Ich lese z.Z. ein Buch, kein Fachbuch, sondern ein Roman. „Und Nietzsche weinte“ so der Titel, von Irvin D. Yalom. Zunächst hat mich nur der Titel interessiert, weil ich früher schon mal in den Basler Vorträgen gelesen habe und weil ich dort die Verquickung von Narration und Erkenntnis toll fand. In dem angesprochenen Buch ist es dem Autor gelungen, den klassischen Imperativ „Werde du selbst“ neu aufleben zu lassen. Er tut dies durch eine geschickt gestrickte, erfundene! Geschichte, die aber authentische Personenskizzen und authentisches Material z.B. vom Lebensphilosophen Nietzsche, dem jungen Psychoanalytiker Freud und dem Arzt Dr. Breuer enthält. Was an diesem Buch reizt, sind z.B. die bei einem Treffen zwischen Breuer und Nietzsche stattfindenden Dialoge; hier wird exemplarisch gezeigt, das „Gesundheit“ im radikalen Sinne die Selbstwerdung des Menschen einfordert und eben nicht ein dumpfes sich Wohlfühlen. Wirklich lesenswert!.
Man muss wollen, dass es wird
Das Verhältnis von Ökonomie und Bildung beschäftigt mich ja schon länger. Angefangen hat „es“ mit einer Hausarbeit – noch zu Kölner Zeiten. Unter dem Titel „Der Nutzen des Schönen – Adam Smith und Friedrich Schiller“ versuchte ich damals voller Idealismus zu zeigen, dass sich z.B. moralisches Verhalten ökonomisch legitimieren lässt. Ich habe mich zum damaligen Zeitpunkt stark von den Begriffen individuelle und kollektive Rationalität leiten lassen. Im Grunde kreisten meine Gedanken um die für Nationalökonomen leitende Frage, inwieweit die Wohlfahrt der großen Zahl zu maximieren ist; schon Smith hatte in seiner früheren Schrift „theory of moral sentiments“ darauf verwiesen, dass ein moralisches Regulativ zum freien Marktgeschehen dafür vorausgesetzt werden müsse.
Heute – also in der Augsburger Zeit – gehe ich die ganze Sache pragmatischer an oder anders: ich versuche mit einer Reihe von Mitstreiter (allen voran Gabi) in unserem Verein Ökonomie und Bildung e.V. das Thema kleiner – ohne Schiller und Smith -, konkreter und vor allem näher an den in Institutionen herrschenden Entscheidungskalkülen zu behandeln. Von unserem Symposium 2005 „Wirtschaft(s)macht Schule“ hatte ich berichtet. 2006 steht nun ein weiteres Symposium mit dem Titel: „Der Wertbeitrag des Nicht-Messbaren – Controlling zu Kommunikations- und Lernprozessen in Unternehmen“ an. Eine ganze Reihe interessierter Kollegen aus Unternehmen haben sich bereits angemeldet und wollen einen Beitrag in Form von Impulsvorträgen oder Workshopleitungen übernehmen. Offenbar kann das „Messthema“ Resonanzen erzeugen, was nicht verwundert, gilt es doch, den Nutzen des Schönen :-) exakter zu definieren und eben gegenüber dem Controlling zu legitimieren (legitimierbar zu machen). Am 28. April treffe ich mich mit vier anderen Kollegen (u.a. Schick und Partner) zu konkreten Vorbereitungen (Tagesablauf, Impulsvorträge, Workshop etc.).
