Die Invasion der beruflichen Bildung – GMW 2010

Mit dramatischen Worten leitete Rolf Schulmeister seine key-note auf der diesjährigen GMW Tagung ein: „Es ist nicht fünf Minuten vor Zwölf, sondern 24 Stunden danach“. An sich hätte er seinen Vortrag hier abbrechen können, denn wenn der Zug einmal abgefahren ist, dann hilft nichts mehr, oder? Aber es gibt wohl noch Hoffnung.

Schulmeister ging in seinem Vortrag weit zurück in die deutsche Geschichte der Bildungsinstitutionen, ins späte Mittelalter, als die ersten Universitäten gegründet wurden. Auf dieser Grundlage skizzierte er die Gründungen von Technischen- oder Polytechnischen Hochschulen im 18. und 19 Jh., die meist aus einfachen Bau- oder Ingenieursschulen hervorgegangen waren. Addiert man die Neugründungen im Bereich der Fach- und Privathochschulen gerade im 20. Jahrhundert hinzu, dann zeigt sich aus seiner Sicht eine Art „Invasion“ der beruflichen Bildung und zwar im Innenhof des akademischen Himmels. Was davon zuhalten ist, wird in Schulmeisters knappen Fazit deutlich: „Anti- Universitäten“, „Coffee-Management“, „amerikanische Verhältnisse“ … mit diesen Stichworten bewertet er die aktuellen Bildungsblüten. Man mag über Schulmeisters „Auszählwut“ an manchen Stellen schmunzeln (einige seufzen), aber der Analyseteil ist doch beeindruckend, gerade weil er einen Zeitraum von 800 Jahren umfasst und damit die Augen für „verborgene Entwicklungen“ oder „Wellen“ wie er selbst sagt, öffnet. Nun kann man über den Analyseteil erst mal in Ruhe nachdenken. Dabei sollte man sich aber fragen, ob die berufliche Bildung IMMER zu Formen der Verflachung führt oder ob darin nicht AUCH eine Chance liegt, über einen zeitgemäßen Bildungsbegriff nachzudenken, der das „erfahrungsgeleitete Handeln“ – also berufliche und körperliche Perspektiven – produktiv integriert (Böhle, Fritz: Kann die höhere Bildung von der beruflichen Bildung lernen? BWP, 2/2010).

Neben diesen key-note gab es eine Reihe weiterer interessanter Eindrücke und Impulse für mich, die natürlich immer selektiv sind, z.B. Peter Baumgartners Versuch, eine didaktische Taxonomie herzuleiten. Der Ordnungsvorschlag ist in der aktuellen Form noch abstrakt und ich sehe noch nicht das heuristische Potenzial, das Peter dem Zuhörer verspricht (= Periodensystem aus der Chemie). Peter untermauert seine auf Flechsig aufbauende Arbeit mit Arbeiten zur Ontologie (Hartmann, Polanyi) und flankiert diese mit Theorien zur Emergenztheorie. Ich tue mir noch schwer mit diesen Geschützen und ich bin mir unsicher, ob der Anspruch dieser Taxonomie an hochtheoretischer Fundierung einerseits und praktischem (heuristischem) Nutzen für das Design mediengestützten Lernens andererseits unter EINEN Hut zu kriegen ist. Die Frage ist: Muss man sich hier zwischen einer handlungspraktischen Designlogik (Reinmann) und einer systematischen Ordnung (Baumgartner) entscheiden? Anders herum war Peters Beitrag einer der wenigen (die ich ausmachen konnte), der sich explizit einer Theoriearbeit zugewandt hat, was ich für eine wissenschaftliche Tagung ganz passend finde ;-).

Neben den skizzierten Vorträgen hat mich auch das Format „Learning Cafe“ und hier insbesondere der Thementisch von Tom Sporer interessiert. Tom und Mitstreiter hatten einen Artikel geschrieben, in dem das Konzept des Dialogs (in Abgrenzung zum Diskurs) skizziert ist. Am Thementisch wurde darüber diskutiert, wie ein ideales Tagungsprogramm mit virtueller Phase und Präsenzblock aussieht. Ich habe die Unterhaltung zum Dialog aber später mit Tom führen können, wobei wir das Potenzial von Metaphern als Container (Isaack W.) in den Blick genommen haben, was Spaß gemacht hat.

