ob der Begriff der „Wissensbasis“ ungewollt vieles kaputt macht oder die Aktivitäten in eine falsche Richtung bringt. Was stellen wir uns vor, wenn wir von einer Wissensbasis reden, in der jeder sein Wissen „einfüllen“ soll? Merken sie was? Da steckt schon eine Gefäßmetapher drin. Denken wir bei Wissensbasis unausgesprochen an einen großen See, in der jeder ein Becher Wissen einbringt, in der Hoffnung, dass man dann später einmal darauf segeln kann? Denken wir an einen gemeinsamen Garten, indem jeder Blumen pflanzt, an deren Schönheit man sich dann gemeinsam ergötzen kann oder denken wir (um beim Garten zu bleiben) an Häuser mit Vorgärten, in denen jeder Hausbesitzer seinen Vorgarten schön gestaltet, auf den er/sie stolz ist, den aber auch jeder Spaziergänger betrachten kann. Was mich interssiert sind die impliziten mentalen Modelle, mit denen die Beteiligten den Begriff der Wissensbasis konzeptionieren. In diesem Konzept (See, Gemeinschaftskarten, Vorgarten etc.) sind dann nämlich die Verhaltensweisen und „Bringschulden“ sowie die emotionalen Bewertungen eingespurrt.

Die Beschäftigung mit impliziten mentalen Modellen ist für mich keine akademische Frage, denn: jeder der Veränderungen in Organisationen unterstützen will, der trifft auf diese mentalen Barrieren. Oft diskutiert man heftig in x Arbeitskreisen über die Themen Motivation,  IT-Architektur, Tools,  pädagogische Ziele, Content, also über Dinge, die richtig sind, aber nicht den Kern der persönlichen Einstellungen treffen. Es würde vielleicht eine spannende Diskussion ergeben, wenn man die Beteiligten zu einem Workshop einläd, bei dem es ausschließlich um die Explizierung der eigenen mentale Modelle zum Thema Wissensbasis geht und zwar mit Fokus auf analoge-metaphorische Vorstellungen – neutraler Boden sozusagen. Karin Moser von der Uni Zürich hat hierzu ein gutes Workshopprogramm entwickelt, da kann man sich Anregungen holen.

Deshalb habe ich die Entlassung aus dem Dienst beantragt …

Da niemand mit mir kämpfen will, bleibt mir nur das Opfer. Ich bin nicht „rekrutiert“, sondern berufen worden. Die wichtigste Voraussetzung für meine Berufung aber ist mit dem neuen System in meinen Augen nicht mehr gegeben. Deshalb habe ich die Entlassung aus dem Dienst beantragt. (Zur FAZ-Ausgabe und vollständigen Text).

Marius Reiser ist seit 1991 Professor für Neues Testament am Fachbereich Katholische Theologie der Universität Mainz. Er hat seine Professur niedergelegt, er ist Jahrgang 1954, hat also noch gut 10 Jahre bis zur Emeritierung. Ich bin mir uneins: Bewunderung für einen Mann, der schmerzhafte und mutige Konsequenzen zieht, wo andere (nur) jammern oder lamentieren … oder Mitleid für jemanden, der die Zeichen der Zeit nicht kreativ zu nutzen weiß oder gar Wut, dass jemand durch seinen Abschied die (uniinternen) Interventionsmöglichkeiten aufgibt. Hmm, … man muss über diesen einmaligen Fall nachdenken … 

Das Ganze fällt nicht vom Himmel

Letzte Woche wurde ich vom Herausgeber der online Zeitschrift "info-pakour" gebeten, ein paar Fragen rund um das Thema "interdisziplinäre Lehre an der Universität" zu beantworten. Mir ist das Thema recht wichtig, zumal ich in der eigenen Studienzeit erfahren habe, das (institutioneller) Anspruch und Wirklichkeit nicht immer zusammenlaufen. Als "forschender Unternehmer" – ja, das hört man jetzt immer mehr ;-) – finde ich zudem den Zusammenhang zwischen interdisziplinärer Lehre und möglichen Innovationen außerhalb der Hochschule interessant. Die einfache Formel: Mehr Interdisziplinarität = Mehr Innovation, ist aber mehr als fragwürdig. Wer das "Interview" nachlesen möchte, der sei auf die Seiten des info-pakours – Magazin für digitale Feldarbeit verwiesen.

