Die Stärke schwacher Bindungen
Auf einer der letzten GMW-Tagungen hatte Herr Bolz etwas von schwachen Bindungen erzählt. Das sind Beziehungen zu Menschen, die man noch gar nicht persönlich kennt, in denen aber laut Theorie viel Information „steckt". Die Beziehung zum eigenen Lebenspartnern – das "steckt" mir noch im Ohr – sei vor diesem Hintergrund als informationsarm einzustufen. Alle haben damals gelacht.
Nun, ich habe auch so eine schwache Bindung kennengelernt und es stimmt, was die Theorie sagt. Die Geschichte dazu geht so: Ich liege 2005 auf dem Sofa und lese ein Buch über Analogiedenken (Autorin: Karin Gloy) und verfasse im Anschluss eine kleine Notiz in meinem Blog. Im Winter 2012 – also sieben Jahre später – meldet sich eben jene Karen Gloy per Mail mit Dank zur Blognotiz und Bitte, doch eine Rezension über ihr neuen Buches „Wahrnehmungswelten" zu schreiben. Ich treffe mich mit ihr zum persönlichen Austausch in München, interessante Dame, interessantes Thema! In der Folge verfasse ich eine kleine Rezension, die ich dem Wiener Jahrbuch für Philosophie zur Veröffentlichung antrage. Im Dezember dieses Jahres wird die Rezension von „Frank Vohle aus München" dort erscheinen. Frau Gloy hat mir bereits ihr Folgebuch geschickt: Kulturüberschreitende Philosophie.
Was ist nun so besonders daran? Ich freue mich darüber, dass das Unwahrscheinliche wirklich passiert, dass eine neue Beziehung gelingt. Fazit: Lege deine Denkspur ins Netz (Christian würde sagen, einen „Schnipsel") und du kannst auf Menschen treffen, die dich inspirieren, die du niemals sonst im Leben hättest kennen lernen können. Schwache Bindungen und das Internet, ja das ist ein Paar!
Innovationsprojekte: Eine Frage des Glaubens?
Am Donnerstag/Freitag haben wir den dritten und letzten Workshop im Projekt „Videoeinsatz in der Fahrlehrerausbilung: Aufbau einer Professional Community zum bundesweiten Austausch von Erfahrungswissen" hinter uns gebracht: Ghostthinker ist als technischer (mediendidaktischer) Partner an diesem bmbf-Projekt beteiligt, dass von der UniBwM (Tamara Ranner Projektkoordination) geleitet und vom Verkehrsinstitut München (unserem Auftraggeber) und der Bundesvereinigung der Fahrlehrerausbildungsstätten (BAGFA) getragen wird. Neben den genannten Partner sind noch weitere Ausbildungsstätten aus Deutschland dabei, bundesweit, das macht es interessant.
Es war ein intensiver, auch kritischer Austausch, u.a. war der Präsident der Bundesvereinigung der Fahrlehrer, Herr v. Bressensdorf, sowie Herr Dr. Reiter (siehe Bild) von MOVING Internatioanl Road Safety Association e.V., dabei. Die Frage bei diesen zeitlich kurzen Innovationsprojekten ist ja immer: Zeigt sich eine Wirkung, zeigt sich ein Nutzen? Was steht im Zentrum: Return on Investment oder Return on Value oder beides? Was muss man weiter verändern/entwickeln, damit der Nutzen sichtbarer wird? Ist der Ansatz überhaupt der Richtige? Sind wir nicht vielleicht zu früh oder viel zu spät dran? Tja und weil man das alles nicht so genau sagen kann, ist es am Ende des Tages eine Frage des Glaubens: JA, ich glaube an positiven Entwicklungen, wenn wir noch x, y, z tun, NEIN, ich wette nicht darauf, dass es einen „Sprung" (vielleicht Quantensprung, der ist unendlich klein) gibt. Am Freitag gab es Gott sei Dank ein paar "Jasager", die hinter dem Projekt stehen und es weitertreiben wollen. Wie das genau aussehen wird, ist noch offen, aber mit diesem Bekenntnis hat das Nachhaltigkeitskonzept (BMBF-Endbericht) eine Archillesferse!
