Wir provozieren mit Stil

Gestern waren wir auf der Abi-Verleihung unseres Sohnes. Hurra, hurra. Die Note? Ist doch egal, die wird völlig überbewertet … sagt? Professor Rüppell aus Köln, bitte alle mal zum Dante-Test.

So eine Abi-Verleihung ist feierlich. Da kommen die Schülerinnen und Schüler in eleganten Kleidern und im eng geschnittenen Anzug: Alles zwischen Gala und Cosmopolitan, schrecklich-herrlich. Ach ja, wir sind in Bayern, Lederhose und Dirndl dürfen nicht fehlen. Assoziationen zum Oktoberfest poppen auf.

Ich muss gestehen, dass ich mit einigen Vorurteilen dort hingefahren bin. Generation Y, Konformität und so. Irgendwie war ich dann doch überrascht. Der Blick in die rund 130 Gesichter zeigte zumindest eines nicht: Konformität. Dirndl, Lederhose und Anzug, alles im bunten Mix, auch soundmäßig (das Abholen der Zeugnisse wurde mit selbst gewählter Musik begleitet) von The Stones bis Mr. Bombastic. Ein junger Mann, artig mit Fliege, hatte gar die Schuhe ausgezogen, um sein Zeugnis in Empfang zu nehmen. Wir provozieren mit Stil. Straße war gestern.

Es war meine erste Abi-Feier. Bei meiner eigenen hatte ich „keine Zeit“. Kehrt man nach 25 Jahren zurück in die Schule, tritt ein eigentümlicher Effekt ein: Das, was einem in den Knochen steckt, wird lebendig. Insofern: Schule wirkt fort, von Freude bis Trauer. Hört man den wahrscheinlich immer gleichen Reden des Bürgermeisters, Stadtrats und Sparkassenleiters (selten Innen) zu, den „guten Wünschen für die neue Lebensphase“, dann spürt man sie: die Zeit.