Vor dem Hintergrund der herannahenden, fast schon bedrohlich konkreten Fragen z.B. um „wiederverwertbare Kennzahlen etc.“ ist mir aber auch wichtig, die Grundsatzfrage zum Zusammenspiel von Ökonomie und Bildung – zunächst als Antagonisten gedacht – wach zu halten (allzu oft wird das von den Praktikern als Gesabbel runter gemacht). Ich hatte vor einiger Zeit mit meinem geschätzten ;-) Sebastian Fiedler hierzu ein längeres Telefonat, wobei es zu zwei unterschiedlichen Positionen kam. Um das Gespräch nachvollziehen zu können, ist es sinnvoll, wenn ich mit meiner Position beginne: Ich gehe davon aus, dass all unsere gesellschaftlichen Bereiche oder Subsysteme von der ökonomischen Maxime durchzogen sind; man spricht hier auch vom ökonomischen Imperialismus (Homann/Suchanek). Die Allgegenwart von Kennzahlen, Qualitätssicherung, Kunden- und Servicedenke auch in Non-Profit-Organisationen zeugen davon, auch wenn sich hieraus kein zwingender Handlungsimperativ für den Einzelnen ergibt. Ich glaube daran, dass man Wissens-, Lern-, und Kommunikationsprozesse oder Bildung allgemein mit dem Instrumentarium der Ökonomie rechtfertigen und begründen kann und MUSS! „Kann“ deshalb, weil ich daran glaube, dass das ökonomische Prinzip offen ist für jede Art von Nutzen und dieser nicht zwingend (auch wenn das der main stream ist) auf den engen betriebswirtschaftlichen Nutzenbegriff eingeschränkt werden muss. „Muss“ deshalb, weil ich kein Alternativkonzept vor dem Hintergrund des ökonomischen Imperialismus sehe. Wer heute noch idealistische Forderungen stellt, die sich nicht mit der ökonomischen Matrix kombinieren lassen, der wird nicht gehört, erzeugt lediglich Rauschen. Was mir vorschwebt, ist eine „Ökonomie der Redundanz“ oder noch weiter getrieben eine „Ökonomie der Kontemplation“. Mir ist bewusst, dass ich damit in einem gewissen Sinne kapituliere, meine Haltung entidealisiere oder wie man sagt, pragmatisch werde (ein sicheres Zeichen für das Älterwerden). Soweit, ich komme zu Sebastian. Er glaubt nicht daran, will nicht daran glauben, dass es so was wie einen ökonomischen Imperialismus gibt, er akzeptiert vor allem nicht, dass das ökonomische Prinzip dafür geeignet ist, Bildungsinteressen im weitesten Sinne durchzusetzen oder zu legitimieren. Während ich den Schulterschluss zur Ökonomie suche (in dem ich den Nutzenbegriff erweitern will), ist er misstrauisch und skeptisch gegenüber dem ökonomischen Prinzip, weil, so sagt er, damit Machtverhältnisse stabilisiert werden. Er sieht in der Ökonomie einen Gegenspieler von Bildung, weil die erste Macht erhält und ausbaut, die zweite Macht relativiert (im Diskurs relativieren kann).
So verschieden unsere Lösungsansätze zunächst scheinen, so einig sind wir uns doch in der Sache. Wir leben beide für das Ideal einer autonomen Bildung, sehen also eben diese wenn auch antiquiert klingende Bildung als erstrebenswert an – individuell und kollektiv! Er verfolgt den Weg der fruchtbaren Konfrontation, ich verfolge den Weg der systemischen Transformation. Kollektiv rational deshalb, weil in einer sog. Wissensgesellschaft die Differenz und eben nicht der mean stream zum Wohlstandsstabilisator wird. Es gilt halt „nur“ noch, die Differenz (= Bildung) in die nivellierende Funktionslogik von Organisationen zu integrieren. Der think tank als Quarantänetraum für die „Gspinnerten“ ist sicher nicht der richtige Ansatz. Spinner- und Querdenkertum sind zwar geflügelte Worte für ein Innovationsland, doch hat man im Grunde in Organisationen dafür keinen rechten Platz, weil man ja den Mehrwert des „an einem Strang ziehen“ nicht gefährden will. Organisationen müssen sich ändern, Organisationskultur muss sich ändern, Differenz ist keine Gefahr, wenn die Kultur Differenz als konstituierendes Element enthält.
