Innovationsfeld: Lehrerbildung (in Österreich)

Gestern war ich im schönen Salzburg auf der Tagung „Forschung zur (Wirksamkeit der) LehrerInnenbildug" (links im Bild nicht die Universität, sondern ein Gebäude in der Stadt). Mit Reinhard Bauer als Co-Referent haben wir über die Potenziale des edubreak-Ansatzes für die (österreichische) Lehrerbildung gesprochen. DAS eine netzgestützte Videoreflexion (plus weiterer Werkzeuge wie Weblogs, E-Portfolio) gerade in der reformierten Lehrerbildung (Life Long Learning, Verzahnung von Theorie und Praxis, Kollegiale Beratung etc.) viel bewirken könnte, dies war und ist unsere Ausgangsthese (Zur „Wirksamkeit" vgl. Alexander Florian, Kapitel 4.2.).

Da wir im Bereich der Lehrerbildung bisher „nur" Ideen, aber noch keine systematischen Erfahrungen (Studien) gesammelt haben, konnten wir auch nur ein analoges Konzept aus der Trainerbildung vorstellen. Was aber wie ein Hinkefuß klingt, empfinde ich als Diskussionsgrundlage für eine wissenschaftliche Tagung als Bereicherung, denn: Man kann sehen, wie ein „ganzheitliches Konzept" in einem anderen Bereich aufgebaut ist, um sich Anregungen für den eigene Bereich – hier der Lehrerbildung – zu holen. Was meine ich mit „ganzheitlich"? Im Sport haben wir das edubreak-Konzept von der Mikroebene der didaktischen Interaktion (Was tun die Studenten warum mit Text, Bild, Video konkret), über das Kursdesign auf der Mesoebene (Blended Learning-Formate) bis zur Vernetzung der Standorte zur Wissenskooperation auf der Markoebene ausbuchstabiert und dies heisst: die Aktivitäten der unteren Ebene sind Vorausssetzung für die übergeordneten Ebenen und die übergeordneten Ebene sind die Bedingungsstruktur für die untergeordenten Ebenen. Erst in dieser Gesamtstruktur wird die neue Qualität deutlich, interagieren die unterschiedlichen Ebenen (und Ressourcen) produktiv miteinander. Dieses „Muster" herauszuarbeiten und zu sehen, halte ich gerade dann für ganz wichtig, wenn es um qualitative Veränderungen in der Bildungspraxis (Innovationen) geht. 

Apropos „Muster": Zuammen mit Reinhard habe ich dann den Restag dazu genutzt, fernab vom Tagungsstress in einer netten, sonnigen Bar über (didaktische) Muster zu sprechen. Dies ist sein Dissertationsthema und zusammen mit Peter Baumgartner arbeitet er am Thema. Die (sicherlich nicht
neue) Erkenntnis nach drei Stunden war, dass wir den Musterbegriff (in der Pädagogik) differenzieren müssen, um nicht Gefahr zu laufen, missverstanden zu werden (Muster ist fast alles). Einen Mehrwert erzeugt der Musterbegriff zumindest dort, wo sehr unterschiedliche didaktische Formate, Ressourcen, Zeit-Raumstrukturen mit unterschiedlichen Beschreibungen und Granularitäten kombiniert werden, dort also, wo bisher Begriffslosigkeit herrscht. …. Aber wie das in Gesprächen „dieser Art" so ist: das Muster lässt sich im Nachhinein nur sehr ungenau rekonstruieren. Und das ist gut so ;-).

Rollenmix oder besser: blended jobs

Seit fünf Jahren bin ich nun Geschäftsführer der Ghostthinker GmbH, also Unternehmer, was mir großen Spaß macht, weil die Tätigkeit recht vielseitig und fordernd ist. „Nebenbei“ habe ich mich immer darum bemüht, den Faden zur Universität nie abreissen zu lassen (Veröffentlichungen, Freiwilligendienste in der Forschung und Lehraufträge an den Unis Augsburg und München), was bei einer wissens- und forschungsintensiven Unternehmung machbar ist.