Wir Ghostthinker haben in diesem Projekt auch (wieder) viel gelernt, einerseits bei der technischen Entwicklung einer virtuellen Professional Community, aber andererseits auch bei der Parallelfrage, was man an didaktischen Überlegungen alles berücksichtigen muss (Kultur der Wissensteilung in quasi- Wettbewerbssituationen; Gestaltung von Beschreibungsformate etc.). Dieses Wissen ist sicher auch wertvoll für neue Kontexte und Zielgruppen, … mal sehen was das neue Jahr für Perspektiven bringt.
Didaktische Vielfalt: entwickeln-ordnen-vermitteln
Im SALTO-Teilprojekt des Deutschen Tischtennis Bundes e.V. geht es weiter zügig voran; am Donnerstag haben wir uns im erweiterten Kreis in Frankfurt zum Austausch getroffen. Zunächst ging es darum, den Vertretern (die Frauenbesetzung ist noch dünne) aus Bayern, Hessen, Rheinland, Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg die Struktur der bisherigen Praxis zum Blended Learning im DTTB (A-Kurs) zu vermitteln, tiefere Eindrücke zu den Lernwerkzeugen zu geben. Ebenso haben wir neue Einsatzszenarien identifiziert, die bisher noch nicht gesehen wurden.
Für mich überraschend war, dass wirklich viele neue (!) Szenarien, z.B. auch mit Auflösung der Kursstruktur, auf den Tisch kamen. Auf der Grundlage dieser Fallsammlung konnten wir dann ein erstes kleines „Ordnungsraster" mit wenigen Dimensionen entwickeln, dass aber die Idee in Richtung einer Taxonomie aufgezeigt hat. Das ist wichtig, denn am Ende müssen wir „so was" abliefern. Am Horizont erscheinen also erstmals Formen des Endprodukts: eine Ordnungskarte mit relevanten Dimensionen, knapp beschriebenen Szenarien im symbolischen Kurzformat, ABER AUCH Videostatements von Praktikern mit narrativen Erläuterung von Rahmenbedingung und konkreter Umsetzung des jeweiligen Formats sowie Informationen zur empirisch ermittelten Bearbeitungsdauer pro Werkzeug bzw. aktiven online-Zeiten. So kann man als Interessierter schnell sehen, was es an Blended Learning-Formaten gibt, was zum eigenen Verband und persönlichen Vorlieben passt, mit welchem Aufwand man rechnen muss und was es für Fallstricke gibt (… das geht in Richtung „Design Patterns", Beispiele bei Peter, vgl. auch Vortragsankündigung (vgl. kurze Buchbesprechung Beitrag hier) wichtig erscheint mir aber, dass wir die Szenarien mit vielfältigen und komplementären Beschreibungsformen Text, Symbole, Video kennzeichnen. Hier stecken wir noch in den Kinderschuhen, aber die Sitzung hat deutlich gemacht, wo die Reise in diesem Teilprojekt hingehen wird. Es hat sich auch bewährt, dass wir dieses Treffen mit einer Onlinephasen vorbereitet haben und sicherlich auc mit einer Onlinephase nachbereiten, Blended Learning geht auch beim Projektmanagement. Also, weiter grünes Licht …
Bildungsmanager/in der Sozialwirtschaft, Berliner Fachtagung des DRK e.V.
Mario Heller vom Deutschen Roten Kreuz e.V. (Leiter Bildung, DRK) hatte mich vor ein paar Wochen zu einer Fachtagung (s.o) eingeladen, um einen Beitrag zum Einsatz digitaler Medien in der Bildungsarbeit zu leisten. Die Arbeit mit Rettungs-assistenten, Rettungs-sanitätern und Ärzten ist uns nicht unbekannt, denn schon 2010 haben wir im Kreisverband Augsburg erste Gehversuche mit der online-Videokommentierung in diesem wichtigen gesellschaftlichen Bereich sammeln können. Zudem haben wir Ghostthinker in einem dreijährigen Projekt 2009-12) des DRK gute Erfahrungen mit einem Führungskräftecoaching gemacht, indem der edubreakCAMPUS (hier nur die Blogs) bundesweit zum Einsatz kam. Da geht noch mehr.
Wir hatten uns im Vorfeld Gedanken gemacht, wo der edubreak-Ansatz – vor allem die Videokommentierung – einen idealen Beitrag bieten könnte und waren bei sog. „SAN-Arenen" hängen geblieben. SAN-Arenen sind hochtechnisierten Ausbildungsstätten des DRK (nicht nur dort) und diese bieten alles, was man sich an Equipment rund um das Thema Video wünscht. Jedenfalls eine gute Grundlage, um klassische Präsenzszenarien in Richtung Blended Learning zu erweitern.
