Videoinstruktion zum Praxisstart

Punktlich zum Praxisstart in unserm EU-Projekt haben wir das einführende Instruktionsvideo fertig stellen können. Zusammen mit Schorsch Meier, Torsten Uhlig und Silvia Sippel vor der Kamera und Johannes Metscher als Schnitt- und Tonmeister (mit Unterstützung von Silvia) + Silvia/Frank als Kamerafrau/mann haben wir ein brauchbares Ergebnis hinbekommen (Dank der Szenenvorarbeit von Tamara Specht). Nachdem wir am 09. April ein Onlinetreffen mit allen EU Partnern via gotomeeting gemacht haben sind nun alle Partner "soweit" eingeführt: erste Videos wurden bereits hochgeladen und kommentiert. Nun gilt es die letzten technischen Hürden bei den Partnern vor Ort auszuräumen, damit wir uns ganz der Didaktik der Fahrlehrerausbildung widmen können. Und hierbei haben wir schon festgestellt: die Qualität der Videoreflexion ist maßgeblich von der Qualität des Videomaterials abhängig. Kurz: Reflexion lohnt nur dann, wenn etwas passiert ist. Logo, oder?

Virtueller Umzug und die „neue“ Uni

Seit 2001 bin ich Mitglied des Medienpädagogik Teams in Augsburg. Ich gehöre der ersten Generation an, also jener Gruppe (Adler, Häuptle, Warsitz etc.), die zur Jahrtausendwende mit Gabi die ersten Schritte in Richtung E-Learning und Wissensmanagement gehen konnten. In den letzten vier Jahren war ich der Uni Augsburg intensiv durch Forschungskooperationen und eher lose durch (unbezahlte) Lehraufträge verbunden. In jedem Falle war es eine gute Zeit, in der ich meinem Ziel des campusnahen Unternehmers recht nahe gekommen bin. Wie fruchtbar ein solches Modell sein kann, zeigt sich meines Erachtens gut im aktuellen EU-Projekt (Driver Instructor Education 2.0), bei dem Ghostthinker Antragsteller/Projektträger und die Uni wissenschaftilcher Partner ist. Leider ist es mir in diesen Jahren nicht gelungen, die Vision des campusnahen
Unternehmertums auch zu institutionalisieren. Was immer noch fehlt, ist ein Life-Cycle: Unternehmerisches Denken im Studium, finanzieller und ideeller Gründungssupport nach dem Examen und institutionalisierte Selbständigkeit in Campusnähe mit wechselseitiger Nutzung der Ressourcen Universität/ Wirtschaftsbetrieb. Nun gut.

Ab April 2010 werde ich meine Forschungsarbeiten an der Universität der Bundeswehr München verlegen und damit Augsburg als „virtuellen Standort“ verlassen. Den Wechsel nach München begrüße ich sehr, nicht nur, weil nach fast 10 Jahren ein neuer Anstrich notwendig wird, sondern auch, weil München eine vergleichbare Aufbausituation wie Augsburg 2001 bietet, d.h. eher familiär, intensiv und mit neuen Akzenten. Kontakte werde ich neben dem Lehrstuhl z.B. auch beim Center for Technology and Innovation Management suchen (An-Institut), in dem Ausgründungen mit Forschungsbezug laut website willkommen sind.

