Vom Ende her

Der Begriff „Soziale Innovation" ist mir zum ersten Mal in der Forschungswerkstatt von Peter Baumgarten bewusst über den Weg gelaufen (Gabi hatte schon 2003 die didaktischen Innovationen den sozialen Innovationen zugeordnet). Beim damaligen Treffen im Zentrum für Soziale Innovation in Wien (ZSI) habe ich jedenfalls weitere Beispiele und theoretische Konzepte kennen gelernt. Schon damals dachte ich: Eigentlich erfüllt unser Sportprojekt alle Kriterien einer „Sozialen Innovation": Es geht um eine Methodeninnovation bei der Ausbildung von Trainern/innen, es ist breitflächig angelegt, nachhaltig im Ziel, weil damit eine Vielzahl von organisationalen Problemen im Sportverband (Attraktivität des Ehrenamtes, Qualitätsstandards etc.) angegangen werden, es geht um eine neue, bessere Praxis! Mit dem Begriff der „Sozialen Innovation" hatte ich angefangen, meine bisherigen Bemühungen (didaktische Potenziale der Videoannotation, Einführung von Blended Learning, verbandsübergreifende Zusammenarbeit etc.) unter einer Zweckperspektive neu zu sehen. Zweck und Sinn! Ja, das verliert man manchmal bei allem klein-klein und jetzt-jetzt aus dem Auge.

In der Zwischenzeit hat sich das neue Interesse etwas verstärkt: Ein mittelbar mit dem Thema zusammenhängender Diskussionsbeitrag in der Zeitschrift SPORTWISSENSCHAFT wurde angenommen, ein stimulierender Online-Dialog mit dem Präsidenten der ZU geführt, ein größeres F&E-Projekt mit dem Deutschen Olympischen Sportbund e.V. auf den Weg gebracht, erste Ideenanker mit dem Deutschen Roten Kreuz e.V. formuliert und eine noch junge Partnerschaft mit Change Evolution geschlossen. Das hängt zwar alles noch nicht direkt zusammen, aber ich erkenne ein Muster, das mir gut gefällt und mich anzieht. In diesem Zusammenhang spielen die digitalen Medien eine zentrale Rolle und genau diese Rolle möchte ich in den nächsten Jahren deutlicher (als bisher) beobachten: Inwiefern können digitale Medien dabei helfen, soziale Innovationen zu initiieren und zu verstetigen? Welches spezifische (Struktur)Problem wird durch die digitalen Medien gelöst?

Damit hängt eine neue Blickrichtung zusammen; das Stichwort lautet „nachhaltig" (sustainable). Was ist z.B. eine nachhaltige Lehre, was eine nachhaltige Bildungsinnovation, was nachhaltiges Management? Kann man das so rasch beantworten? Was passiert, wenn man den gesamten Prozess, der einem lieb ist, von „hinten" denkt? Ist „von hinten denken" dasselbe wie „zu Ende" denken? Was bedeutet die Metapher vom „Ende" denn überhaupt? Inwiefern zeigt sich Nachhaltigkeit schon in den ersten Schritten, die man (gemeinsam) geht, in der Auswahl der Partner, den eingesetzten Methoden, in der Art und Weise, wie man den Zweck diskutiert, gar im unmittelbaren Erleben? Ist es richtig, die Nachhaltigkeit eines Projekts in einer der letzten Arbeitspakete meist unter Finanzen und Kommunikation „abzuhandeln"? Was hat die Logik der Nachhaltigkeit mit der Logik der Design-Forschung zu tun? Hier vermute ich eine starke Beziehung. Und nochmal: Welchen spezifischen Beitrag leisten die digitalen Medien und das Web 2.0, wenn es um nachhaltige Entwicklungen, gar soziale Innovationen, geht? Am Ende des Jahres also viele Fragen und eine interessante Denkrichtung, der ich im kommenden Jahr intensiver nachgehen werde.