Ab Januar 2011 habe ich mich nun neben meiner Geschäftsführertätigkeit auch für eine halbe Stelle an der UniBw München entschieden. Inhaltlich arbeite ich zusammen mit Gabi am Thema „Qualität und Evaluation von digitalen Selbstlernmedien“ (Kurze Projektbeschreibung). Auf diese „Wissen-schaftstage“ freue ich mich, zumal es ehe viele Querverbindungen zu anderen Forschungsprojekten und Personen gibt (Tamara, Marianne, Johannes), die alle an der UniBwM arbeiten. Ich hoffe, dass ich mein Engangement im genannten Forschungsprojekt gut einbringen kann.

Jahresrückblick 2010: Wer hätte das gedacht?

Ein vorweihnachtlicher, stiller Sonntag eignet sich gut dafür zu fragen: Wie war das Jahr 2010 für dich, was willst du in deinem Blog festhalten? Wirft man diese selbstgestellte Frage in den Raum taucht gleich eine neue Frage auf: Wie wähle ich aus, WAS ist mir wichtig, warum ist das so? Stellt man zu Beginn zu viele Fragen, dann legt man am Ende den Stift zur Seite uns sagt: „So wichtig war das alles nicht!“ … also frage ich nicht weiter und halte das fest, was in mir beim Schreiben aufsteigt.

Ein zentraler Stellenwert kommt sicher dem 2009 gestarteten EU-Projekt mit den Fahlehrern zu. Die anstrengende Antragsphase und die vielen Formalia zum Projektstart waren nervig, keine Frage. Aber die gesamte Praxisphase hat dann viel Spaß gemacht: angefangen beim KMH-Film in Wolfratshausen bis hin zur intensive Portalnutzung in den Ländern (D, A, B ,I): Wer hätte gedacht, dass die Ausbildungsstätten so relativ leichtfüßig Fahrvideos drehen, hochladen, die Anwärter Kommentare machen, wer hätte gedacht, dass die Österreicher spontan ein Weiterbildungskonzept entwickeln und umsetzen, wer hätte gedacht, dass die Deutschen nicht nur die Praxisstunden im Auto, sondern wie selbstverständlich auch den Theorieunterricht in das Projekt einbinden; wer hätte schließlich gedacht, dass unser 70-jährige Belgier das Gesamtkonzept super managt (ok, im Hintergrund wirkte seine Frau ordentlich mit). Wer hätte gedacht, dass wir gar ein neues Land zum Mitmachen gewinnen? Seit dem Spätsommer sind die Italiener dabei. Wer hätte gedacht, dass der anfänglich zwar offene, aber dennoch skeptische EFA-Präsident das Thema der onlinegestützten Videoreflexion nach dem zweiten EU-Workshop optimistisch mit den Worten einstuft: „Da stecken ungeahnte Potenziale drin“. Ja, und wer hätte gedacht, dass Tamara Ranner mit dem EU-Projekt zu ihrem Dissertationsthema findet, ihrem Thema! Und wer hätte gedacht, dass aus dem EU-Projekt heraus ein BMBF-Antrag erwächst, der das Potenzial von Web 2.0 in diesem exotischen Kontext weiterentwickeln will. Ich hoffe inständig, dass wir den großen Schwung, den wir in den knapp 15 Monaten erzeugen konnten, in einer geeigneten institutionellen Architektur auch im europäischen Rahmen fortsetzen können – Gespräche laufen.

Ja, das schon seit drei Jahren laufende Sportprojekt (Traineraus- und Weiterbildung) geht hinsichtlich seiner Entwicklung- und Implementation langsam dem Ende entgegen, d.h. wir haben in zwei Ländern „Alltagsbetrieb“, neue Bundesländer wollen nachziehen. Für Februar 2011 steht noch aus, die länderbezogenen Aktivitäten in eine bundesweite Community einzuführen, also das Bedürfnis nach länderübergreifendem Wissens- und Erfahrungsaustausch auch medientechnisch zu unterstützen. Auf der Grundlage dieses Modells (Didaktik, Technologie, Organisation) stehen wir im Austausch mit neuen Sportarten und Verbänden, so der Deutschen Handball Trainer Vereinigung (DHTV) und dem Deutschen Behinderten-Sportverband (DBS). Hier geht es darum, im neuen Jahr Einführungsarbeit zu leisten, d.h. vor allem die Lehrreferenten von den Vorteilen des mediengestützten Lehrens und Lernens zu überzeugen, Zweifel zu zerstreuen und Chancen sichtbar zu machen. Ein neuer Kreislauf beginnt … Belohnt wurde diese vierjährige Aufbauphase nun mit der Nominierung zum eureleA-Preis 2011 (wir sind unter den 12 Finalisten, Juchuuu!).