Das Handwerk der Freiheit: Ein freiwilliger Studentenbeitrag

Gabi hatte mir vor einiger Zeit das Buch „Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens” von Peter Biere geschenkt. Leider war ich noch nicht soweit und ich habe es im Schrank stehen lassen :-(. Ich bin der festen Überzeugung: Gewichtige Bücher suchen uns auf, nicht umgekehrt (Eine bessere Entschuldigung habe ich nicht). Bieres Buch fand im folgenden Semester dennoch seinen Leser. Gabi hatte die Lektüre in der Folge ihres Konstruktivismusseminar für ihre Studenten zur Vertiefung angeboten: zum freilwilligen Lesen … in den Semesterferien. Jeder der schon mal Lehre gemacht hat weiß, dass sich Studenten darauf stürzen ;-). Vor diesem Hintergrund ist ein Beitrag von Jan-Mathis Schnurr zu lesen, der das Thema der Freiheit (Entscheidung) mit dem der Reue in Verbindung bringt und dabei auch, aber nicht nicht nur auf Bieres Buch zurückgreift. Am Ende des 12-seiten Blogbeitrags (Teil 1-12) sage ich: Hut ab! Hier macht sich einer (klare) Gedanken …

E-learning und Sport(wissenschaft)

Noch vor der Jahreswende ist in der deutschsprachigen Zeitschrift  für e-learning, Lernkultur und Bildungstechnologie das Themenheft "E-Learning in Sport und Sportwissenschaft" erschienen. Christoph Igel und ich konnten das Themenheft als Gastherausgeber begleiten. Inhaltlich haben Andreas Hebbel-Seeger (Augsburg/Hamburg), Roland Leser, Manfred Uhlig, Johannes Uhlig (Wien), Ingo Keller (Koblenz-Landau) und Roberta Sturm (Saarbrücken) Beiträge beigesteuert.

Für mich war es eine neue und sehr interessante Erfahrung auch mal als Herausgeber aktiv zu sein. Damit meine ich weniger den um Sorgfalt bemühten Gutachterprozess als vielmehr die Zusammenarbeit mit den Autoren: hier spielt vor allem die Motivierung im Überarbeitungsprozess und Stimmigkeit des Gesamtheftes eine Rolle. Für KollegenInnen in der postdoc-Phase kann man so eine Herausgeberschaft nur empfehlen. An dieser Stelle auch ein Dank an die HerausgeberInnen der Zeitschrift, die diese Art der Nachwuchsförderung bewußt unterstützen.

SONDERFÄLLE – Die Professoren Herrmann und Mittelstrass im Gespräch

Gestern Abend haben wir (Ökonomie und Bildung e.V.) unseren dritten und damit (vorerst) letzten Workshop zusammen mit der Hanns-Seidel-Stiftung durchgeführt. Unter der Leitfrage: „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“ waren die Professoren Herrmann (TUM) und Mittelstrass (Universität Konstanz) eingeladen, also zwei über die Landesgrenzen hinweg bekannte Wissenschaftler, um über den speziellen Kontext „Universität“ zu diskutieren; Herr Dr. Spaenle (MdL), als geladener Vertreter der Politik, musste leider kurzfristig absagen. Die Zuhörerrunde war ebenfalls gut besetzt: Neben Staatsministier a.D. Goppel waren Vertreter aus Wissenschaft, Berufsverband (Recht, Psychologie) und Schule, Journalisten sowie Studenten und Studentenvertreter anwesend (insgesamt ca. 50 Personen). Beste Voraussetzung für einen spannenden Abend!

