Policy … erst der Anfang

Z.Z. behandeln wir innerhalb der Ghostthinker-Gruppe das nicht ganz triviale Thema „Policy“. Das sind Richtlinien für jeden Mitarbeiter, die im engen Sinne die Rechtefrage bei Produktionen, im weiten Sinne die Kulturfrage betreffen. Das Thema ist heikel aber wie ich finde wichtig, zumal wir uns ja als campusnahe Firma verstehen, bei der das forschende Arbeiten eine nicht geringe Rolle spielt – mit entsprechenden Folgen für die Policy. Aber das ist hier nur der Aufhänger für Folgendes…

Wenn Universitäten im Zuge ihrer Modernisierungsbemühungen auf das Pferd „Unternehmertum“ setzen und entsprechende Anreize schaffen, dann ist es nicht verwunderlich, wenn Studenten auch schon innerhalb ihres Studiums an „verwertbare Produkte“ denken oder gar eine eigen Firma gründen. Die Frage, ob dieses Schielen nach der goldenen Zukunft gut ist für jene, die sich den Studien verschrieben haben (ich denke, Eliten tun das, oder??) will ich hier und jetzt nicht stellen und was für eine Person letztlich gut ist weiß ich auch nicht. Ich will darauf hinaus, dass das sog. „unternehmerische Denken und Handeln“ eine ambivalente Formel ist. Ein auf „Geldmachen“ reduzierter Unternehmerbegriff kann !!! das Bewusstsein auf das eigene Ego verengen und damit verliert man mentale Entwicklungschancen, die sich gerade auch im universitären Kontext ergeben sollten. Aus diesem Grunde spricht man ja auch gerne von Entrepreneurship oder gar Entrepreneurship Education, um junge Menschen eben nicht primär mit der Nase auf das Geld, sondern auf die Entdeckung von wertschöpfenden Ressourcenkombinationen zu lenken. Ein solcher Unternehmerbegriff (Entrepreneurship) fokussiert die Frühphase einer Unternehmung (ein schönes Wort), bei der die Problemfindung, der Mut und die Kreativität essentiell sind. Zwar winkt am Horizont ggf. auch hier die Möglichkeit „damit Geld zu machen“, aber das Bewusstsein und das Erleben in solchen Projekten ist doch ein qualitativ anderes.

Man merkt, ich habe noch so etwas wie eine pädagogische Idee der Universität. Ja, das ist wohl so. Seit dem Münchener Kongress der Hans Martin Schleyer Stiftung „Humboldt neu denken “, denke ich darüber nach, was da eigentlich vor sich geht. Auf der einen Seite Sebastian Fiedler , der nicht müde wird, die sog. Ökonomisierung der Universität kritisch auf den Prüfstand zu holen. Auf der anderen Seite z.B. Tom Sporer, der von einem „entrepreneural spirit“ (er meint sicher nicht Geldmacherei, sondern Unternehmergeist) nicht genug bekommen kann.
Ich frage mich: Was für eine IDEE von Universität haben wir heute? Haben wir überhaupt eine Idee, oder eher unkoordinierte Ideenfragmente, ein Konzert von Bruchstücken aus unterschiedlichsten Lagern? Und: denken wir diese Idee nur auf der Ebene der Institutionen oder auch auf der Ebene des Studenten, des Individuums (Autonomiebegriff). Damals in München habe ich mich gefragt, ob der gute Humboldt denn für alles herhalten muss, für die glanzvolle Vergangenheit (Einheit von Forschung und Lehre, allgemeine Bildung, Individualität als Zweck) UND als Gewährsmann für die Zukunft, was ja im „neu denken“ durchaus zum Ausdruck kommt. Also noch mal: was für eine Idee haben wir von universitärer Bildung im 21. Jh. in Deutschland?