Schließlich konnten Jojo und ich noch Dominik Petko sprechen, der ein Poster im Lichthof betreute. Der Austausch mit Dominik war aus zweifachen Grund wichtig: Erstens haben wir uns über die Videoannotierung bzw. visuelle Verlaufsmuster unterhalten und wie man diese didaktische Neuerung am besten in einem wissenschaftlichen Artikel beschreibt ;-), und zweitens konnten wir ihm unser edubreak Projekt auch mal live zeigen. Hier gibt es viele Bezüge zu den Video-Arbeiten von Dominik und vielleicht ergeben sich neue Kooperationschancen mit den Schweizern.

In der Summe haben mir die zwei Tage in Zürich sehr gut gefallen, wegen des schönen Ortes, der zum gemeinsamen Nachdenken einlädt, der interessanten Menschen und Projekte, die man angetroffen hat und auch deshalb, weil eine Abwechslung zur „gemeinen Arbeit“ einfach gut tut.

Kein Auge zugemacht

In den letzten 14 Tagen habe ich zwei Artikel intensiver gelesen: denjenigen zur „Sichtbarkeit der Lehre“ von Mandy und Hr. Eugster und Bieri‘s knappe Rede zur Frage, was Bildung ausmacht. So ist es zu erklären, warum ich mich in ein nächtlichens Gedankenexperiment verstrickt habe, bei dem es darum ging, eine „Metapher“ für den UNTERSCHIED von Bildung und Ausbildung zu finden. Bieri sagt, es ginge bei der Bildung „um alles“; Ausbildung sei etwas ganz anderes. Die Frage ist: Warum vertauschen wir – also jenseits des Liebhabermarkts – die beiden Begriffe so oft, warum drängen wir nicht viel mehr auf die eigene Qualität von Bildung? Meine vorläufige Antwort: weil es auch so geht!

Bei der Suche nach dem Unterschied zwischen Bildung und Ausbildung ist mir die Sichtbarkeitsmetapher wieder in den Sinn gekommen. Bildung wurde und wird oft mit „Sehen“ verglichen. Die Gegenüberstellung vom Sehenden und Blinden passt aber nicht, der Übergang ist zu stark. Vielmehr glaube ich, dass sich Ausbildung zu Bildung verhält wie das einäugige zum zweiäugigen Sehen.

Bleibt man in diesem Bild (Analogie), dann ist der Mehrwert des zweiäugigen (binokularen) Sehens der, dass man „räumlich tiefer“ sehen kann, dass man den „Randbereich“ des Sichtfeldes besser unter Kontrolle hat und das man z.B. ein sich bewegendes Objekt „leichtfüßig“ fixieren kann. Wie man sieht, stecken in diesem Bild weitere Metaphern: Tiefensehen, Ränderkontrolle, Leichtfüßigkeit, die man mit etwas gutem Willen z.B. den kritischem Denken zuordnen kann. Und was bringt dieses zweiäugige Sehen nun? Die Welt „da draußen“, kann ich auch mit einem Auge gut genug beobachten. Ist das zweite Auge also Luxus?

Wahrscheinlich scheiden sich an diesem Punkt die Geister, also nicht beim Auge, da sieht es jeder aus eigener Einsicht ein. Aber beim Unterschied von Ausbildung und Bildung und vor allem bei den notwendigen Investitionen, die ein Staat, eine Organisation, aber auch jeder Einzelne in das „zweite Auge“ stecken muss. Wahrscheinlich sind wir vom abnehmenden Grenznutzen schon so sehr beseelt, dass die Investition in ein weiteres Auge (Bildung) aus der Sicht der Augenmacher als völlig unsinnig erscheint. Was also tun? Sicherlich helfen letztlich keine erkenntnisleitenden Metaphern oder andere Einsichtshelfer, sondern die Evolution wird zeigen, ob wir in einer sog. Wissensgesellschaft das zweite Auge brauchen oder … einfach darauf verzichten können.