Am Ende will ich noch einmal auf einen Aufsatz kommen, den ich gerade gelesen habe. Es handelt sich um einen 15-seitigen Text von Peter Heintel und Larissa Krainer, Titel: Bildung und Ökonomie. Der Text ist lesenswert wie ich finde. Im Kern warnen die Autoren vor der Reduktion der Bildung auf ihre Brauchbarkeit für Wirtschaft und Staat. Gegen Ende wird ein Plädoyer für eine „freie“ Bildung gehalten, deren Nutzen in einer mündigen, zivilen Gesellschaft mündet. Insbesondere der letzte Abschnitt – die Konsequenzen – will ich hier etwas länger zitieren:
Was jedenfalls zu dieser neu zu generierenden Bildung hinzugehört, ist eine grundsätzliche Analyse des (ökonomisch) Brauchbaren und Nützlichen sowie ihrer Grenzen. Es lässt sich zwar vieles an traditionellem Wissen, an spezieller (Fach-)Bildung auf Brauch- und Verwendbarkeit beziehen und reduzieren. So wird auch für jedes Kulturereignis die “Umwegrentabilität” angegeben werden können.
Uns jetzt kommt die für mich wichtige Passage:
In letzter Konsequenz unterliegt diese Reduktion aber einem selbstzerstörerischen Trugschluss. Verwertbarkeitskriterien werden nämlich meist in kausal-mechanistischen Modellvorstellungen gedacht. Hier eine “Schlüsselqualifikation”, da ihre Anwendung; hier spezieller Wissenserwerb, dort seine funktional aufweisbare Brauchbarkeit. Bereits Max Weber hat in diesem Modell seine funktionale “Idealbürokratie” zur Vorstellung gebracht, die allerdings nie so wie beschrieben eingerichtet wurde. Damit nämlich Verwertbarkeit garantiert ist, muss sie von zusätzlichen Wissens- und Bildungsfaktoren “begleitet” sein. Ohne “soft facts” keine “hard facts”. Man muss z.B. zusammenarbeiten wollen, vertrauen, dass der andere das gleiche will, muss davon ausgehen, dass man sich auf Zusagen und Vereinbarungen verlassen kann, dass Verträge auch ohne rechtliche Einforderung “halten” etc. Es muss also viel geschehen und vorausgesetzt werden, damit Nützlichkeit sein kann. Wird aber darauf keine Rücksicht genommen, ist auch diese Nützlichkeit gefährdet; sie wurde immer schon von einer “geheimen Ethik” begleitet, und diese muss insbesondere dann bewusst gemacht werden, wenn funktionaler Reduktionismus meint, ohne sie auskommen zu können.
Ich frage mich nach diesen Zeilen, ob Sebastian nicht doch Recht hatte, mit seiner Skepsis. Ob nicht eben die Vermischung von autonomer, freier Bildung und – wie es die Autoren nennen – heteronomer Bildung zu einer Auflösung der „geheimen Ethik“ führt. Die Autoren plädieren in ihrer Lösungsperspektive mit ähnlichen Kategorien, wie ich sie oben andeuten wollte:
Es geht um Themen wie: Gestaltung und Organisation selbstreflexiver Kommunikation, um die Einrichtung von Widerspruchselementen in Systemen, um die Aufhebung hinderlicher Arbeitsteilung (BildungsexpertInnen als SpezialistInnen, die wissen sollen, was für andere “Laien” Bildung ist), um die Etablierung anderer Zeitstrukturen, um die Identifikation von förderlichen Hilfsmitteln (z.B. Neue soziale Architekturen, Designs, Kunst als Darstellungs- und Reflexionshilfe, als kollektives Integrationsmittel etc.). Es geht also um den Einbau einer “Zwischenebene”, die freie Bildung erst ermöglicht; sie ist aber damit Teil von Bildung selbst und nicht von ihr abzutrennen. Dies muß auch deshalb hervorgehoben werden, weil wir hier lernen müssen.