In diesem Zusammenhang sind auch die neuen Projektkontext interessant: Dazu zählt zunächst die Musikausbildung, der sich Marianne Kamper in ihrer Doktorarbeit zuwenden möchte. Ich bin sehr gespannt darauf, welche neuen Anforderungen der Musikkontext (wenig Bewegung, viel Ton) stellen wird. Neu ist auch der Kontext Rettungsdienst und die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz, deren Projekt zum Pflegemanagement wir seit 2010 begleiten.

Interessant fande ich gegen Jahresende den Besuch auf der online educa. Dort waren wir auf der Security-Fachtagung mit einem Vortrag (edubreakSECURITY) vertreten. Ich war am Vorabend angreist und konnte mich erstmals mit Sicherheitsfachleuten über aktuelle Herausforderungen unterhalten. Am Workshoptag selber konnten Johannes Metscher und ich die ganze Bandbreite des Sicherheitsthemas anhören, keine Militärs, aber viel Polizei (z.B. Olympische Spiele in London 2012) und andere Sicherheitsdienste. Jojo hat dann das Referat übernommen, was er – wie ich finde – sehr gut gemacht hat … für DIE Vorbereitungszeit ;-).

Es ist unschwer zu erkennen, dass mein aktuelles Leben sehr von einer Sache geprägt, ach was rede ich, getrieben ist: edubreak. 2007 war das nur ein Name, heute sind es viele Projekte, die sich weiter ausdifferenzieren. Hier und da hatte ich es schon mal angekündigt: Mich interessiert immer mehr, warum edubreak (rel. homogenes Instruktionsdesign) in unterschiedlichen Kontexten und unterschiedlichen Institutionen günstige Lernbedingungen erzeugt, mich interessiert die „dahinterliegende Struktur, das generative Muster“. So ist es nicht verwunderlich, warum meine erste, noch stürmische Forschungsnotiz (erste Überlegungen hier und weiter ausgearbeitete Gedanken hier) den Musteransatz aufgenommen hat. „Muster“ sind frei vom disziplinären Begriffsballast, überwinden leichtfüßig Kulturgrenzen, was Chancen und Risiken (z.B. mangelnde Anschlussfähigkeit) beinhaltet. Ich bin neugierig auf das, was Peter Baumgartner in seinem angekündigten Buch über didaktische Muster sagen wird. Hier suche ich Verbindungen. Eine erste Möglichkeit gibt es hierzu auf der Salzburger Lehrertagung im Januar 2011.

Und was ist mit Tech Pi & Mali Bu, leben die beiden noch? Na klar! Zum Jahresende konnten wir uns mit dem Lebensraum Lechtal e.V. auf ein neues Modulthema einigen: Es geht um Naturschutz und Nachhaltigkeit. Die ersten Zeichnungen sind fertig und ich bin sehr gespannt, wie das neue Modul ankommt, zumal wir hinsichtlich des Figurenstils und auch der Stimmen Veränderungen erleben werden. In jedem Fall gilt aber: Die Entwicklung der Geschichte hat wieder viel Freude gemacht und die Zusammenarbeit mit Frank Cmuchal (Zeichnungen) ist Gold wert. Vielleicht wird das im folgenden Jahr was mit der Idee: „Tech Pi – der Film“. Sponsoren gesucht! :).

Am Ende will ich mich wieder bedanken, bei all den Mitstreitern: Johannes Metscher und Stefan Hörterer, den engsten Mitentwicklern, bei Ingo, dem wirtschaftlichen Mitdenker, bei Tamara und Marianne den mutigen Wissenschaftlerinnen, bei Markus Söhngen, dem „Immer-noch-Fan“ der ersten Stunde, und natürlich bei Gabi, die den ganzen Sums mitträgt. Motiviert, aber auch etwas keuchend, gehe ich ins Jahr 2011.

