Mehr durch Zufall bin ich vorgestern durch eine Diskussion zum Thema „Videospiele und Gewaltästhetik“ (angestoßen durch Alex und fortgesetzt durch Basti) wieder auf den Zusammenhang von Sport und Ästhetik gestoßen. In den Jahren 1998/1999 habe ich mich mit diesen Thema beschäftigt und hierzu intensiver die Werke von Sven Güldenpfennig (Kunst oder Leben) studiert. Im Kern geht es da um die Frage, was Sport „ist“, also um eine kultursoziologische Definition von Sport.
Aktuell wird diese Diskussion von Herrn Tiedemann von der Uni Hamburg aufgegriffen. Er versucht dazu eine Art Rekonstruktion der Definitions-Anläufe von den 70ern bis in die Gegenwart. Ich bin an der Stelle hängen geblieben, an der er auf das Papier des wiss. Beirats des Deutschen Sportbundes hinweißt. Auch dieser kommt (ähnlich wie andere führende Autoren der Sportwissenschaft, z.B. Röthing, Grupe, Krüger) zum Schluss: Beschreibung des Begriffs ‚Sports’, die darauf zielen, den Termikus sachlich festzulegen oder in ein eng umrissenes Klassifikationssystem einzuordnen, erschienen auf Grund seiner Bedeutungsvielfalt wenig sinnvoll. Der wiss. Beirat plädiert also, so muss man folgern, für eine offene, man kann auch sagen beliebige Sportdefinition, macht dafür letztlich begriffstheoretische/ definitionstechnische Schwierigkeiten verantwortlich. Tiedemann vermutet hier aber ein politisch- ökonomisches, eher pragmatisches Kalkül, denn wenn der Beirat eine enge Definition hervorbringen würde, dann hätte sich der DSB, als Dachverband aller Fachverbände, freiwillig um seine Mitglieder gebracht (Angeln und Schach wären bei einer engen Sportdefinition kein Sport).
Wie oben erwähnt, hat Güdenpfennig 1996/1997 spätestens 2001 einen sportsoziologisch anspruchsvollen Definitionsversuch angeboten: Sport ist selbstzweckhafte, schwerpunktmäßig im Medium körperlicher Bewegung vollzogene Eigenleistung, in der es um Anerkennung, Setzung und Austestung von Grenzen geht, wobei die freiwillig vereinbarte Auseinandersetzung zwischen gegnerischen Parteien der (in bestimmter Weise durchaus rücksichtslosen und nicht hilfsbereiten) Erreichung dieser individuell gesetzten Ziele dient und zugleich die Erzeugung des Wettkampfs als eines ästhetischen ‚Werkes‘ ermöglicht. Das ist natürlich harter Tobak, sicher recht voraussetzungsreich, wegen der Begriffe „selbstzweckhaft“, „Grenze“, „Eigenleistung“, „ästhetisches Werk“. Insbesondere die Interpretation zur Ästhetik ist spannend, aber auch sehr streitbar.
Mir kommen all die Fragen auch deshalb in den Sinn, weil wir evtl. ein Projekt „E-Learning im Sport“ angehen können. Zwar werden diese Definitionen in den Verbänden pragmatischer gehandhabt, aber letztlich ist es auch hier entscheidend, was für eine Kernvorstellung man vom Sport hat, welche Sinnelemente damit eingeschlossen sind und welche man ausschließen muss (hier die Diskussion zum Leistungssport & Breitensport). Ich glaube zwar nicht, dass man in den Verbänden mit dem Begriff „Ästhetik“ weiter kommt, aber vielleicht gehen ja auch hier die Diskussionen in Richtung „Sport und Bewegungskultur “, wie Tiedemann es andeutet – mal sehen was sich da noch tut. Mir wird auf jeden Fall immer bewusster, wie eng die Verzahnung zwischen dem politischen Sport (der Verbände) und der Sportwissenschaft in Deutschland ist. Man muss sich fragen, ob diese Ehe mehr Synergien oder Defekte hervorbringt, jedenfalls sind solche Schnittstellen, z.B. personal vertreten durch August Kirsch (Sammlung), Orte „hoher Energie“.