Nach Einleitung durch die Professoren Höfling und Böhle kam als erster Herr Prof. Herrmann, Präsident der TUM und Boardmember des neu gegründeten EIT, zu Wort: Er zeichnete die Idee und Realität „seiner“ TUM nach, wobei er insbesondere auf den Zusatz „unternehmerische“ Universität einging. Er plädierte für eine recht verstandende Ökonomisierung der Hochschule, weil eine verantwortungsvolle und auf Zukunft gerichtete Führung, ressourcen-, leistungs- und investitionenoientiert denken MÜSSE. Eine sich als Katalysator verstehende Universitätsleitung sei diesen Grundsätzen verpflichtet, will sie im Wettbewerb um die besten Köpfe der Welt die Nase vorn haben. Bei aller Liebe zur „Ökonomisierung“ – Herrmann spricht lieber in der Kategorie des unternehmerischen Denkens und Handelns – warnt er vor einer buchhalterischen Trivialökonomie: Vertrauen in die Leistungen der Mitglieder, 100% Freiheit in Forschung und Lehre, großzügige Intervalle zu einem gemäßigten Input-Output-Controlling, kurz: Man müsse wissen wie der Laden „tickt“, wissen wie Lehre und Forschung funkionieren, nur dann können man angemessen steuern oder in seinen Worten: katalysieren. Damit weist er indirekt darauf hinweißt, dass man Menschen nicht steuern kann wie chemische Experimente. Soweit zu Herrmann und seinen klaren Ausführungen zur unternehmerischen Universität.

Prof. Mittelstrass, der Vorsitzender der gleichnamigen Expertenkommission für das Wissenschaftsland Bayern 2020, erinnert in seinem Referat an die impliziten Voraussetzungen der wissenschaftlichen Arbeit: Freiheit, Wettbewerb, Transparenz und Strenge. Aufgehoben sieht er diese Konstitutionsmerkmale in einer äußeren wie inneren Autonomie, d.h. einem Schutz vor außeruniversitären Interessensübergriffen bei gleichzeitiger innerer Verpflichtung der Hochschulmitglieder zur redlichen wissenschaftlichen Arbeit. Er warnt eindringlich vor dem Verlust dieser Autonomien und markiert damit sein Verständnis einer nicht zu duldenen Ökonomisierung, z.B. hervorgerufen durch die Bologna-Reform mit ihren Gängelungen oder Hochschulräten mit Partikularinteressen. Er setzt letztlich auf Selbstregulation: „Wissenschaft muss mit Wissenschaft bekämpft (reguliert) werden“. Soweit eine knappe Skizze zu Mittelstrass.

Für mich war der gestrige Abend an vielen Stellen erhellend. Herrmann und Mittelstrass boten in ihren Referaten Reinformen, Sonderformen oder besser idealtypische Modelle an, wie man sich Universität denken (und in ihnen agieren) kann. Regulative Idee für Herrmann ist das Konzept des Unternehmertums, damit erzielt er Ordnung in den Binnenbereichen der Universität und nach außen zu Wirtschafts- und Politikpartnern sowie im schwierigen Grenzverkehr zwischen innen und außen. Wer kann bei Stichworten wie Leistung, Erfindungen, Zukunft und Nachhaltigkeit widersprechen? Das Ökonomische ist hier nicht Zweck, sondern bestenfalls Mittel für „innovative Lösungen“. Ansagen wie: „Die TUM hat nur drei akkreditierte Studiengänge, wir machen den Blödsinn nicht mit!“ zeigen die (potentielle) Macht von Universitätspräsidenten sich vom (quasi-ökonomischen) Mainstream zu distanzieren. Herrmanns Universitätsidee scheint von inneren und äußeren Widersprüchen frei zu sein, sicher auch deshalb, weil die unternehmerische Universität das Wohl der Organisation im Blick hat und das Wohl der Einzelperson nachrangig behandelt – die Verhältnisse sind geregelt. Aber zu welchem Preis? Vor den Türen Roms (der TUM) bleiben alle sitzen, die nicht leisten können oder … wollen.  