Dass diese eher kleine Campusuni den Namen „Bundeswehr“ im Titel trägt, stört mich solange nicht, wie Forschung und Lehre frei sind. Und das ist per Gesetz geregelt. Exotenthemen wie TechPi, Erzählkunst oder Musik werden bei uns also auch weiterhin gepflegt werden. Ich komme aber nicht umhin zuzugeben, dass ich in den letzten Monaten über den Zusammenhang von Universität und gesellschaftlicher Verantwortung intensiver nachgedacht habe; an einer „normalen“ Universität schläft man hier schnell den Schlaf des Gerechten. Was ist also die Legitimation für eine Universität der Bundeswehr? Wie Gabi es vorsichtig ausdrückt, indem man sich an der wissenschaftlichen Bildung von Offizieren für die zivile Laufbahn beteiligt? Wie Helmut Schmidt es vor Jahren gefordert hat, indem auch und gerade Offiziere eine wissenschaftliche Bildung benötigen? Beide Antworten glauben an das Potenzial „der Wissenschaft“ – für zukünftige Arbeitsfähigkeit einerseits und aufgeklärte Entscheidungen andererseits. Das glaube ich mangels Alternativen auch. Darüber hinaus bin ich der Überzeugung, dass wir „das Militärische“ im 21. Jahrhundert nicht auf Pfeil und Bogen verengen dürfen. Vielmehr werden sich die Aufgaben in den Bereich der humanen Sicherheit international ausdehen, d.h. mindestens Katastrophenschutz und Friedenssicherung integrieren. Das sind schwergewichtige Herausforderungen, auf die die aktuelle Politik nur stammlige Antworten gibt, … geben kann. Doch die Antworten wird uns keiner abnehmen; man kann sie verdrängen, relativieren oder gar nicht erst stellen. Mit dem Umzug nach München kommen sie in mein Bewusstsein und über diesen politischen Akzent bin ich mit 40plus ganz froh.

Emergenz ist, wenn mehr raus kommt als man reingesteckt hat

Ich bin der Einladung von Peter Baumgartner zur Forschungswerkstatt „Emergenz“ nach Wien gefolgt. Von Wolfratshausen zum Westbahnhof sind das gut 10 Stunden Hin und Rückfahrt mit der Bahn – es hat sich gelohnt!

Ich habe in der Vorstellungsrunde gesagt, dass ich von Emergenz so wenig Ahnung habe, wie von Plasmaphysik, also keine. Das stimmt nur halb: Ahnung habe ich tatsächlich keine, aber interessieren tut es mich und aus jedem Interesse entwickelt sich mit der Zeit eine Art von Halbwissen, das man mehr oder weniger geschickt in seinen Alltag einbringt. Die Forschungswerkstatt hat in dieses Halbdunkel wenn nicht die Erleuchtung, aber doch deutlich mehr Licht gebracht. Wesentlich dazu beigetragen hat der special guest, Herr Prof. Götschl von der TU Graz. Weißes Haar, tiefe, sonorere Stimme, leichtfüßiges Bewegen über die Fächergrenzen hinweg, ihm hört man gerne zu … und das muss man auch! Während der Forschungswerkstatt hat er sicherlich über 100 Beispielen erzählt, um Abstraktes am Konkreten zu erläutern. Dieses „Pendeln“ zwischen Konkreten und Abstrakten hilft bekanntlich sehr, Sachverhalte zu verstehen und das Gehirn bei Laune zu halten.

Was ich inhaltlich gelernt habe, lässt sich schwer in Sätze fassen. Es geht um eine Verschiebung im Denken: wenn sich statische Betrachtungen (und Urteile!) zugunsten eines Prozessdenkens verschieben, wenn Ursache-Wirkungs-Ketten zirkulären Betrachtungen weichen, wenn die Suche nach Stabilität durch die Suche nach „sensitiven Bedingungen“ abgelöst wird. Was da raus kommt ist idealerweise ein Gespür für Veränderungen, Spontanes, Unvorhersehbares. Das ist nur für Menschen attraktiv, die das Neue freudig begrüßen. Neu ist das, was es so vorher nicht gab. Im Bereich der Bildung nennen wir das „Neugier auf sich selbst“ im Bereich der Gesellschaft nenne wir das Innovation. Beides brauchen wir.