e-Learning im Sportverband: DOSB-Studie online

In den letzten Monaten wurde im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) eine Expertise zum E-Learning in deutschen Sportverbänden erstellt. Diese steht nun online zur Verfügung. Neben einer Analyse zum Ist-Zustand in den Sportverbänden werden auch Empfehlungen für die Einführung und Nutzung von mediengestützten Lernszenarien gegeben. Da die Kollegen aus dem Tischtennis auch befragt wurden, spiegelt sich das Engangement von Ghostthinker in der Studie wieder (=> edubreak Sportcampus, S. 39). Seit 2007 begeleiten wir den TTVN, WTTV und DTTB auf dem Weg zu mediengestützten Lehr-Lernszenarien. In diesen Jahren sind nicht nur sportspezifische, didaktische Konzepte für die Trainerausbildung (und Fortbildung) und eine maßgeschneiderte Webtechnologie mit Videokommentierung, Blogs, Portfolio und Feedbackmanagement entstanden (Web 2.0 ist nur ein Stichwort), sondern uns war von Anfang an auch wichtig, dass alle Beteiligten Kompetenzen im Umgang mit den Medien aufbauen. Genau dies konnte ich (zusammen mit Johannes Metscher) am vergangenen Montag in Frankfurt bei einem DTTB-Arbeitstreffen wieder erleben, bei dem die Lehrreferenten "wie selbstverständlich" über Potenziale (und auch Grenzen) der mediengestützen Lehre diskutiert haben; nicht abstrakt sondern ganz konkret für die Lehrgangsplanung 2010/2011. Das ist toll anzusehen und letztlich Zweck unserer Arbeit.  

Im 10ten Monat

Das laufende EU Projekt „Driver Instructor Education 2.0“ läuft ganz gut – so eine knappe und saloppe Zusammenfassung. Nicht untypisch für ein Transferprojekt, sind wir mit einer Reihe von neuen Anforderungen konfrontiert worden. Ein einfacher Transfer von A nach B war daher nicht möglich, ist aber auch gar nicht wünschenswert, denn: Ohne diese Widerstände entsteht nichts Neues, ohne dieses Neue haben die Kollegen im Kontext B nicht das Gefühl, etwas Eigenes und Spezifisches zu nutzen. Autonomie ist ein vielschichtiges Konstrukt.

Die Anpassungen (oder Neuerfindungen?), von denen ich spreche, betreffen die Art und Weise, wie die Ausbilder/FLAs die Videoannotation in ihren Kontext einsetzen, angefangen von der gestellten Beobachtungsaufgabe, der Nutzung von hotspots, der Motivation und Interpretation zur Nutzung, der Verbindung zu den Lehrplänen bis zu neuen Formen der Nutzung (an die wir noch gar nicht gedacht hatten) etc. Tamara Ranner, die mit Gabi das Projekt wissenschaftlich betreut / koordiniert, wird hierzu in den Folgemonaten sicher ausführlicher berichten (erster Überblick hier).

In Ergänzung zu unseren Vertragspartnern aus Deutschland, Österreich und Belgien konnten wir weitere stille Partner gewinnen, z.B. die Ausbildungsstätte startup aus Österreich, das Verkehrsinstitut in München und zwei Ausbildungsstätten aus Italien / Bozen, also auch ein neues EU-Land (die Schweiz ist angefragt). Wir sind ganz zuversichtlich, dass wir die restlichen Monate (das letzte Drittel vom 18-monatigen Projekt) dafür nutzen können, um weitere und vertiefende Erfahrungen in diesem neuen Kontext zu sammeln, diese wissenschaftlich auszuwerten, den EU-Bericht vorzubereiten und vor allem die letzte Phase der Dissemination voranzutreiben (Tagungen, Artikel, Transferworkshops, strategische Partner).

Sonneblumen die Zweite

Es ist zwei Jahre her, da hatten wir prächtige Sonnenblumen im Garten stehen. Dieses Jahr haben es von 15 Setzlingen zwei auf Kniehöhe geschafft. Diese hängen kraftlos am stützenden Bambusrohr und dienen den Ameisen als Erntefläche für Blattläuse. Es bleibt die Einsicht, dass sich unter fast gleichen Bedingungen die (lebendigen) Dinge sehr unterschiedlich entwickeln. Eine Einladung für die „Mustergärtner“ hier mal eine Kontext-, Problem- Lösungssequenz zu schreiben ;-). 