Auf der Tagung selber habe ich zunächst einen Impulsvortrag auf der Grundlage der Sportrainerausbildung gehalten und am Ende auch einen Wink zum aktuell laufenden SALTO gemacht, … kann ja nicht schaden. Auf dieser Grundlage konnte ich dann zusammen mit Robert Hauptenbuchner vom Bayrischen Roten Kreuz – ein voll im Saft stehender Ausbilder, Berufspädagoge und „Fuchs" – einen Transfer der edubreak-Ideen in den Rettungskontext mit den Teilnehmern erarbeiten. In zwei Arbeitsgruppen (workshop) haben wir das Potenzial der Videokommentierung nicht nur für SAN-Arenen diskutiert, sondern auch gute Ideen für eine Blended Learning-Ausbildung von ehrenamtlichen Rettungssanitätern zusammen getragen. Toll, was da auf die Schnell entstanden ist. Der Workshop hat auf jeden Fall gezeigt, dass einige Verbandsvertreter und Verantwortliche von Ausbildungsschulen mehr wollen. Nun gilt es das zusammen mit dem Bundesverband zu koordinieren um aus den Ideen ein Feuer zu entfachen :-).
Wichtig ist auf’m Platz
Am Mittwoch war ich zusammen mit Markus Söhngen (im Bild) auf der Tagung „Weiterbildung 2.0", zu der uns Herr Siepmann von Siepmann Media freundlicher Weise eingeladen hatte. Nachdem uns schon auf der Zukunft Personal die Möglichkeit eröffnet wurde, edubreak in der Trainerausbildung vorzustellen (Interview hier), ging es dieses Mal in einer kleinen und feinen „Lokalkonferenz" darum, tiefere Einblicke in unser Didaktikkonzept zu ermöglichen.
Das Team rund um Herrn Siepmann – bekannt u.a. durch das eLearning Journal – hatte sich sehr ins Zeug gelegt: Die Präsenz in Münchens Künstlerhaus hatte etwas ehrwürdiges, Martin Lindner sorgte beim Morgenvortrag mit seinen user experience für Neu-Gier und der ganze Tag war voller Formatvariationen, sodass einem nicht langweilig wurde, ganz im Gegenteil, vielfältige Impulse gegeben und Gespräche ermöglicht wurden.
Geistig hängen geblieben bin ich in einem kleinen bar camp(chen) mit 10 Personen, da ging es intensiv zur Sache: u.a. drehten sich die 15 min Slots um die Themen Individualisierung und Enterprise 2.0. Toll, davon könnte man mehr machen. Erst im Nachgang kam mir der Gedanke, dass man die Gespräche mit Video einfangen und natürlich auch annotieren hätte könnte, WE STOP VIDEOS, klar. Martin Lindner sprach von Einfangen der „Aha-Erlebnisse", vielleicht kann man das bei einer der nächsten Konferenzen mal ausprobieren.
Erst spät am Nachmittag konnte dann Markus an einem world cafe-Tisch das laufende Projekt beim Deutschen Tischtennis Bund e.V. vorstellen: die edubreak-Umgebung mit zentralem Videowerkzeug, aber auch begleitende Werkzeuge wie Blogs, C-Maps und das e-Portfolio für die Prüfungsvorbereitung. Stichwörter wie „Reflexion durch Produktion", „prozessbegleitendes und kompetenzorientiertes Prüfen", „klassische Prüfungen (Tests) werden überflüssig" bleiben im Kopf hängen und regen auch hartgesottene WBTler (die gibt's noch, aber hallo!) zum Nachdenken an. Da er solche Präsentationen immer in der laufenden Umgebung macht und selber den Kurs leitet, ist es schön authentisch und alle hören andächtig zu, wie das „da im Sport geht". Obwohl alle Zuhörer NICHT aus dem Sport kamen (Versicherung, Elektronik, Medizin etc.) waren die Beispiel zur Bewegungsanalyse oder Krafttraining anschaulich und bot Potenzial für Transferfragen – gut so!