Mich hat das Menschenbild hinter der Emergenztheorie angesprochen. Primat des persönlichen Wachstum, eingebunden in eine soziale Gemeinschaft – das klingt gut. Während der Forschungswerkstatt wurde ich jedoch einen Zweifel nicht los: Was nutzt es, wenn wir uns (wieder mit einem neuen, vielversprechenden Ansatz) aufmachen, um die Bildungspraxis zu verändern. Auch emergenztheoretisch "fundierte" Pilotprojekte in Schule, Hochschule und Weiterbildung werden erlahmen (These). Warum? Weil Organisationen Emergenz (wenn sie nicht müssen) meiden, Emergenz ist destabilisierend und das kostet (zunächst). Herr Prof. Götschl wollte diesen Satz beim Abendessen nicht so stehen lassen, … gut. Aber warum gibt es dann so wenig wirklich Neues in Bildungsorganisationen? (Man betrachte die letzten 100 Jahre) Hier ein Laptop, da eine interaktive Tafel oder eine Reform. Wenn die Wissenschaftler weg sind, dann wird in der Regel wieder Unterricht wie eh und je gemacht. Herr Götschl würde sagen, das System stabilsiert sich auf einem niederkomplexen Niveau. Ich habe bei dieser Kritik nicht die Lehrer im Visier, sondern (ganz emergenztheoretisch) das System, die Struktur.

Nun will ich nicht pessimistisch enden, dafür gibt es keinen Grund, zumal die Emergenztheorie Hilfestellung bietet: Erstens gibt es zur Emergenz gar keine Alternative, wer (als Person oder Organisation) nicht kreativ evolutioniert, der stirbt, zweitens führt Emergenz zu mehr Möglichkeiten, z.B. in Form von Kompetenzen, das schafft Sicherheit und (Selbst)Vertrauen und drittens fühlt sich Emergenz einfach gut an, weil wir mit uns in Übereinstimmung sind. Aus dem Abschlusgespräch habe ich im Ohr, was Prof. Götschl auch angesichts verkrusteter Bildungspraxis gesagt hat: Einfach Machen! Die Wahrscheinlichkeit der (systemischen) Veränderung steigt mit einem guten und gelungenen Beispiel enorm an! Denn Nachfolger gibt es nur, wenn einer den ersten Schritt macht. … Ja, da er wohl Recht und dem folgt man auch ohne emergenztheoretische Schulung.

Gutes Heft: Atlas der Globalisierung

Ich habe angefangen im Atlas der Globalisierung zu lesen. In sechs Kapiteln werden Weltprobleme/ globale Herausforderungen behandelt: 1. Neue Weltkunde, 2. Kapitalismus in der Krise, 3. Zukunft der Energie, 4. Viele Hauptstädte, viele Ansichten, 5. Kompliziertes Afrika, 6. Ungelöste Konflikte. Als Unterthemen finden sich z.B. Cyberterrorismus, Migration, Staatsfonds, Neoliberalismus, Öl und Armut, Zaghaftes Europa, Asien im Afrikafieber.

Was dieses Heft auszeichnet ist die sehr dichte Beschreibung und klare Visualisierung von lokalen verankerten Themen auf je zwei Seiten, also der Versuch, pro Thema ein "big picture" zu zeichnen. Die Reduktion auf Wesentliches lässt viele Details notwendig weg.

Was sich beim Durchlesen und studieren der Themen idealerweise einstellt ist ein Gespür für die allgemeinen Linien, Entwicklungen und Abhängigkeiten in unserer Welt, also so etwas wie ein global (big) picture. Ähnlich wie auf einen Schachbrett werden auf der Weltkarte Schritt für Schritt diese sonst verdeckten und fragmentierten Beziehungen zwischen Klima, Hunger, Migration, Krieg, aber auch politischen Stabilität, Wirtschaft, Technologie sichtbar(er). Die kurzweiligen Zweiseiter laden dazu ein, diesen Berg (und damit die neue Rundumperspektive) zu erklimmen.