Forschungsnotiz: didaktische Muster

In den letzten Monaten bin ich durch Beiträge von Peter Baumgartner (=> Forschungswerkstatt) und Christian Kohls (=> Gastvortrag) auf das Thema "didaktische Pattern" aufmerksam geworden. Bisweilen führt dieser Ansatz zu schwindlig hohen Diskussionen, bei denen man (schließe mich da nicht aus) das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren scheint, nämlich good practices in Form von instruktiven Mustern interessierten Dritten (z.B. Novizen) zu verdeutlichen. Nun gut. Unter dem Einfluss dieser Diskussionen ist jedenfalls eine neue Forschungsnotiz entstanden, in der ich unsere aktuellen Arbeiten zur Videoannotation mit dem Musteransatz verbinden möchte. Herausgekommen ist ein Neuvorschlag, den ich "situated-symbolic pattern in education" nenne. Über Rückmeldungen (auf welchem Kanal auch immer) würde ich mich sehr freuen. Hier geht es zur Forschungsnotiz 3. 

Bologna und die Philosophie des Geldes

An einer der letzten Wochenenden war ich mit Gabi in Wien. Das Center of Teaching and Learning hatte zur Friday Lecture geladen und Gabi konnte dort ein Referat zum Thema Bologna und Studienreform halten (In die Freiheit entlassen?). Da ich diese Referate inhaltlich immer schon im Vorfeld kenne ;-), kann ich mich auf Rückmeldungen der Teilnehmer und weiterführende Gedanken konzenrieren.

Anstoß für einen eben dieser weiterführenden Gedanken gab das Koreferat von Herrn Hrachovec, der die Hauptverantwortung für das Bologna-Maleur bei der Politik sieht. Er sagte, da wurde "etwas" eingerissen, was Jahrhunderte aufgebaut wurde. Gabi pflichtete trotz ihres didaktischen Vorschlags bei: "Man kann politische Probleme nicht didaktisch lösen!"

Im Anschluss an die Veranstaltung, draussen auf der Bank in der heissen Wiener Luft kam mir ein Buch von Georg Simmel in den Sinn: "Philosophie des Geldes". Simmel geht es in diesem Aufsatz nicht um eine Finanztheorie i.e.S. (siehe hierzu den Beitrag von Backhaus), sondern darum, welche Probleme sich ergeben wenn von einer Tauschform zu einer anderen übergegangen wird (=Nivillierungsprozess).

Wikipedia schreibt hierzu: "Bei Simmel basiert der Wert eines Produktes anfänglich auf der subjektiven Wertschätzung. Mit steigender Komplexität der Gesellschaft wird dann der Tausch zur sozialen Gegebenheit. Um diesen Tausch zu vereinfachen, ist das Geld notwendig. Im Geld spiegelt sich der Wert der Dinge wider. In ihm treffen die Welt der Werte und die konkreten Dinge aufeinander: „Geld ist die Spinne, die das gesellschaftliche Netz webt.“ Es ist ebenso Symbol wie Ursache der Vergleichgültigung und Veräußerlichung. Indem jetzt alles mit jedem getauscht werden kann, weil es ein identischen Wertmaß erhält, findet gleichzeitig eine Angleichung (Nivellierung) statt, die keine qualitativen Unterschiede mehr kennt. Der Sieg des Geldes ist einer der Qualität, des Mittels über den Zweck. Es ist nur das wertvoll, was einen Geldwert besitzt. Somit findet eine Verkehrung statt. Am Ende diktiert das Geld unsere Bedürfnisse, es kontrolliert uns, anstatt zu entlasten und zu vereinfachen. Indem das Geld mit seiner Farblosigkeit und Indifferenz sich zum Generalnenner aller aufwirft, höhlt es den Kern der Dinge, ihre Unvergleichbarkeit aus.

Was hat das nun mit Bologna und seinen Folgen zu tun? Mir kam diese Simmel-Verbindung an der Stelle in den Sinn, wo von "ungeraden ECTS-Punkten" gesprochen wurde, also 1,5 ECTS… was steht dem gegenüber, was ist der Tauschwert? In dieser Logik: Input-Output-Verschiebungen von Kursangeboten zwischen den Fakultäten, feilschen um den Punktewert einer Veranstaltung etc. Die Bologna-Krankheit entsteht genau an dieser Stelle, durch die Schaffung einer formalen Währung (ETCS ist geldanalog), d.h. einer Formalisierung der Tauschprozesse. Formalisierung heisst Entkopplung von situativen Kontroll- und Regulativfunktionen. Am Ende fragt keiner mehr nach dem Unsinn von 1,5 ETCS, die Hochschulstrukturen werden so gestaltet (angepasst!), dass sie tauschkonform werden, das ist die eigentliche Tragödie.