Was nehme ich mit in die Ostertage? Ich denke, dass wir mit unseren Vereinsaktivitäten auf dem richtigen Weg sind, denn nur wenn man anschlussfähige Positionen anbietet, ist die notwendige Bedingung für einen gemeinsamen Diskurs erfüllt und, das weiß ich vom großen Schulmeister :-), man spricht erst dann vom Diskurs, wenn man an dem Punkt kommt, wo man sich gerade nicht mehr versteht. Diesen Punkt beim Thema „Bildung“ zu erreichen ist nicht schwer, zu verschieden sind die Erwartungen an diesen genuin deutschen Begriff mit seinen metaphysischen Implikationen. Dennoch: Ich halte gerade dieses schwerfällige deutsche „Ideal“ für fruchtbar, weil man sich daran reibt, weil es durch die Realität nicht eingeholt werden kann, weil es wegen seines Status (Ideal) immer „Maßstab für zu Messendes bleiben muss“ ( Heintel & Krainer).
t
BA-Arbeiten
Gestern und heute hat es sich ergeben, dass ein paar Studenten bei mir eine BA-Arbeit schreiben wollen (da ich immer noch an der Professur mitarbeite, kann ich die Arbeiten co-betreuen). Im Kern interessiert uns, wie narrative Elemente in kurzen E-Learning Einheiten gestaltet sein müssen, damit Akzeptanz, Wissensaufbau und Transferleistung beim Nutzer wahrscheinlich werden. Eingrenzende Stichworte zur Thematik sind: Gesundheitskommunikation, microlearning, Narration. In einem eher allgemeinen Teil sollen Qualitätskriterien für den Einsatz solcher narrativen Elemente entstehen. Auf einer praktischen Ebene wollen wir "prüfen", ob es uns in den Modulen betacare und Patientenvorsorge gelungen ist, diese Kriterien umzusetzen. Der Hintergrund der ganzen Übung ist, dass gerade im Gesundheitsbereich "viele Worte" und auch "gute Texte" nicht ausreichen, Menschen zu einer Einstellungsänderung bzw. Verhaltensänderung zu bewegen. Ich glaube, dass der narrative Ansatz hier ein großes Potential birgt. Nicht umsonst lassen sich die Wurzeln bis zur klinischen Psychologie zurück verfolgen, wo man mit ähnlichen hartnäckigen Problemen zu tun hat. Ebenso scheint mir das Format des Microlearnings – also relativ kurzweilige "Einschübe" – geeignet zu sein, um das medizinische, aber auch das pharmazeutische Fachpersonal zu schulen. Damit schafft man schließlich ein Angebot, dass das Lernen "en passant" fördert.
Wiss. Interesse
Seit einiger Zeit bewege ich mich (aber eher beruflich) im Umfeld der Gesundheitspädagogik. Dieses von der Pädagogik vernachlässigte Feld interessiert mich nun auch wissenschaftlich, gerade unter dem Fokus der virtuellen Weiterbildung. Das Feld ist aber unter dieser Perspektive immer noch zu weit und wenig griffig. Was mich besonders interessiert ist das Thema "Einstellungsänderung" und zwar durch den Einsatz von Geschichten & Analogien oder dem Narrativen generell. Das ist sicher in diesem Feld eine spannende Sache, weil man ja mit einer Informationensvermittlung im klassischen Sinne nicht weiter kommt. Als erste Annäherung an das Thema Gesundheitspädagogik habe ich das Buch von Elisabeth Zwick (Gesundheitspädagogik) gelesen. Obwohl ich einige wichtige Einsichten mitnehme konnte mich das Buch nicht weiter begeistern. Der Schwerpunkt liegt auf der Legitimation und Explikation einer eigenen Gesundheistpädagogik aus den Wurzeln der Pädagogik. Ich werde es für Überlegungen zur wissenschaftstheoretischen Einordnung brauchen können. Ganz neu erschienen (und es liegt nei mir auf dem Schreibtisch) ist das Buch von Johanne Pundt (Professionalisierung im Gesundheitswesen). Nach einer ersten Durchsicht vermisse ich aber eines: das Thema E-Learning. Nun gut, ich werde es erstmal lesen. Wer sich eine (erste) Vorstellung von dem machen möchte, was ich mit "Einstellungsänderung" und "Einsatz des Narrativen" meine, der kann sich unseren Comicfilm auf der Seite des betanets ansehen. Hier geht es direkt zum Programm: Grundlagen der Patientenvorsorge (siehe Film)
Patientenvorsorge
Vor ca. 1 Woche haben wir unser erstens "beta" Produkt in den Markt bringen können. 56.000 sog. Einleger sind in die Zeitschrift Arzt Praxis eingebunden worden. Nun bin ich mal gespannt, welche Ressonancen wir erzeugen können. Mit dem Ergebnis bin ich selbst zufrieden; mehr geht einfach nicht, zummal in der kurzen Zeit. In Kürze wird im betanet eine Version für interessierte Laien erschienen, die Barmer Kasse wird in ihrem Informationsblatt darauf hinweisen.