Zum Schluss will ich doch noch die eingangs erwähnte Policydebatte aufgreifen: wenn wir im Studium den unternehmerischen Studenten bekommen, wenn wir durch Gründerplattformen und Inkubatoren am Ende des Studiums Gründer hervorbringen und wenn wir im Zuge der Clusterbildung campusnahe arbeitende Ausgründungen wünschen, dann erzeugen wir so etwas wie eine „Gründungspipiline“. Unbeantwortet ist bisher die Frage, nach welcher Entscheidungslogik der Einzelne entlang dieser Pipiline handeln soll, denn er lebt ja im Grunde in zwei Systemen gleichzeitig: in der Logik der Wissenschaft und in der Logik des (Wirtschaft)Marktes. Sicherlich gehören solche Überlegungen auch zu der oben geforderten „Idee“ der Universität. Eine komplexe Aufgabe, die sicherlich zu einem nicht geringen Teil deshalb entstanden ist, weil wir die „Welt“ in die Universität geholt haben.

Onlinebarometer: Fortsetzung BA-Arbeit

Seit ca. 2004 beschäftigen wir uns zusammen mit der Uni Augsburg mit einem Onlinebarometer , einer Webapplikation, in der man seine emotionale Befindlichkeit (beim E-Learning) dokumentieren kann. Angefangen haben wir mit einer Art Fragebogen mit offenen und geschlossenen Fragen, die durch eine visuelle Metapher (einem Wetterbild) ergänzt wurden. Das eher sperrige Instrument haben wir in unterschiedlichen Seminaren eingesetzt; durchschlagend war der Erfolg nie. Im Zuge der GMW Tagung 2006 in Zürich konnten wir einen neuen Anlauf nehmen: wir haben (a) das Onlinebarometer theoretisch untermauert und zwar mit der Zuschreibungstheorie von Ortony et al. (1988) und wir haben (b) mit Johannes Metscher (Jojo) einen waschechten Multimediafachmann gewonnen, der auf Flashbasis ein völlig neu strukturiertes und „smartes“ Tool umsetzt. Jojo hat sich für das Thema so begeistern können, dass er nun seine BA-Arbeit darüber schreibt. Damit ergibt sich für ihn eine interdisziplinäre Arbeit, denn er wird die didaktischen Anforderungen aus der Medienpädagogik in einem multimedialen (interaktiven) System lösen müssen. Deshalb sprechen wir viel zusammen, damit die jeweiligen Vorstellungen aufeinander koordiniert werden. Dieses „gemeinsame Sprechen“ haben wir nun in ein Wiki (wird aktualisiert) verlegt, indem Jojo seine gedanklichen Entwicklungen dokumentiert; auch für mich eine neue Erfahrung im Rahmen einer BA-Betreuung, die ich sehr interessant finde, gerade weil Jojo aus einer anderen Disziplin kommt und die Wissensdivergenzen nicht gering sind. Aber Jojo bemüht sich immer sehr mir die techniche Welt so zu erklären, dass ich es verstehen kann :-). Dabei wendet er einen guten Trick an: er sagt nicht, Frank, es geht so und so, sondern er sagt, ich schicke dir mal einen Link, oder schau mal hier, drück mal da, schiebe es nach oben. Und plups, habe ich es verstanden, was er meint. Wenn es immer so einfach wäre …

2006: Rückblick nach vorn

2006 geht zu Ende. Rasend ist dieses Jahr vorbeigegangen, was wahrscheinlich daran liegt, dass man an die 40zig kommt. Meine Mutter sagte immer, dass die Zeit zwischen 30 und 60zig wie im Flug vergangen sei … in ihrem Leben. Da ist sicher grundsätzlich was dran. In dieser „Kernzeit“ wird die Laufgeschwindigkeit hoch, man verführt sich selber mit Routinen, mit hochgesteckten Zielen, die es zu erreichen gilt. Weil das so ist, sein muss? – Zumindest irgendwie – muss man die Läufe unterbrechen, … ein Tag am Meer, vielleicht der Montag, wenn alle arbeiten, … herrlich. Solche Brüche sollte man einbauen, genauso wie das Fitnessstudio, sonst zwickt es bald im Rücken und im Kopf.