Vielleicht lohnt sich hier eine systematischer Blick auf Simmels Philosophie des Geldes und ein Vergleich mit den Strukturen von Bologna, umzu verstehen, was uns mit Bologna abhanden gekommen ist, dieses „etwas“ vom dem eingangs gesprochen wurde. Vielleicht verstehen wir dann besser was wir tun können, um mit den Konsequenzen dieser neuen "Flexibilisierung" besser umzugehen.

Zweck der Veranstaltung: Catering

Am Mittwoch war ich mit Tamara Ranner in Bonn auf einer EU-Tagung (Monitoring zu unserem Projekt Driver Instructor Education 2.0). Wir beide haben viel gelernt, denn zum ersten Mal wurden systematisch die für die EU-Koordination relevanten Punkte angesprochen (Zwischen- und Endbericht/Finanzbericht). Wir haben uns an manchen Stellen gefragt, warum diese Veranstaltung nicht schon zum Beginn des Projekts angeboten worden ist, denn so hätten wir uns einige Irrläufe ersparen können. Wir nutzen diese Zäsur um die schon weit vorangeschrittenen Prozesse in unserem Projekt zu ordnen (Orientierung an den WP des Antrags) und uns nicht nur für einen möglichen Monitoring-Besuch, sondern grundsätzlich für den Abschlussbericht vorzubereiten. Ach ja, warum "Catering"? Eine der Verantwortlichen der Nationalen Agentur hat uns eindringlich gebeten, bei Belegen den Zweck der Veranstaltung zu notieren. Zu einer der bekanntesten Fehlern bei diesen Belegen für den EU-Finanzbericht gehört der lustige Titel: "Zweck der Veranstaltung: Catering". Sicherlich nur ein Freudscher Versprecher ;-).

Didaktiker haben keine Sprache

… so oder so ähnlich habe ich das vorgestern im Doktoranden-Kolloquium gesagt. Aber der Reihe nach. Im Kolloquium gab es zwei Redner: Silvia Sippel hat erste Grundlinien ihrer Arbeit vorgestellt, bei der es um den Zusammenhang von (didaktischen) Mustern und Assessement geht, gehen soll. Während sie zum Thema Assessement an Hochschulen aus dem Vollen schöpfen kann (siehe ihre Masterarbeit), ist der Link zu den Mustern noch relativ offen, was aber gar nicht schlimm ist. Sicher werden sich über die anstehende (online) Befragung spezifische Fragen an die ohnehin noch junge Musterforschung ergeben.

Im Folgenden hat Christian Kohls über SEIN Thema gesprochen: Muster! Zum Teil deckte sich das mit dem, was er bei e-teaching.org schon gesagt hatte. So stand seine Wanderanalogie über weite Strecken im Zentrum, weil sich an ihr das Konzept der Wirkkräfte besonders gut darstellen lässt. Mit seiner Erklärung haben wir gut verstehen können, dass es auf Seiten des Wanderers und der Landschaft sowohl negative als auch positive!! Wirkkräfte gibt. Im Kontext ergeben sich somit in Abhängigkeit vom Start- und Zielpunkt sehr unterschiedliche Lösungsoptionen.

Aber natürlich hatte Christian noch mehr im Gepäck: Angestachelt durch Gabis Esoterik-Vorwurf ;-) hat er das Konzept der Ganzheitlichkeit verteidigt. Für Christian ist Ganzheit/ Ganzheitlichkeit ein GestaltungsRAUM (Form), ein Modell, aber kein Prototyp! An dieser Stelle wurde es sehr interessant, denn hier ging es darum, wie Muster zu Mustern werden: durch Abstraktion? Nein, nicht allein, denn in der Abstraktion löst sich die Form auf, die Idee (= das Wesen) der Sache geht verloren. Leider war es zu diesem Zeitpunkt schon 17 Uhr, das offizielle Ende der Veranstaltung.