BALANCE: Wie denken wir uns das?

Irgendwie begleitet mich das Thema „Balance“ schon länger und zwar in recht unterschiedlichen Zusammenhängen, was mir noch gar nicht so bewusst war – bis heute.

Zu aller erst denke ich an den Kontext des Lehrens und Lernens. Da fallen mir Begriffe ein wie: „Blended Learning, hybrides Lernen, Methodenmix, Interdisziplinarität“. Offenbar fordert die komplexe und oftmals widersprüchliche Bildungs- und Forschungspraxis eine Art „Mitte“ ein, die unterschiedliche Strategien, Ansätze und Paradigmen integriert und mit Geltung der jeweiligen Bereichsautonomien ausbalanciert. Doch woher nehmen wir die Idee des Ausbalancierens? Gibt es hierzu theoretische Vorstellungen, eine Art Gleichgewichtstheorie des Lehrens und Lernens jenseits der piagetischen Äquibrillation? 

Zum Zweiten denke ich an unser noch junges Netzwerk Ökonomie und Bildung e.V.. Seit Beginn der Aktivitäten im Jahr 2004 schlagen wir uns u.a. mit einer zentralen Frage herum: In welchem Verhältnis stehen Ökonomie und Bildung zueinander? In den vielen Gesprächen u.a. mit Gabi, mit meinem Bruder Peter, mit Fritz Böhle und Sandra Hofhues hantieren wir immer wieder mit Metaphern, um den großen Widerspruch, aber auch die produktiven Abhängigkeiten fassen zu können – im wahrsten Sinne des Wortes „Denk-Krücken“. Vor diesem Hintergrund habe ich heute Morgen zum Buch „Welt in Balance“ gegriffen, darin enthalten das Friulanisches Manisfest, das auf knapp vier Seiten den Hintergrund zur ökosozialen Marktwirtschaft auf den Punkt bringt. Im Buch generell, in unseren Verein im Speziellen geht es um die Frage der Ausbalancierung von Interessen, nicht im Sinne einer „Harmonie“, sondern im Sinne eines Widerspruchmanagements.

Ein dritter Bereich ist die eigene Gesundheit. Um sie zu wahren, muss man sich um sie kümmern, sie vor dem Hintergrund konkurrierender Interessen in ein Gleichgewicht bringen. Erfolgsbedürfnisse und Karrierewille, Bedürfnis nach sozialen Kontakten, Wohlbefinden und Entspannung. Wer hier das rechte Maß im Blick hat, von dem aus er die vielen Ansprüche „managt“, der kann sich glücklich schätzen. Wir reden von psychosozialer Gesundheit, um darauf hinzuweisen, dass Gesundheit ein „Integral“ aus sozialen, psychologsichen und auch körperlichen Bedürfnissen ist.

Also: drei Bereiche, in denen wir etwas ausbalancieren müssen: Lernprozesse, Governance, Gesundheit. Wie eine Steckpuppe greifen diese Bereiche ineinander, von der Mikroebene einer gesundheitlichen Kohärenz bis auf die Makroebene einer öko-sozialen Marktwirtschaft. Was jeweils von uns gefordert wird, ist eben diese Suche und konkrete Umsetzung von Balance. Aber, wie denken wir uns Balance? Als Mischung, als Integration, als Widerspruchsgelage, als Fließgleichgewicht? Welches mentale Konzept, welchen „Frame“ haben wir im Kopf: eine Wippe, ein sich drehender Kreisel, ein Agonist/Antagonist-Modell, … nochmal: Wie konzipieren wir Balance, was ist die regulative Idee? Wer ein Buch kennt, das diese Frage behandelt, dem wäre ich für einen Tipp dankbar.

writers workshop: Wissenschaftliche Fairness!

Am gestrigen Freitag habe ich zum ersten Mal an einem writers workshop teilgenommen. Bisher war dieses Format an mir vorbeigegangen, aus der Ferne habe ich Begeisterungsstürme von Peter Baumgartner und Reinhard Bauer mitbekommen. Mit der Forschungsnotiz von Reinhard und Gabi ist es dann konkreter und greifbarer geworden. Also, gestern am Freitag saß ich mittendrin und zwar als Teilnehmer und shepherd.

