Am Freitag war ich auf der dvs-Sportpädagogen-Tagung in Hamburg. Die Professoren Bähr, Krieger und Richartz (Tagungsausrichter) hatten die Tagung mit Schwerpunkt zur Evaluations-forschung organisiert. Ca. 100 Teilnehmer aus dem deutschsprachigen Raum (inklusive einer Fernschaltung nach USA zu Dr. Patton!) waren nach Hamburg gekommen, um über gewöhnliche und ungewöhnliche Fragen zu diskutieren. Ich selber hatte mich für eine Session Design Based Reaearch (DBR) beworben, um unsere Entwicklungsarbeiten rund um edubreak vorzustellen. In bewusster Abgrenzung zum Vortrag von Frau Babbert (Mitarbeiterin von Prof. Richartz) wollte ich die nicht immer lineare Entwicklungsgeschichte zu edubreak als kennzeichnendes Moment jeder Entwicklungsarbeit narrativ skizzieren: von der Ideenfindung und Analysearbeit, über die Konzept- und Technologieentwicklung bis zu mehrjährigen Implementations- und Weiterentwicklungsschlaufen. Ich möchte in solchen Situationen einen Beitrag als jemand leisten, der „dabei war“, also im Sinne der „oral history“ vom Geschehen vor Ort berichtet (vgl. Abschnitt 2 in unserem Artikel). Ich habe den Eindruck, dass das nur begrenzt gut ankommt. Einerseits ist der narrative Plauderton in einem wissenschaftlichen Rahmen irritierend (man achtet eher die Kategorien und Kästchen) und andererseits ist auch die unternehmerische Rolle, die ich habe, gewöhnungsbedürftig. Ich muss mich natürlich kritisch fragen, was die Entwicklungsgeschichte zu edubreak mit einer Forschungsgeschichte zu tun hat. IST edubreak überhaupt ein (gutes) Beispiel für Entwicklungsforschung? Man muss ehrlicher weise sagen, dass edubreak nicht am Reißbrett entstanden ist, es also hierzu keinen expliziten Forschungsplan gegeben hat. Eher handelt es sich um einen Mix aus umfänglicheren Entwicklungsarbeiten (als Antwort auf ein komplexes Praxisproblem), leichtgewichtigen und engmaschigen Evaluationen zum Zwecke der Optimierung von Technologie, Didaktik und organisationaler Einbindung und eher unsystematischen Veröffentlichungen und Reflexionen zum Thema. Im Zentrum stand immer die Praxisinnovation, keine Qualifizierungsarbeit oder ein fremdfinanziertes Forschungsprojekt, was in bestimmter Weise für einen „ordentlichen“ Projektplan zur Legitimation sorgt. edubreak ist ein Evolutionsprodukt. Ich stelle immer wieder fest: Die Darstellung einer „gerichteten Evolution“ ist schwer und eine „Glättung“ im Nachhinein stimmt einfach nicht.
Entsprechend unbefriedigend ist es, wenn man nach 20 min (völlig richtig von der Moderatorin) seine Erläuterung abbrechen muss, denn viele Fragen bleiben offen – die Darstellung würde einen Workshop füllen. In den Ohren von Pädagogen hat die Beschäftigung mit DBR zudem etwas Mechanisches, Formalistisches, man könnte denken, „Ingenieure sind am Werk“: Man optimiert Prozesse, Organisationsstrukturen, Aufbau und Funktion von Lernwerkzeugen etc. Wo ist die pädagogische Sache, wo geht es um Lernqualitäten? Und was noch viel verwickelter ist: Man mag den Mehrwert für die Praxis noch nachvollziehen können, so wie man nachvollziehen kann, dass ein Maßanzug, der x-mal umgenäht und angepasst wurde, besser sitzt. Aber: Den Mehrwert für die Theorie, für die Erkenntnis, für die Wissenschaft erkennt man nicht, will oder kann man nicht erkennen. Wo wird hier verallgemeinert? Nach welchen verbindlichen Standards geschieht das? Es scheint tief in die DNA der wissenschaftlichen Meme eingebrannt zu sein: Es muss Rigor sein! Die dahinter liegenden Metaphern sind und bleiben bis auf weiteres bestehen: „hart“ und „weich“ (vgl. interessantes Diskussionspapier Rigor & Relevanz von Alexander Dilger), siehe auch Gabi in einem früheren Beitrag. So ist es zu verstehen, dass dieser Dualismus nun auch wieder beim DBR zur Anwendung kommt: Man unterteilt in eine eher innovationsorientierte (Gabi wurde im AK dieser Richtung zugeordnet) und eine theorieorientierte Schule. Hier geht es um Nutzen, dort um Erkenntnis. Mein abschließendes Plädoyer im AK ging in die Richtung, an diesem Punkt wachsam zu sein, denn der spezifische Beitrag des DBR besteht meiner Meinung genau darin, DURCH (!!!) Design Nutzen und Erkenntnis zu VERBINDEN, also zwei Seiten einer Medaille durch systematische und zyklische Kopplung komplexer Interventionen mit einer ebenso komplexen Praxis. Man muss gerechter Weise sagen: Verallgemeinerung in Form von Gestaltungsmustern oder (lokal begrenzten) Prototheorien, … so löst sich die Rigor-Paradoxie auf.
Vor diesem insgesamt eher skeptischen Hintergrund bin ich froh, dass ich nach unserem Arbeitskreis einen Kollegen aus der Schweiz kennen lernen durfte, Eric Jeisy von der EGS Magglingen. Er promoviert gerade über DBR. Was er in einem kurzen Nachgespräch erzählt hat, klang sehr spannend und informiert. Vielleicht ergibt sich hier noch ein intensiverer Austausch.