Nun wäre es vollkommen falsch, die Position von Herrn Mittelstrass gegenüber dieser leistungs- und ergebnisliebenden Position abzugrenzen: Die regulative Idee von Mittelstrass ist die „Selbstbildung“ in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Das hat nichts mit Selbstverliebtheit oder Träumerei zu tun, sondern fordert ebenfalls Leistung in Form von strenger Geistesarbeit ein. In der Folge wehrt er sich auch gegen irrige Vorstellungen, die Universität müsse der persönlichen Selbstverwirklichung, dem Eigenexperiment oder der Erziehung zur demokratischen Gesinnung dienen. Leistung ist bei Mittelstrass – im Gegensatz zu Herrmann – individuumzentriert, d.h. die Entwicklung der personalen Urteilskraft ist Zweck SEINER Universität.

Was hilft diese Analyse bei unserer Leitfrage, bei der Frage, wie die beiden Herren (als Modelle) mit der freiwilligen oder unfreiwilligen Ökonomisierung umgehen? Ich denke bei Herrmann wird deutlich, dass er die Ökonomisierung weniger als Schicksal, sondern als Gestaltungsfaktor empfindet und nutzt! Für Mittelstrass bleibt die Ökonomie letztlich ein gefährlicher Gegner, nicht der Buchhalter in der Verwaltung macht im Angst, sondern der auf Entpersonalisierung und bloße Verrechnung abstellende homo oeconomicus. Dieser wird zwar in ökonomieaffinen Begriffen wie „Evaluation“ oder „Qualitätssicherung“ lebendig, die Effekte die er mit sich bringt sind aber unökonomisch, weil sie die Grundlage der Universität (die angesprochenen Autonomien) zerstören.

Wie immer war die Diskussion an vielen Stellen schwindlig hoch, allein die Begriffe Autonomie, Kunde, Wettbewerb, Unternehmertum, Wissen und Wissenschaft führen nicht dazu, dass man die Sachen anfassen konnte (da war das Rollenspiel-Video-Intermezzo im Nachgang zu den Impulsreferaten wohltuend konkret :-). Die relativ vielen Rückmeldungen und Fragen der Zuschauer sowie freundliche und scharfe Antworten der Redner haben aber dazu beigetragen, dass einige Pflöcke in den Boden geschlagen werden konnten – die beiden Denkmodelle waren zwei davon.

Alles nur Klischee!

Gestern Abend waren wir (Ökonomie und Bildung e.V.) in der Hanns-Seidel Stiftung in München um unter der Überschrift "Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?" den Kontext Schule genauer unter die Lupe zu nehmen. Neben einer Einführung von Prof. Böhle und Prof. Höfling hatten wir den Politiker Josef Erhard (Amtschef im Bayrischen Staatsministerium), und die Professoren Wößmann (LMU) und Zymek(Uni Münster) geladen. Zudem haben wir ein kleines  Inprovisationstheater; zwischen Impulsreferate und Plenumsdiskussion geschoben, das für Erdung sorgen sollte. 

Alles im Allem war ich mit dem Abend zufrieden, weil die drei Redner je unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema geworfen haben: Herr Zymek als Erziehungswissenschaftler baute seine Argumentation sehr grundsätzlich auf, sprach nicht nur, aber auch von einem neuen Menschenbild (der unternehmerische Mensch), was man ins Bildungssystem verankern wolle. Herr Wößmann fasste das Interesse (oder besser die Interessenlosigkeit?) des Ökonomen mit dem Kernpostulat zusammen: Menschen reagieren auf Anreize … und es gelte eben diese Anreize zum Wohle der Gesamtheit (als Handlungen aller) auszubalancieren. Herr Erhard vertrat eine vermittelnde Position, in der traditionelle Interessen (Allgemeinbildung) und Interessen des Arbeitsmarktes aufgehoben sein sollen, Humboldt und Siemens, so seine Worte.

Wir haben über viel gesprochen, über Wettbewerb, Autonomie, Finanzierung etc., aber irgendwie nicht über den Unterricht und die Perspektive derjenigen, die von der aktuellen Bildungsreform am meisten Betroffen sind, z.B. die G8 Schüler. Wir hatten es ja in unserem Improvisationstheater angesprochen, es plakativ auf den Punkt gebracht: um so entkräftender ist es, wenn das alles als Klischee abgetan wird. Also eines ist sicher: beim nächsten Treffen werden Studenten dabei sein, denen kann man dann nicht mehr so leicht sagen,
"alles nur Klischee, das wird nur von den Medien hochgejubelt". Aktuell versuchen die Schüler ihren Unmut durch eine Demo Luft zu machen, nicht nur in München, sondern bundesweit, das kann nicht nur Privatvergnügen sein.