2006 … war ein gutes Jahr für die Ghostthinker. Wir haben unsere Gesundheitsprojekte erfolgreich abschließen können. Betacare und Patientenvorsorge sind „im Markt“ erhältlich. Beide Projekte waren recht aufwändig, insbesondere die Inhaltsaufbereitung ist so eine Sache. Frank Cmuchal und Johannes Metscher können zumindest ein Lied davon singen: Frank hat um die 1000 Handzeichnungen zu Papier gebracht und Jojo hat adhoc Programme geschrieben, wie man die Comic-Integration technisch besser bewerkstelligen kann. Bei unserer Weihnachtsfeier vor ein paar Wochen haben wir uns zumindest gerne an verrückte Wochen erinnert, an denen der Tag 24 Stunden hatte. Ähnlich ging es Christian Zange, der Anfang des Jahres seinen 4 wöchigen „Rock and Roll“ bei der Fertigstellung der ZWW-Umgebung hatte… schlafen ist was für Anfänger. Im Herbst diesen Jahres konnten wir eine Antragstellung zu einem EU Projekt unterstützen. Obwohl das uns zugewiesene Fördervolumen in einem ungünstigen Verhältnis zu unseren Füllhorn der Ideen steht ;-) sind wir froh, überhaupt – als kleine (aber feine) GmbH – dabei zu sein. Mit diesem Olympischen Motto im Kopf haben wir uns dem Thema Portal angenommen, wohl wissend, dass in Richtung Content & Didaktik noch viele Dinge auf dem Zettel stehen. Jedenfalls: das Themenfeld Gesundheit, sexuell übertragbare Krankheiten (z.B. Aids) bei Jugendlichen ist seeeehr spannend, weil die didaktische Herausforderungen hier stratosphärisch sind … wer sich mit erhobenem Zeigefinger zwischen „das erste Mal“ und den „potentiellen Tod“ schieben möchte, dem wird der Finger abgeschlagen … bildlich gesprochen. Nun, mal sehen, auf jeden Fall wird es Spaß machen im Augsburger Team (Gabi und Freddi an der Uni) und unserer Gruppe, darüber nachzudenken und in Richtung Spiel & Video etwas zu produzieren.

Für 2007 ist einiges geplant bzw. laufen einige Projekte, die wir offiziell (noch) nicht so benennen dürfen. Z.B. denken wir gerade mit einem Partner im Rahmen eines Handwerkprojekts über die Verbindung von E-Learning und Wissensmanagement nach. Dabei stellen wir fest, dass die eigentliche Herausforderung unserer Arbeit darin besteht, die jeweilige Leitung (das gilt aber auch generell) vom nicht geringen Ausmaß der Veränderung durch den Einsatz der neuen Medien zu überzeugen. Meistens fängt es ja klein an, z.B. in dem man irgendeinen Kurs virtualisiert. Dann die Fragen zur Optimierung der Aus- und Weiterbildung generell. Dann die Verbindung zum Marketing in Richtung Dialog, dann – als ob das nicht genug sei – werden Fragen zur Organisationsentwicklung angesprochen. Kurz: wenn man das Eisen in die Hand nimmt, weckt man „Geister“. Und bei aller Euphorie flüstert uns der Zauberlehrling zu: „Walle, walle, manche Schritte, dass zum Zwecke Wasser fließe und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße“. Was dann kommt , weiß jeder ;-). Ja, diese Angst vor allzu starker Veränderung ist wohl verständlich, das müssen wir immer im Kopf haben, weil ja Veränderung zunächst nichts anders bedeutet als Kosten.

Gut, gut … am Ende des Jahres möchte ich allen danken, die mir Hinweise oder Anregungen zu meinen Weblog-Beiträgen gegeben haben. Das mit der Weblogschreiberei ist ja so eine Sache, eine Art Selbstexperiment und wenn man sich aller Bedingungen und Konsequenzen, die man da anstellt, bewusst würde, dann würde man wahrscheinlich keines führen wollen. Aber soweit ist es noch nicht bei mir. Wenn ich diesen Aspekt für 2006 reflektiere, dann schneidet meine Weblogschreiberei positiv ab. Keiner hat mir den Hintern versohlt und mir selber hat es dabei geholfen, … „Dinge zu denken“, die sonst im endlosen Strom der Gedanken nur unscharf bleiben. Man gibt den Gedanken eine Kontur und … diese Kontur prägt den Gedanken. Dadurch bin ich kein bessere Mensch geworden, aber ich bin mir MEINER Gedanken bewusster. In diesem Sinne ist ein Weblog ein Mittel zur Förderung des Selbstbewusstseins. Ha!! Selbst-Bewusstsein, ein tolles Wort, hier aber ohne „geschwollene Brust“. Vielleicht sollte man in diesem Sinne das Neue Jahr 2007 begrüßen …