Die Kernidee eines WW ist, dass man im Vorfeld Texte von Autoren sorgfältig liest und sich Anmerkungen macht. Am Workshoptag selber werden diese Texte besprochen und zwar (a) mit einer wertschätzenden-konstruktiven Grundhaltung und (b) ohne direkte Beteiligung des Autors. Der Autor darf etwas abgerückt vom Diskussionskreis mit abgewandtem Blick „lauschen“.
Die Veränderung des Settings um die Punkte a und b macht vieles anders. Wir sind es als „typisch Deutsche“ gewohnt, schnell über die positiven Seiten einer persönlichen Leistung hinwegzugehen, um „zur Sache zu kommen“, d.h. zu kritisieren. Uns scheint das wichtig zu sein, denn wie soll man besser werden, wenn man nicht direkt auf seine Fehler hingewiesen wird: direkt, hart … aber auch fair? Über die Bedingungen dieser (wissenschaftlichen) Fairness machen wir uns wenig Gedanken, anders eben in einem writers workshop.

Das fängt damit an, dass jeder im Raum die Texte, d.h. die GEDANKEN des Autors sorgfältig gelesen hat. Das ist die notwendige Bedingung für substanziellen Zu- oder Widerspruch. Jeder, der auf normalen Tagungen seine Folien vorstellt, bemerkt schnell: Die Zuhörer können eigentlich nur einen
oberflächlichen Blick auf die visuell aufgehübschten Folien werfen.

Von Fairness spreche ich auch, weil im Workshop die Texte der Autoren im Zentrum stehen und eben nicht lästiges Machtgetue der Besserwisser oder Verteidigungsrituale des Autors, also der ganze mikropolitische oder psychologische Overhead. Der abseits sitzende Autor ist vielmehr Zuhörer seines eigenen Films. Aus dieser sicheren Distanz fallen selbst schärfere Kritik, pardon, Verbesserungsvorschläge, noch auf fruchtbaren Boden.

Fazit: Ich habe den Eindruck, dass die Bedingungen in einem WW für den wissenschaftlichen Austausch günstig sind, hier geht es fair und respektvoll zu. Die eingestreuten Rituale (sich abwenden, klatschen etc.) wirken in der Situation nicht lächerlich, sondern deuten darauf hin, dass hier etwas sehr Wertvolles und letztlich Intimes ausgetaucht wird: Gedanken.     

Am Schluss noch eine Anmerkung: Ich war in einer Doppelrolle anwesend, wie gesagt als Teilnehmer und shepherd, d.h. ich durfte im Vorfeld zum Workshop die Textentstehung von Marianne betreuen. Das hat großen Spaß gemacht, zumal jeder von so einem Gedankenaustausch profitiert. Im Diskussionskreis selber, also im Workshop, ist diese shepherd-Rolle aber eher hinderlich, warum? Weil man den Text „seines“ Autors verteidigen möchte, … wehe dem, der was Kritisches sagt. Aber genau diese Verteidigung ist nicht gewollt, da muss man entweder die Klappe halten oder gleich mit dem Autor ins Abseits gehen.

EU Workshop: Driver Instructor Education 2.0

Immer wieder ist es fazinierend zu sehen, wie rasch die Zeit vergeht. Diese informationsarme Aussage würde mich traurig machen, wenn die Zeit nicht vollgestopft wäre mit interessanten Erfahrungen, die man ja nur IN und MIT der Zeit machen kann. Zu diesen interessanten Erfahrungen gehört unser EU-Projekt, indem Möglichkeiten und Grenzen einer mediengestützten Fahrlehrerausbildung diskutiert, ausprobiert und evaluiert werden. Am Mittwoch hatten wir unser zweites Arbeitstreffen (Vorbereitung und Durchführung mit Tamara Ranner), das wir im Medienzentrum der UniBW München abhalten konnten. Gekommen waren alle Partner (Österreich, Belgien, Deutschland, Präsident der EVA e.V.) einschließlich der neuen Vertreter des Verkehrsinstits München. Inhaltlich wurden die Erfahrungen der letzten Monate besprochen, sowie Erweiterungen wie ein Portfolioeinsatz oder mobile Anwendungen diskutiert. Nun wollen wir die letzten sechs Monate nutzen, um unser Projekt auf verschiedenen Konferenzen (online educa, learntec, red confernece etc,) sowie in Zeitschriften (Fahrschule, Verkehrssicherheit etc.) vorzustellen. Der letzte Workshop wird in Österreich bei der Fahrwelt Kern stattfinden – darauf freue ich mich allein wegen der Teststrecke ;-).