Eines muss ich noch loswerden: Ich stelle immer wieder auf Konferenzen fest, dass wenige Beispiele gebracht werden oder man sich scheut, richtig in die Tiefe (der Beispiele) zu gehen. Ein Beispiel ist für mich, wenn ich erfahre, WIE Nutzer in einer Umgebung agieren, d.h., mit welchen Inhalten und Werkzeugen sie Aufgaben bearbeiten, mit und ohne Moderator kommunizieren, sich kritisieren oder unterstützen etc. Ist das so schwer? Stattdessen werden einem oft Metageschichten erzählt, also Geschichten ÜBER und UM das Lernen herum (Die Geschichte von der Kompetenzorientierung, dem 3.0, der Individualisierung). Ich bin aber auf Lerntagungen mehr an den „Texten" weniger an den „Kontexten" interessiert … oder plakativ: Wichtig ist auf'm Platz!
Interdisziplinarität funktioniert
Gestern war ich auf einer Tagung des Deutschen Hochschulverbandes (dhv) in Bonn. Gabi konnte dort einen schönen Vortrag zur Frage des „Digitalen Denkens" aus bildungswissenschaftlicher Sicht halten und ich nutze solche Gelegenheiten als Mitreisender immer zur „Beobachtung der Energieströme" im Raum, wie es einst Herr Hofer-Alfeis nannte. Neben vielen interessanten Aspekten wurde eben auch die Frage behandelt, WIE, also mit welchen Mitteln, die Wissenschaft Phänomene rund um das digitale Denken beforschen könne. Schon die Zusammensetzung der Diskutanten ließ erkennen, dass Analyse und Intervention erfolgreich nur im Schulterschluss mit mehreren Disziplinen zu erwarten sind. Wie immer bei solchen „Großkopfthemen" fallen dann gern Begriffe wie „Interdisziplinarität" oder der kleine Bruder "multidisziplinär" … in jedem Fall wird die Hoffnung artikuliert, dass viele Perspektiven notwendig sind, um das Phänomen in seiner Ganzheit zu verstehen.
Zumindest ein Forscher (Gigerenzer) sagte klar, dass Interdisziplinarität „funktioniere", man „betreibe" das schon seit 15 Jahren am Max-Planck-Institut. Ich teile diese Hoffnung nicht oder besser, nicht so bedingungslos. Schauen wir beispielhaft in die Sportwissenschaft: An der Deutschen Sporthochschule Köln sind ca. 20 unterschiedliche Lehrstühle vertreten, von Sportphilosophie, Sportökologie, Sportökonomie, Sportinformatik bis Sportpädagogik, Sportmedizin, Biochemie – dazwischen eine Reihe von Bewegungs- und Spielwissenschaften. „Herrlich" könnte man denken, ein Paradies für alle disziplinären Vielfalter. Doch in der Realität ist es nun nicht so, dass alle zusammen und gemeinsam das Phänomen Sport erkunden, sondern sich hier bestenfalls Teilgruppen mit geringer paradigmatischer Spreizung zusammentun, also z.B. Bewegungswissenschaft mit Robotik. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn man will die Zeit nicht mit zeitraubendem Aushandeln des Erkenntnisparadigmas vertun, sondern idealerweise innerhalb eines Paradigmas die Ressourcen bündeln, ohne dass epistemische Irritationen einen aus der Bahn werfen.
Man sollte also Projekte, die tatsächlich um ein neues, gemeinsames Paradigma ringen, nicht mit solchen zusammenwerfen, die zwar mehrere Disziplinen kombinieren, deren Vertreter aber doch alle dieselben Glaubenssätze befolgen. Der Wille oder Unwille zur Zusammenarbeit macht sich an den Glaubenssätzen fest. So ist zu verstehen, warum zwischen Pädagogen und Psychologen manchmal die Gräben tiefer liegen als zwischen Pädagogen und Informatikern. Was also kann man tun? Tja, auch hier keine Rezepte, klar, aber vielleicht mehr darüber sprechen, wann, wie, warum unter welchen Zusatzbedingungen inter- oder transdisziplinäres Arbeiten und Forschen klappt. Natürlich sollte jeder dann auch sagen können, was er/sie meint wenn gesagt wird: „Es klappt!".
P.S. Oben im Bild "aufgebockte" Hochtechnologie (der Transrapid im Technikmuseum, in unmittelbare Nähe vom Tagungsort). Schon irre … man fragt sich unweigerlich: Wohin wollen wir eigentlich?
PPS: Hier ein älterer (und reichlich leidenschaftlicher) Beitrag zur interdisziplinären Lehre.