Ich weiß nicht, wie es den anderen gegangen ist, aber hier an dieser Stelle springt der Frosch ins Wasser (würde Ulrich Fahrner sagen). Ich meine, zu der Strategie der Abstraktion (impliziert die Dimension Granularität?) müsste noch ein zweites, komplementäres Prinzip hinzukommen: die Analogie, das analoge Prinzip? Christian und ich hatten früher schon einmal überlegt, ob Pattern Analogien sind. Christian argumentierte damals, dass es zwei Seiten derselben Medaille sind. Wenn das stimmt, dann müsste man fragen, ob diese beiden Seiten nicht unterschiedliche Beiträge/Qualitäten "zum Ganzen" einbringen können. Bei der Analogie unterscheidet man ja zwischen (a) Oberflächenähnlichkeit (was ist sichtbar gleich/ähnlich), (b) Funktionsähnlichkeit (Struktur/ Prinzip) und (c) dem analogen Zweck (Holyoak/ Thagard: Multiconstrainttheory). Vielleicht ist der Musterbildungsprozess sowohl durch ein Abstrahieren (Suche nach allgemeinen, dekontextualisierten Merkmalen) als auch durch ein Analogisieren (Suche nach spezifischen, re-kontextualisierten Merkmalen) gekennzeichnet! In dieser Form hätte man die beiden Anforderungen realisiert, dass nämlich didaktische Muster sowohl gestaltbar als auch gestalthaftig/ -gebend sind!

Gut, … und was war nun mit der Sprachlosigkeit der Didaktiker? Wir kamen immer wieder an den Punkt, dass die Übertragung von Gestaltprinzipien in den Kontext der Pädagogik, des Unterrichts schwierig ist. Was die gemeinsame Gestalt innerhalb einer Punktewolke ist, „sehen“ wir unmittelbar, die Wolke. Wie erkennt man aber eine gute Gestalt von Unterricht? Wie beschreibt man die Gestalt? In diesem Zusammenhang erwähnte Christian, dass es innerhalb der Informatik eine Mustersprache gibt, mit der sich Experten gut unterhalten können. Meine These war, dass es sowas in der Didaktik, genauer zum Unterricht, nicht gebe. Natürlich gibt es Methodenkataloge, Unterrichtsbeispiele, didaktische Taxonomien und auch erste Projekte zu didaktischen Mustern (meist im Bereich e-Learning). Wenn ich mich aber an mein Pädagogikstudium erinnere, dann wurde einer Unterrichtssprache (und jetzt kommt es) mit dem Fokus auf Kontext-, Problem- Lösungssequenzen wenig bis kein Raum gegeben. Stattdessen standen didaktische Modelle (Berliner/ Hamburger Didaktik), Bildungsphilosophie (Humboldt & Co.) und Fachdidaktik auf dem Plan, also eine Sprache ÜBER Unterricht. Mir ist dieser Unterschied wichtig: wir können einigermaßen gut über Unterricht und seine philosophisch-didaktischen Unter- oder Überbau sprechen, aber eine Sprache des Unterrichts, mit der Didaktiker (und die, die es werden wollen!!!) ihre Ideen, Konzepte, Lösungen austauschen können, geht uns ab. Sehe ich da was falsch? 

Erzählen mit Kindern und dem Sauerländer

Hedi Reinmann organisiert nun schon zum dritten Mal ein Kindererzählfest in der Stadtbücherei Wolfratshausen. Am 22. Juli treffen sich große und kleine Geschichtenfreunde im hoffentlich sonnigen Garten der Stadtbücherei, um selber Geschichten vorzutragen oder "dem Klute", so der Name des sauerländer Geschichtenerzählers, zu horchen. Ich freue mich wieder sehr auf den Tag: auf die Kinder, die meist sehr aufgeregt (und Stolz) ihre Geschichten vortragen und auf Klutes Jungen, ein Original. Hedi hat hier viel (mit Unterstützung der Bücherei) auf die Beine gestellt, denn man muss bedenken, vor ein paar Jahren war hier noch nichts zu sehen von einer Geschichtenwerkstatt oder einem Sommerfest. Und wie immer gilt: es ist schwieriger aus nix einen Punkt zu machen, als aus einem Punkt einen bunten Ballon. Im Übrigen hat uns dieses Jahr Christoph Kückner beim Plakat geholfen, ich meine es hat sich gelohnt! Wer mag und im Raum München wohnt, der ist herzlich zum Fest eingeladen :-).