Sport, Fahrschule, Musik … was ein Durcheinander

In den letzten Jahren habe ich primär versucht, Artikel in Organen der Sportwissenschaft „unter“ zu bekommen, es ging um Sport, also Sportwissenschaft. Aber es geht auch (oder gerade?) um Medien, um den sinnvollen didaktischen Einsatz im Unterricht und welche Effekte das für den Einzelnen oder für die Organisation haben kann. Der Zugang zur Sportwissenschaft war und ist nicht immer einfach, weil es in den Sportwissenschaften, genauer der Sportpädagogik, noch keinen rechten Schwerpunkt „Mediendidaktik“ gibt. Aber es tut sich was …

Der aktuelle Artikel „Videoannotation“ (den ich zusammen mit Gabi geschrieben habe) wird in der "Medienpädagogik" erscheinen, denn dieser spezielle Ansatz hat übergreifenden Charakter und wir argumentieren in Richtung Unterrichtskompetenz, was Lehrpersonen generell ansprechen soll. Dabei nehmen wir die Erfahrungen zur Videoreflexion aus dem Sport- und Fahrschulbereich und entwickeln den bisherigen Ansatz in Richtung visuell gestützter „Verlaufsmuster“. Das Jahrbuch Medienpädagogik (wird herausgegeben von: Schulz-Zander, R., Eickelmann, B., Moser, H., Niesyto, H. &; Grell, P. beim VS Verlag für Sozialwissenschaften) ist wohl der rechte Ort, um diese neuen und wie wir hoffen innovativen Formen der Förderung von Unterrichtskompetenz zur Diskussion zu stellen. (Preprint hier herunterladen). Zukünftig möchte ich mich dem didaktischen Zusammenspiel aus übergreifenden UND domänenspezifischen Anforderungen intensiver zuwenden, … d.h. zu dem bisherigen Durcheinander von "Bewegungsfeldern" eine strukturierende Klammer finden.

Die Invasion der beruflichen Bildung – GMW 2010

Mit dramatischen Worten leitete Rolf Schulmeister seine key-note auf der diesjährigen GMW Tagung ein: „Es ist nicht fünf Minuten vor Zwölf, sondern 24 Stunden danach“. An sich hätte er seinen Vortrag hier abbrechen können, denn wenn der Zug einmal abgefahren ist, dann hilft nichts mehr, oder? Aber es gibt wohl noch Hoffnung.

Schulmeister ging in seinem Vortrag weit zurück in die deutsche Geschichte der Bildungsinstitutionen, ins späte Mittelalter, als die ersten Universitäten gegründet wurden. Auf dieser Grundlage skizzierte er die Gründungen von Technischen- oder Polytechnischen Hochschulen im 18. und 19 Jh., die meist aus einfachen Bau- oder Ingenieursschulen hervorgegangen waren. Addiert man die Neugründungen im Bereich der Fach- und Privathochschulen gerade im 20. Jahrhundert hinzu, dann zeigt sich aus seiner Sicht eine Art „Invasion“ der beruflichen Bildung und zwar im Innenhof des akademischen Himmels. Was davon zuhalten ist, wird in Schulmeisters knappen Fazit deutlich: „Anti- Universitäten“, „Coffee-Management“, „amerikanische Verhältnisse“ … mit diesen Stichworten bewertet er die aktuellen Bildungsblüten. Man mag über Schulmeisters „Auszählwut“ an manchen Stellen schmunzeln (einige seufzen), aber der Analyseteil ist doch beeindruckend, gerade weil er einen Zeitraum von 800 Jahren umfasst und damit die Augen für „verborgene Entwicklungen“ oder „Wellen“ wie er selbst sagt, öffnet. Nun kann man über den Analyseteil erst mal in Ruhe nachdenken. Dabei sollte man sich aber fragen, ob die berufliche Bildung IMMER zu Formen der Verflachung führt oder ob darin nicht AUCH eine Chance liegt, über einen zeitgemäßen Bildungsbegriff nachzudenken, der das „erfahrungsgeleitete Handeln“ – also berufliche und körperliche Perspektiven – produktiv integriert (Böhle, Fritz: Kann die höhere Bildung von der beruflichen Bildung lernen? BWP, 2/2010).