Gesundheitskommunikation

Z.Z. sitzen wir neben ein/zwei inoffiziellen Projekten an der Konzeption, genauer dem Design für das Paedimed EU Projekt (Gesundheit, Haut, Sexualität im Jugendalter) . Gertrud Kemper , die bei uns für den Bereich Grafik verantwortlich ist, hat auf der Grundlage der Projektinformationen Entwürfe erarbeitet. Erstmals werden wir in diesem Projekt auch eine Zusammenarbeit mit der Kölner Firma art tempi versuchen, die sich auf den Bereich Gesundheitskommunikation spezialisiert haben. Vielleicht entsteht über das aktuelle Projekt hinaus ein fruchtbarer Austausch von komplementären Kompetenzen.

Zwischenstopp

Vor ein paar Tagen hatte ich Gelegenheit, kurz mit Tobias und Christian über meinen letzten Blogeintrag „Wir nennen es Arbeit“ zu sprechen. Dafür bin ich dankbar, denn: durch die direkte Rückmeldung habe ich erfahren, dass dieser Beitrag Schwierigkeiten bereitet hat, Schwierigkeiten, die nicht nur durch bestimmte (vielleicht etwas arrogant klingende) Formulierungen hervorgerufen wurden, sondern auch in der Sache begründet waren, z.B. zu meiner recht düsteren Einschätzung der Jobchancen an der Uni.

Mit Christian habe ich dann länger (etwas losgelöst vom genannten Beitrag) darüber gesprochen, welchen Charakter Blogbeiträge denn generell haben sollen. Natürlich kann man hier nichts Allgemeines sagen, logo. Es gibt da verschiedene Mentalitäten, die sich dann auch in der Art der Blogs wieder finden. Ich habe mich dann noch mal gefragt, was ich denn mit meinen Beiträgen will, was sie mir bringen sollen. Ja, warum schreibe ich also diese Dinger? Ziehen wir mal ein nicht geringes Maß an Selbstdarstellungsbedürfnis J ab, dann möchte ich mit den Beiträgen (so viele sind es ja nicht) Dinge mitteilen, die mich persönlich bewegen, über die ich mehr als 10 Sekunden am Tag nachdenke, Dinge von denen ich meine, dass Dritte ggf. auch Interesse daran haben oder haben sollten, … ja ein politisches Moment schwingt wohl mit. Aber es sind auch Dinge, die mir selber noch nicht so ganz klar sind, mit denen ich selber schwanger gehe, die noch nicht reif bzw. spruchreif sind. Ja und genau dies ist der Punkt, wo sich die Geister scheiden: während die Einen ihre Gedanken erst dann öffentlich machen wollen, wenn sie tiefer durchdrungen sind, stelle ich sie etwas voreilig, manchmal eher assoziativ ins Netz. Das hat einen Grund: ich denke, das ein Weblog eine Art „Denkhilfe“ ist – für mich jedenfalls. Ich nutze den entschleunigenden Effekt des Niederschreibens, dadurch wird manches geordneter. Wenn ich es dann ins Netz hochlade – nicht immer mit ganz gutem Gefühl – dann habe ich den naiven Glauben, dass einige Leser (ein zwei lesen es ja doch), einfach mal etwas dazu sagen. Nach dem Motto: „Junge, das geht ja gar nicht“ oder „Dieser Gedanke ist interessant, der andere zu dünn, zu leichtfertig“ … wie auch immer. Ich denke, ein Weblog ist ein Raum, in dem man unfertige Gedanken formulieren kann, die dann mit Hilfe einiger Leser und Kommentare vielleicht etwas an Reife gewinnen. Meinem ersten Weblog habe ich daher den Untertitel gegeben „Vorhof zum rationalen Denken“, was wohl doch etwas übers Ziel hinausschießt.

Ich will daher an meiner Linie festhalten, d.h. versuchen, etwas Essayhaftes mit etwas Provokation zu mixen. Man möge mir verzeihen, wenn es hin und wieder arrogant klingt, aber das sind dann wohl eher Schutzbemühungen. Und wenn ich durch diese lustigen Zeichen (g,j,x,p) am anderen Ende der Leitung jemanden ärgere, dann ist das ein sicherer Hinweis dafür, dass sich was tut. Und DASS sich was beim anderen tut, das finde ich erstmal toll … weil es ein Anfang ist.