Vereinssitzung
Morgen kommen alle Gründungsmitglieder unseres Vereins Ökonomie und Bildung e.V. in München beim ISF zusammen. Die Agenda steht: Symposium 2005 in Pöcking; Aktionen in 2006, Fragen rund im die Mitglieder (Aufnahme und Vorstand) und das Finanzthema. Für 2006 bin ich recht zuversichtlich: wir planen gemeinsam mit einer Unternehmensberatung, der Universität Augsburg und evtl. dem Controllingverband ein Symposium zum Thema "Controlling und Bildung" (Arbeitstitel). Zudem werden wir, hoffentlich noch im April unsere DVD zum Verlag schicken können, auf der das Symposium 2005 "Wirtschaft(s)macht Schule" dokumentiert ist und auf der es noch weiterführhrende Materialien zum Schnittfeld "Wirtschaft und Schule" gibt.
Learntec – Messegefühle
Am Donnerstag war ich auf der Learntec. Habe mir eine „Armenkarte“ gezogen, konnte mich also nur im Messebereich bewegen; für den Kongressbereich muss man das 10-fache bezahlen. Unglaublich! Exklusionstechniken auf einer Bildungsmesse! Aber das ist ein weites Feld … Gabi hat ja dieses Thema aufgegriffen. So, was war also auf der Messe? Ich bin deshalb hingegangen, weil dort ein neuer Bereich eröffnet wurde, health care, vom Ansatz sehr interessant, für mich wissenschaftlich wie beruflich. Hier wurde das große Thema „Weiterbildung im Gesundheitsbereich“ angesprochen, aber auch Themen wie Marketing und CRM, was für Pharmafirmen spannend ist. Die große Einsicht des Tages: viele Entwicklungen im medizinischen e-learning werden vom Marketing und vom Vertrieb aus angestoßen und gefördert. So hat man z.B. im Bereich medizinischer Großgeräte eine Echtzeitsimulation deshalb aufgebaut, weil sich so die Geräte besser verkaufen lassen. Jetzt entdeckt man quasi in der Nachlese, dass man mit dem Simulationsprogramm & eigenem Eingabegerät bestens Mitarbeiter Schulen kann. Interessant war auch, dass ein Vertreter von doccheck davon berichten konnte, dass Ärzte ein wikiweb betreiben. Vor dem Hintergrund der unwürdigen CME „Zwangsjacke“ scheint mir das ein innovativer Weg der medizinischen Fortbildung zu sein – hier sollte man Weiterdenken, da dieser Weg den natürlichen Wissensdurst der Ärzte nicht zerstört. Am meisten habe ich mich aber über das Treffen mit Herrn Dr. Stosiek gefreut, der ein (Überblicks-)Referat zum Thema „Gesundheitspädagogik“ (i.w.S.) gegeben hat. Ich konnte mich mit Ihm hinter her noch etwas unterhalten. Er hat viele spannende (Quer-)Gedanken, die aber recht konkret und geerdet sind. Ohnehin hat Herr Stosiek schon mit Gabi Kontakt aufgenommen. Vielleicht ergibt sich ja hier ein gemeinsamer Weg. Uns sonst?? Ich bin definitiv kein Messemensch, all die Krawattemenschen in dunklen Anzügen und die überdurchschnittlichen netten Mädels hinter den Ständen – das Ganze hat marktschreierischen Charakter – bin da aber auch ein undankbarer Gast. Dennoch bin ich über alle drei Hallen geschlendert, vorbei an vielen full-service Agenturen, die „alles können“ an unglaublich groß aufgestellten FH-Ständen und eben an den Großen der Branche, Telekom & co. Was habe ich gelernt? Hmmm, das Thema „Weiterbildung“ erzeugt große Resonanzen, was man allein an der Größe der Messe ablesen konnte, das Thema Gesundheit geht in Richtung Megatrend, weil demographische und strukturelle Faktoren diesen erzwingen und die Bedeutung eines guten Contentdesigns wird zunehmend erkannt. Soweit.