Neben diesen key-note gab es eine Reihe weiterer interessanter Eindrücke und Impulse für mich, die natürlich immer selektiv sind, z.B. Peter Baumgartners Versuch, eine didaktische Taxonomie herzuleiten. Der Ordnungsvorschlag ist in der aktuellen Form noch abstrakt und ich sehe noch nicht das heuristische Potenzial, das Peter dem Zuhörer verspricht (= Periodensystem aus der Chemie). Peter untermauert seine auf Flechsig aufbauende Arbeit mit Arbeiten zur Ontologie (Hartmann, Polanyi) und flankiert diese mit Theorien zur Emergenztheorie. Ich tue mir noch schwer mit diesen Geschützen und ich bin mir unsicher, ob der Anspruch dieser Taxonomie an hochtheoretischer Fundierung einerseits und praktischem (heuristischem) Nutzen für das Design mediengestützten Lernens andererseits unter EINEN Hut zu kriegen ist. Die Frage ist: Muss man sich hier zwischen einer handlungspraktischen Designlogik (Reinmann) und einer systematischen Ordnung (Baumgartner) entscheiden? Anders herum war Peters Beitrag einer der wenigen (die ich ausmachen konnte), der sich explizit einer Theoriearbeit zugewandt hat, was ich für eine wissenschaftliche Tagung ganz passend finde ;-).

Neben den skizzierten Vorträgen hat mich auch das Format „Learning Cafe“ und hier insbesondere der Thementisch von Tom Sporer interessiert. Tom und Mitstreiter hatten einen Artikel geschrieben, in dem das Konzept des Dialogs (in Abgrenzung zum Diskurs) skizziert ist. Am Thementisch wurde darüber diskutiert, wie ein ideales Tagungsprogramm mit virtueller Phase und Präsenzblock aussieht. Ich habe die Unterhaltung zum Dialog aber später mit Tom führen können, wobei wir das Potenzial von Metaphern als Container (Isaack W.) in den Blick genommen haben, was Spaß gemacht hat.

Schließlich konnten Jojo und ich noch Dominik Petko sprechen, der ein Poster im Lichthof betreute. Der Austausch mit Dominik war aus zweifachen Grund wichtig: Erstens haben wir uns über die Videoannotierung bzw. visuelle Verlaufsmuster unterhalten und wie man diese didaktische Neuerung am besten in einem wissenschaftlichen Artikel beschreibt ;-), und zweitens konnten wir ihm unser edubreak Projekt auch mal live zeigen. Hier gibt es viele Bezüge zu den Video-Arbeiten von Dominik und vielleicht ergeben sich neue Kooperationschancen mit den Schweizern.

In der Summe haben mir die zwei Tage in Zürich sehr gut gefallen, wegen des schönen Ortes, der zum gemeinsamen Nachdenken einlädt, der interessanten Menschen und Projekte, die man angetroffen hat und auch deshalb, weil eine Abwechslung zur „gemeinen Arbeit“ einfach gut tut.

Kein Auge zugemacht

In den letzten 14 Tagen habe ich zwei Artikel intensiver gelesen: denjenigen zur „Sichtbarkeit der Lehre“ von Mandy und Hr. Eugster und Bieri‘s knappe Rede zur Frage, was Bildung ausmacht. So ist es zu erklären, warum ich mich in ein nächtlichens Gedankenexperiment verstrickt habe, bei dem es darum ging, eine „Metapher“ für den UNTERSCHIED von Bildung und Ausbildung zu finden. Bieri sagt, es ginge bei der Bildung „um alles“; Ausbildung sei etwas ganz anderes. Die Frage ist: Warum vertauschen wir – also jenseits des Liebhabermarkts – die beiden Begriffe so oft, warum drängen wir nicht viel mehr auf die eigene Qualität von Bildung? Meine vorläufige Antwort: weil es auch so geht!