Älter werden

Gestern war ich mit Gabi im Kino. Der Film hieß „Giulias verschwinden“ und behandelt das Thema „Alter oder älter werden“. In der Hauptrolle zeigt Corinna Harfouch ihr bestes. Flankiert wird sie von einem tollen Bruno Ganz sowie Stefan Kurt oder auch Sunnyi Melles. Giulias verschwinden ist ein eher stiller Film, der von Dialogen lebt, dessen Witz man wahrscheinlich erst versteht, wenn man die 40 hinter sich gelassen hat. Z.B. musste ich schmunzeln über:

  • Zwei 15 Jährige unterhalten sich im Bus: „Willst du 18 sein, nee, dann bist du ja in zwei Jahren schon 20. … Oder 30? Nee …, vollkrass.“
  • Eine 50-jährige in einem Restaurant: „Als ich jung war, erschienen mir die 40-jährigen genauso alt wie die 70-jährigen.“
  • Ein 50-jähriger in einem Restaurant: „Neulich hat mir jemand erzählt, dass Paul gestorben ist (Paul ist ein Klassenkamarad).“ Betroffenheit am Tisch. „Hätte ich mit 15 erfahren, dass ein 35-jähriger gestorben ist, dann hätte ich gesagt: immerhin!“(sinngemäß)

Wahrscheinlich kommen die genannten Textpassagen nicht so gut rüber wie im Film – logo. Im Film konnte man sehen, wie die Menschen mit dem Alter/Altern umgehen: einige ertragen es mit Galgenhumor, einige sind verängstigt und verzweifelt, andere fühlen sich ganz wohl, indem sie versuchen, im Augenblick zu leben. Was der Film auch zeigt: Älter werden ist ein Gemeinschaftsprojekt und in dieser Form kann es dann auch recht lustig zugehen. Insgesamt ist die Endlichkeit aber ein schwieriges Thema, da halte ich es mit Bruno Ganz: "Ich ignoriere das Alter …solange es mich ignoriert".

Weihnachtsbaum 2010

Ha! Rekord. Bis weit über die Februarmitte hinaus habe ich den guten Weihnachtsbaum auf der Terasse stehen lassen können. Mein Vorschlag, den Baum mit bunten Eiern zu behängen stieß auf keine Resonanz. Zum ersten Mal habe ich die Kerzen "aufgeräumt", dauerte keine 2 Minuten. Ich werde also im Winter 2010 meine wahre Freude haben, aber auch auf "tiefe Einsichten" der "Verwicklung" verzichten müssen. Also … durch ist das Thema noch nicht, es ist ein Test.

Praxen des Diskurses

Rolf Schulmeister hat sich mit einer Replik zurückgemeldet. Darin nimmt er Stellung zu im Etherpad (u.a) formulierten Deutungen.

Im Grunde passiert hier gerade das, was ich weiter unten als „wissenschaftliches Trainingslager“ bezeichnet habe, denn im Nachvollzog (ggf. durch Beteiligung) am bisherigen Dreikampf (Artikel, „Rezension“, Replik …) kann man als Nachwuchswissenschaftler viel über WISSENSCHAFT lernen! Für mich ist folgende Passage zentral:

"Der Aufsatz basiert lediglich auf einer Hypothese bezüglich Kommentaren, nämlich, dass dieses Feature Weblogs von Websites unterscheidet und deshalb etwas bedeuten müsse (könne). Es geht also allein um die Kommentare, wobei ich von der Annahme ausgehe, dass implizit (oder soll ich sagen "transzendental"?) mit Kommentaren das Ziel des Diskurses angestrebt werde. Oder anders formuliert: Weblogs führen neu die Kommentarfunktion ein und unterstellen damit, dass es neben den Posts auch um die Kommentare gehe (den Begriff von unterstellen bzw. transzendental bitte ich bei J. Habermas nachzulesen: Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz", in Habermas/Luhmann: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. suhrkamp 1971, S. 136). Ich versuche auf diese Weise die Kommentarwelt der Weblogs wenigstens indirekt auf die Vorstellung einer gelingenden Praxis zum Diskurs zu beziehen. Das mag anders gesehen und bezweifelt werden. Meine Forschungsfrage bleibt damit aber bestehen, denn sie ist ebenso legitim wie gegenteilige Annahmen." (S. 2)

Den Punkt der „Unterstellung“ werde ich nachlesen müssen, um mir ein Bild zu machen. Rolf Schulmeister sagt es dann aber auch: "Ich versuche auf diese Weise die Kommentarwelt der Weblogs wenigstens indirekt auf die Vorstellung einer gelingenden Praxis zum Diskurs zu beziehen." Ha, gut zu wissen, so klar habe ich es sonst nicht gelesen.