Portale und Ethos
a, das ist so was mit den Portalen. An vielen Stellen entwickelt man nun solche Portale, die i.w.S. Erziehungsaufgaben übernehmen sollen, z.B. in Richtung Umwelt, Gesundheit oder Ethik … oder, oder. Aber ist das der richtige Weg? Oder besser: kann das der Hauptansatzpunkt sein, dass junge Menschen sich bilden? Ich denke nicht. Wenn man sich fragt, was eigentlich an Erziehungszielen dahinter steckt, dann kommt man zum Thema Verantwortung; Kinder und Jugendliche sollen lernen, Verantwortung zu tragen, für sich, für andere und für die Welt in der sie leben. Lernt man dies „aus“ Portalen? Wann lernt man verantwortlich zu sein? Das ist natürlich eine Kardinalfrage der Erziehung. Wenn man sich also umschaut und Menschen in den Blick nimmt, die man für verantwortungsvoll hält, … wo haben die das gelernt? Wenn ich mich selbst anschaue – und ich halte mich für einigermaßen verantwortungsbewusst – dann vermute ich, dass es folgende Gründe hat: Menschen haben mir etwas zugetraut, Menschen haben mir vertraut, Menschen haben sich um mich gekümmert, Menschen hatten ein ehrliches Interesse an meinem … Werden. Was ist bei diesen Zu-Wendungen für einen jungen Menschen (der ich mal war) so wichtig? Ich glaube, dass junge Menschen eines auszeichnet: sie zweifeln an sich selbst, sind unsicher und verbergen diese Unsicherheit mit vielen geschickten Strategien. Junge Menschen glauben nicht (so richtig) an sich (tun das Erwachsene?). Und das ist der Punkt: Erwachsene Menschen, also Erzieher i.w.S. können jungen Menschen genau diesen Glauben an sich selbst geben, sie helfen diese Leerstelle „für eine gewisse Zeit“ zu überwinden, so lange jedenfalls, bis der junge Mensch die Kraft des Eigenglaubens selbst erlebt … Schritt für Schritt. Für all das – wenn es denn wahr ist – ist Zeit und Geduld notwendig oder wie oben beschrieben, Freude am Werden des Anderen. Das ist wohl auch der Kern des erzieherischen Ethos … aber das ist ein Thema, über das man heute besten falls auf Festreden spricht.