Wir nennen es Arbeit …

Alex hat mir den Text „Lehre zum Spottpreis“ zugespielt. In diesem Artikel geht es darum, dass an deutschen Universitäten Lehrbeauftragte wenig bis kein Geld für ihre Arbeit bekommen. In Kürze: arbeiten ohne Lohn. Wir hatten das Thema schon einmal angesprochen. Nun …ich kann zunächst all das Wehklagen der Betroffenen nachvollziehen, die dort sagen, dass diese Situation „untragbar“ ist. Die Argumente dafür sind vielschichtig: man beruft sich auf den Standpunkt, dass Arbeit an sich einen Wert hat und bezahlt werden müsse (ideologischer Aspekt); man sagt, dass die Arbeit der Lehrbeauftragten ein nicht unwesentlicher Pfeiler in der universitären Lehre ist (funktionaler Aspekt); man sagt, dass es ein gutes Recht von wissenschaftlich interessierten und fähigen Menschen ist, im universitären Raum eine irgendwie angemessene Bezahlung zu bekommen (rechtsliberaler Aspekt). Diese Liste ließe sich fortsetzen und für die „alte“ Universität gelten die Argumente alle, … irgendwie.

Die „neue“ Universität des 21. Jahrhunderts aber – man denkt dabei komischer Weise an eine Art Erstarkung – ist eine Universität der Notlage. Ich denke dabei an die Notlage der Finanzen, aber auch an die Notlage der Ideen (mit Notlagen umzugehen).

* Die finanzielle Notlage hat dazu geführt, dass der Mittelbau – also jener Teil in der Universität, der einen Großteil der Lehre zu stemmen hatte – in den Ruhestand geschickt wurde. Diese klaffende Lücke füllt man nun mit willigen Lehrbeauftragen, die für kleines Geld einspringen. Die Motive sind unterschiedlich: CV-Optimierer, Patchworker, Idealisten. Aus einer kurzsichtigen ökonomischen Perspektive heraus ist das prima: die Personalkosten sind um den Faktor x in den Keller gefallen, das Sparpotential wird in die renditetaugliche Forschung gesteckt und die Lehre – das fünfte Rad am Wagen – läuft … irgendwie. Mit den Studiengebühren wird sich das etwas verändern, die Kundenorientierung sorgt dafür, dass nur noch „gute“ Lehrbeauftragte ihren Dienst tun werden.
* Die Notlage der Ideen ist gerade in Deutschland sehr krass und sie hängt unmittelbar mit dem Thema Lehre zusammen. Wir tun immer noch so, als ob die Universität und damit der Staat das Problem selber lösen könnte. Aus dieser Richtung wird aber nichts kommen, hier und da mal ein paar Millionen „Anschub & Sonderprogramm“, aber nix Nachhaltiges. Denkbar wäre hier, die Lehre viel systematischer mit Institutionen außerhalb der Uni zu vernetzen: Industrie, NGO, Kammern etc. Ich höre die Gegenargumente: Einflussnahme, platte Nutzenorientierung etc. Aber das muss nicht sein, nicht zwingend, hier ist ökonomisch aufgeklärte didaktische Kreativität gefordert (eine lustige Wortfolge). Zumindest haben wir das mal für unseren Studiengang beispielhaft durchgespielt. Die Grundidee ist: Verbinde komplexe Problemlösemechanismen mit Anwendungsbeispielen aus der Praxis. Erarbeite Lösungen für die Praxis UND erarbeite Generalisierungen der Problemlösungen.