Wahrscheinlich werden wir sehen, dass die Praxen der Kommunikation im Netz sich von der Praxis der Korrespondenznetzwerke (siehe Replik/Persönliches) unterscheiden, dass es sich also um eine eher weite Analogie handelt. Spannend ist dann die Frage, welche Stütz- und Transformationsfunktion die Netzkommunikation für Diskurse (höherer Ordnung) haben kann.

Schulmeisterlich

Als ich vor einer guten Woche die Festschrift für Stefan Aufenanger per gelber Post bekam, da habe ich nach einem kurzen Kontrollblick in unseren Artikel den Text von Rolf Schulmeister (unter Mitarbeit von Leikauf und Bliemeister) aufgeschlagen … und am Postkasten stehend gelesen. Es war sehr kalt.

Keine Frage, der Text hat mich gefesselt: nicht nur, weil die gute Gabi qua Setzung im Visier der Aufmerksamkeit steht und damit mir bekannte Blogger beforscht werden, sondern auch wegen der normativen und damit streitbaren Prämissen (Edublogger sind diskursorientiert), die Rolf Schulmeister seiner Analyse zugrunde legt.

Nun wurde bereits an einigen Stellen Kritik an Schulmeisters Text geäußert: Beklagt wird z.B. die Methodik, der theoretische Rahmen (IuK-Ökologie/Michael Kerres) oder einfach nur die spitzen Formulierungen, z.B. die von vierzig Jahren hochschuldidaktischer Forschung unbelasteten Blogbeiträge bei Christian Spannagel.

Ha, wahrlich schulmeisterisch … aber im produktiven Sinne! Anders als Gabi, Herr Wedekind oder Christian selber sehe ich darin kein Vergehen, sondern einen wohl sportlich gemeinten Trick, um den von ihm attestierten Mangel an Kommunikationskultur „anzuheizen“. Wie meisterlich ihm das gelungen ist, zeigen die Reaktionen auf seine „Ansichten“. Wenn die Irritation der oft  selbstbezüglichen Community zu einer vertiefenden Auseinandersetzung – gern in Abgrenzung zum vorbuchstabierten methodischen Zugriff – führt, dann umso besser. Rolf Schulmeister wird sich zurücklehnen und auf gut hamburgisch sagen:  Freunde, mehr kann (und will) ich nicht leisten.

Die Einladung zum berühmten „Ko-Referat“ ist damit ausgesprochen …

Gegengutachten sind wissenschaftliche „Trainingslager“

Anfang 2008 hatte ich mir vorgenommen, einen wissenschaftlichen Artikel zu unserem Tischtennisprojekt zu schreiben. Inhaltlich wollte ich das didaktische Grundkonzept, die eingesetzten Technologien und eine Befragungsstudie vorstellen. Die Zeitschrift der Wahl im Bereich des Sports ist die SPORTWISSENSCHAFT, das Zentralorgan der deutschsprachigen Sportwissenschaft. Leider wurde der Artikel „Blended Learning in der Trainerausbildung“ von den Gutachtern abgelehnt. Ich war nach sorgfältigem Studium der drei Gutachten darüber so erbost, dass ich mich hinsetzte und ein ca. 10-seitiges Gegengutachten zusammenstellte, in dem ich jedes der in den Gutachten genannten Argumente systematisch aufgriff und so gut es ging entkräftete (Zielsetzung, Aufbau, Methode, Literatur, wissenschaftstheoretischer Standpunkt, etc.). Das hatte damals kathartischen Charakter und damit einen spürbaren Nutzen! Im Windschatten dieses Zehnseiters lauerte aber ein Potenzial, das ich zunächst nicht bemerkte: Gegengutachten sind wissenschaftliche TRAININGSLAGER!