Bei der Suche nach dem Unterschied zwischen Bildung und Ausbildung ist mir die Sichtbarkeitsmetapher wieder in den Sinn gekommen. Bildung wurde und wird oft mit „Sehen“ verglichen. Die Gegenüberstellung vom Sehenden und Blinden passt aber nicht, der Übergang ist zu stark. Vielmehr glaube ich, dass sich Ausbildung zu Bildung verhält wie das einäugige zum zweiäugigen Sehen.

Bleibt man in diesem Bild (Analogie), dann ist der Mehrwert des zweiäugigen (binokularen) Sehens der, dass man „räumlich tiefer“ sehen kann, dass man den „Randbereich“ des Sichtfeldes besser unter Kontrolle hat und das man z.B. ein sich bewegendes Objekt „leichtfüßig“ fixieren kann. Wie man sieht, stecken in diesem Bild weitere Metaphern: Tiefensehen, Ränderkontrolle, Leichtfüßigkeit, die man mit etwas gutem Willen z.B. den kritischem Denken zuordnen kann. Und was bringt dieses zweiäugige Sehen nun? Die Welt „da draußen“, kann ich auch mit einem Auge gut genug beobachten. Ist das zweite Auge also Luxus?

Wahrscheinlich scheiden sich an diesem Punkt die Geister, also nicht beim Auge, da sieht es jeder aus eigener Einsicht ein. Aber beim Unterschied von Ausbildung und Bildung und vor allem bei den notwendigen Investitionen, die ein Staat, eine Organisation, aber auch jeder Einzelne in das „zweite Auge“ stecken muss. Wahrscheinlich sind wir vom abnehmenden Grenznutzen schon so sehr beseelt, dass die Investition in ein weiteres Auge (Bildung) aus der Sicht der Augenmacher als völlig unsinnig erscheint. Was also tun? Sicherlich helfen letztlich keine erkenntnisleitenden Metaphern oder andere Einsichtshelfer, sondern die Evolution wird zeigen, ob wir in einer sog. Wissensgesellschaft das zweite Auge brauchen oder … einfach darauf verzichten können.

e-Learning im Sportverband: DOSB-Studie online

In den letzten Monaten wurde im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) eine Expertise zum E-Learning in deutschen Sportverbänden erstellt. Diese steht nun online zur Verfügung. Neben einer Analyse zum Ist-Zustand in den Sportverbänden werden auch Empfehlungen für die Einführung und Nutzung von mediengestützten Lernszenarien gegeben. Da die Kollegen aus dem Tischtennis auch befragt wurden, spiegelt sich das Engangement von Ghostthinker in der Studie wieder (=> edubreak Sportcampus, S. 39). Seit 2007 begeleiten wir den TTVN, WTTV und DTTB auf dem Weg zu mediengestützten Lehr-Lernszenarien. In diesen Jahren sind nicht nur sportspezifische, didaktische Konzepte für die Trainerausbildung (und Fortbildung) und eine maßgeschneiderte Webtechnologie mit Videokommentierung, Blogs, Portfolio und Feedbackmanagement entstanden (Web 2.0 ist nur ein Stichwort), sondern uns war von Anfang an auch wichtig, dass alle Beteiligten Kompetenzen im Umgang mit den Medien aufbauen. Genau dies konnte ich (zusammen mit Johannes Metscher) am vergangenen Montag in Frankfurt bei einem DTTB-Arbeitstreffen wieder erleben, bei dem die Lehrreferenten "wie selbstverständlich" über Potenziale (und auch Grenzen) der mediengestützen Lehre diskutiert haben; nicht abstrakt sondern ganz konkret für die Lehrgangsplanung 2010/2011. Das ist toll anzusehen und letztlich Zweck unserer Arbeit.