Welche Erkenntnis nehme ich aus der gestrigen Veranstaltung mit? Sehr spannend fand ich den Kommentar der Herren Zymek/Böhle, dass die Internationalisierung resp. Globalisierung zu einem common sence darüber führt, wie man Bildung formal zu organisieren habe: in "Kästchen", eine Metapher für Zeitmaße, Punkte und Inhaltseinheiten, also Streben nach Verrechenbarkeit. Genau diese (formale) Bürokratisierung – bei allen  Entbürokratisierungsbeschwörungen – macht den neuen Herrschaftskampf aus. Nun ist die Diskussion in so schwindeligen Höhen wie bei Max Weber und seiner Ethik immer schwer. Einfach und greifbar ist das, was im Unterrichtsraum von diesen formalen Rahmenbedingungen ankommt: Tendenz zum Frontalunterricht, Verschließung gegenüber neuen Lehr-Lernformen, Eindimensionalität der Noten, weniger Projetarbeit, weniger Raum zur Problemreflexion, also all das, was man in Praxis und Wissenschaft (Pädagogischen Psychologie) unter gutem Unterricht versteht. Irgenwas läuft da doch falsch?!

Da hilft auch nicht viel, wenn Herr Wößmann auf die Kraft des Wettbewerbs zeigt: wo findet denn Wettbewerb statt?? Wettbewerb hieße besser zu sein als andere in dem Ziel des nachhaltigen Lernens, hieße nicht wie die Konkurrenz frontal zu unterrichten, hieße innovative Lernlösungen entwickeln, ausprobieren, optimieren, Schumpeters Credo folgen halt. Aber in Deutschlands Schulen wird nicht experimentiert, warum auch? In Schweden ist man da radikaler: um zu sehen welcher Unterricht besser ist, teilt man die Stadt in zwei Hälften: in Schulen der linken Häfte unterrichtet man nach der Methode a in der rechten Häfte nach der Methode b. Man sieht dann was rauskommt. Toll finde ich diesen Anstz deshalb, weil man eines offenbar weiß: so viel kann man gar nicht falsch machen, selbst wenn man zur schlechten Häfte gehört lernt man beim Selbstexperiment mehr über das eigene Lernen als sonst im 0-8-15 Verfahren. Kurzum: Bildungsreform fängt mit Unterrichtsreform an und genau hier müssen wir einen unternehmerischen Lehrertypen anstreben und fördern – und ihn oder sie aber auch dann gewähren lassen! Helge Staedtler hat es abends in kleiner Runde auf den Punkt gebracht: wir haben keine Bildungskrise, sondern eine Vertrauenskrise (in das Lehrpersonal an Schule und Universität). 

Neues Modul zur Informationskompetenz

Am Mittwoch den 05.11. war ich zusammen mit Richard Heinen von Lehrer online beim Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt. Es ging inhaltlich um die Fortsetzung des TechPi und MaliBu Projekts und zwar sollen wir (Ghostthinker) ein neues Themenmodul zur Informationskompetenz entwickeln. Die Zusage des DIPF hat uns sehr gefreut, einerseits weil wir damit die Modulreihe um einen Baustein (neben Regenwurm und Klimawandel) erweitern können und anderseits weil uns das Thema Informationskompetenz in Augsburg sehr interessiert. Nach Durchsicht der aktuellen Forschungsansätze bzw. Modelle zu diesem Thema (7 faces, 7 Säulen, big 6 skills, IK 2.0, lifecycle) habe ich festgestellt, dass viele Modelle eher einer instrumentellen Verarbeitungslogik folgen: Informationsbedarf feststellen, Informationen suchen und bewerten, Informationen nutzen. Was mir in den Modellen viel zu kurz kommt sind psychologische Ansätze, die den schwierigen Punkt des Informationsbedarfs (Was ist mir eigentlich wichtig?) oder der Informationsbedürftigkeit näher fassen.