Gott sei Dank hat mich im Nachgang dieser ersten Euphorie ein Hambuger Professor davor bewahrt, meine zehnseitige Kampfschrift online zu stellen – trotz aller Potenziale, die eine solche Öffnung versprach. Der zentrale Satz von ihm: „Wenn du dich auf die Spielregeln einlässt, dann darfst du am Ende nicht aussteigen“. Praktisch riet er mir (mit genauem Fingerzeig auf die wunden
Punkte), den Artikel zur überarbeiten und bei einer anderen Zeitschrift einzureichen.

Da ich immer schon mal eine Artikel in englischer Sprache veröffentlichen wollte, wandte ich mich an die Zeitschrift „Physical Education and Sport Paedagogy“, zumal das Ziel der Zeitschrift zu meinem Ziel zu passen schien (… promotes the communication of educational research in physical education and youth sport and related fields such as teacher and coach education). Der gekürzte und in Englisch verfasste Artikel (many thanks to Nina) kam aber nicht mal über die erste Hürde. Obwohl neue methodische Ansätze eines Online-Coachings, einer mediengestützten Lehre im Bereich der Trainerausbildung im Zentrum standen, wies man mich knapp mit der Begründung ab, dass der Inhalt nicht mit den Zielsetzungen der Zeitschrift vereinbar sei. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema „E-learning“ nicht willkommen war.

Also suchte ich weiter und blieb beim „International Journal of Sports Science and Coaching“ hängen. Ich schrieb den Herausgeber Simon Jenkins direkt an, der Artikel wurde von zwei Gutachtern aus UK und Australien positiv eingestuft. Mit kleineren Überarbeitungen ist der Artikel "Cognitive Tools 2.0 in Trainer Education" im 4. Quartal 2009 im IJSSC veröffentlicht worden, also gut 2 Jahre nach der ersten Fassung.

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Wisst ihr, was bei dieser „Ochsentour“ am wichtigsten war? Mein zehnseitiges Gegengutachten! Warum? Weil ich da (zumindest simuliert) mit Wissenschaftlern in einen Diskurs getreten bin, ich war gefordert „meine Sache“ zu verteidigen, gute Gründe zu finden, warum ich mit den Gutachten nicht einverstanden war. Das war eine Art schriftliche Mini-Disputation und für mich „großes Tennis im Hinterhof“. Es geht nicht darum, ob meine Gegenargumente TATSÄCHLICH entkräftend waren, sondern darum, dass hier das Spiel der Wissenschaft „These-Begründung-Gegenthese-Begründung etc.“ gespielt wurde. Wo darf man das denn heute noch spielen? Auf Tagungen im 15-min Takt? In Zeitschriften, wo ein Gutachten das akademische „Basta“ ist?

"Gegengutachten sind wissenschaftliche Trainingslager“ – so die Überschrift. Warum also nicht dieses Brachland zum wissenschaftlichen Lernen nutzen? Gabi hatte vor Kurzem in ihrem Blogbeitrag „Minderheitenmeinung“ auf ein solches Trainingslager aufmerksam gemacht: „Öffentliche Diskussion nach anonymem Peer-Review“, so der Titel des Forums von Herrn Prof. Brügelmann und dem Pädagogischen Journal.

Ist ein „Forum“ die Antwort? Nein natürlich nicht! Das Problem ist komplex und man muss sich fragen, wie viel Öffnung bei Zeitschriften sinnvoll und machbar ist. Dass aber die sorgfältig verfassten Gutachten von Experten derzeit primär zum „stillen Lesen“ genutzt werden, ist – gelinde gesagt – supotimal: für den Autor als lernende Person, für die Zeitschrift als lernende Organisation und auch für die Wissenschaft als fortschreitende Idee.