Coming out
Gestern bin ich sehr zufrieden in's Bett gegangen, warum? Weil ich gestern meinen ersten "Auftritt" vor der Kamera hatte, was mir sehr gefallen hat. Der Hintergrund ist der, das Gabi im Zuge Ihrer Learntec Aktivitäten ein kleines Rollenspiel vorbereiten will, ein Rollenspiel zum Thema "Kompetenzen". Jedenfalls haben wir gestern im Videolabor der Universität Augsburg die Sache abgedreht, was wie gesagt Spaß gemacht hat. Vor laufender Kamera etwas einsprechen oder "seine" Rolle spielen ist anstrengend. Viel wichtiger aber ist, dass man dabei sehr viel über sich selbst erfährt, weil man den Grad an Präsenz enorm steigert. Man muss irgendwie mit allen Sinnen da sein, auch wenn das Produkt nur ein 2 minütiges Video ist. Wenn man sich dann selbst hinterher auf dem Bildschrim sieht, regt das noch mal zur Reflexion an. Nähe und Distanz (zu sich selbst) bringen eine neue Qualität des Lernens hervor. Dabei denke ich, dass man soche reflexionssteigernde Mitteln viel intensiver für die Ausbildung von Lehrern oder derjenigen nutzen sollte, die mit Menschen umgehen müssen. Auch könnte man beim virtuellen Lernen die Videocam für Referate einsetzen, um den Grad an Präsenz zu steigern. Wenn man vor laufender kamera spricht, dann spreche ICH und das zwingt einen eben BEI DER SACHE ZU SEIN. Über die SACHE zu SICH kommen … das war doch Hegel, oder? Ja, das als kleiner Zwischenruf für heute.
Authentizität
Das Wort lässt sich schon schwer aussprechen, manche vergessen das „zi“ in der Mitte, … aber egal, darum geht es nicht. Der Begriff ist für mich im Zusammenhang mit dem Thema „Lernen“ interessant: authentische Lehrer haben offenbar das Vermögen, junge Menschen zu fesseln, sie zu öffnen, sie zu aktivieren … als Bedingung der Möglichkeit zur (Eigen-)Belehrung. Das kann man als These einmal vorausschicken. Aber was heißt das eigentlich, authentisch sein? Spontan würde ich es mit „echt sein“ oder „unmittelbar sein“ übersetzen. Das Ganze gewinnt an Fahrt, wenn man sich fragt, ob man in (sozialen) Rollen noch authentisch sein kann, spielt man nun eine Rolle oder ist man echt, oder gibt es eine authentische Rolle? Hier komme ich aber nicht weiter. Versuchen wir es andersherum. Was ist eigentlich, wenn wir jemanden als nicht authentisch erleben, … was fehlt uns da? Z.B. bei einem Freund im Freundeskreis oder bei einem Schauspieler auf der Bühne. Was ist, wenn wir einem Erzähler zuhören (das Thema hatten wir schon einmal) und wir sagen, der erzählt seine Geschichte nicht authentisch! Kann man überhaupt authentisch erzählen oder IST man authentisch? Es gibt ja das Phänomen – bleiben wir beim Erzähler – das jemand handwerklich schlecht erzählt, sagen wir, weil er keinen Spannungsbogen aufbaut, weil er Sprachschwierigkeiten hat und weil er keine plakativen Bilder verwendet. Dennoch kann die Geschichte, die erzählt wird, den Zuhörer gewaltig fesseln, ihn packen, weil der Erzähler VON SICH erzählt, also etwas von ihm Erlebtes weitergibt. Daraus ergibt sich aber die Frage, ob ein Erzähler, der seine Geschichten nicht selber erlebt hat, eine gute Geschichte erzählen kann? Ja er kann, aber nur deshalb, weil die fremde Geschichte durch viele Wiederholungen zu seiner eigenen geworden ist und er so einen Teil von sich erzählt. Genau in diesem persönlichen Offenbarungsakt liegt das Geschenk des Erzählers, liegt die Echtheit, liegt etwas unmittelbar Liebenswertes, was den Zuhörer in den Bann zieht, ihn zuhören und miterleben lässt, weil – das ist wichtig – er vertraut. In diesem vertrauten Zustand aktiviert der Zuhörer eben nicht seine Kontroll- oder Schutzstrategien, die ihn wieder auf Distanz zum Erzähler bringen, die das Flowerleben zerstören. Der authentische Erzähler, genauso wie der authentische Lehrer kalkuliert nicht mit seiner Performanz, kämpft nicht um die Gunst des Publikums oder der Schüler. Wer authentisch ist, der muss von sich sagen können: „Ich bin wertvoll, auch ohne Anerkennung!“. Und diese Selbstliebe (nicht Selbstverliebtheit) ist es auch, die den guten Erzähler ausmacht.