Aber diesen Aspekt will ich hier gar nicht weiter vertiefen. Mich hat der o.g. Artikel auch etwas geärgert. Mich ärgert das Gejammer, ja das Gejammer junger Menschen, die für sich reklamieren, intelligent zu sein (jeder natürlich auf seine Art und in seinem Fach). Was machen all diese Intelligenzen: sie klagen und schimpfen, bis zur Verweigerung oder Aufgabe. HA! DAS IST NICHT INTELLIGENT, WEIL ES NICHT FUNKTIONIERT, weil diese Verhalten zu nichts führt. Zwei Wege sind denkbar:

(1) Wenn man unterstellt, dass die Tätigkeit der Lehrbeauftragten in Deutschland so enorm wichtig ist, dann muss man das zeigen! Es nutzt nichts, wenn einer sagt, ihr könnt mich mal. ALLE müssen zu einem Zeitpunkt x aussteigen – also der klassische Streikansatz mit Gewerkschaftslogik. Aufmerksamkeit erzielt man nur, wenn man das System hinreichend stört, Störung muss koordiniert werden. Das mag zwar individuell irrational sein (Job verlieren), ist aber kollektiv sehr rational (und wenn es klappt, natürlich mit positiven Effekten für den einzelnen Lehrbeauftragten.

(2) Niemand kann mir erzählen, dass er von seinem Lohn als Lehrbeauftragter lebt, das wäre ein Anspruch, der unvernünftig wäre. Ich wünsche mir auch, dass ich mit 2 Tagen Arbeit meinen Lebensunterhalt verdienen kann, geht aber nicht. Von daher ist es logisch, dass jeder, der an der Universität u.a. Lehre macht, einen oder mehreren weiteren Tätigkeiten (Beruf?) nachgeht. „Uni“ ist dann so etwas wie persönliche Weiterbildung mit einer symbolischen UND finanziellen Anerkennung. Symbolische Anerkennung???? Ja! Höhere Beweggründe, soziales Kapital, Respektnetzwerke, Vitamin B. All das sind Begriffe für eine neue Währung in einem neuen Spiel – das (zumindest teilweise) funktioniert, … wie Holm Friede und Sascha Lobo in ihren Buch „Wir nennen es Arbeit : die digitale Bohème oder Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung “ postulieren.

Ich weiß, auch diese verlockenden Andeutungen bergen Fallen und es ist an vielen Stellen nur „angedacht“. Für mich ist die Wendung „Jenseits der Festanstellung“ eine positive Antwort, überhaupt eine Antwortperspektive in einer kritischen Übergangszeit, in der sich nicht nur die Universität, sondern auch die Lehr-„beauftragten“ neu erfinden müssen. In jedem Fall gilt: Die aus einer arbeitsteiligen Industrielogik heraus entstandenen Monsterbegriffe (Fragmente), wie z.B. einen „Lehrbeauftragten für besondere Aufgaben“ und den dahinter stehenden Anforderungsprofilen, müssen neuen Formen einer multiplen Arbeit bzw. Erwerbsauffassung weichen, die das offene Zusammenspiel von Technologie, Kultur, Politik, sozialem Wandel Rechnung tragen. Die Universität ist sicher der letzte Ort, an dem man „sicher unter kommen“ kann. Wer das will, der sollte zu BMW gehen, … habe ich mir sagen lassen.

Sport ist „Mord“

Mehr durch Zufall bin ich vorgestern durch eine Diskussion zum Thema „Videospiele und Gewaltästhetik“ (angestoßen durch Alex und fortgesetzt durch Basti) wieder auf den Zusammenhang von Sport und Ästhetik gestoßen. In den Jahren 1998/1999 habe ich mich mit diesen Thema beschäftigt und hierzu intensiver die Werke von Sven Güldenpfennig (Kunst oder Leben) studiert. Im Kern geht es da um die Frage, was Sport „ist“, also um eine kultursoziologische Definition von Sport.

Aktuell wird diese Diskussion von Herrn Tiedemann von der Uni Hamburg aufgegriffen. Er versucht dazu eine Art Rekonstruktion der Definitions-Anläufe von den 70ern bis in die Gegenwart. Ich bin an der Stelle hängen geblieben, an der er auf das Papier des wiss. Beirats des Deutschen Sportbundes hinweißt. Auch dieser kommt (ähnlich wie andere führende Autoren der Sportwissenschaft, z.B. Röthing, Grupe, Krüger) zum Schluss: Beschreibung des Begriffs ‚Sports’, die darauf zielen, den Termikus sachlich festzulegen oder in ein eng umrissenes Klassifikationssystem einzuordnen, erschienen auf Grund seiner Bedeutungsvielfalt wenig sinnvoll. Der wiss. Beirat plädiert also, so muss man folgern, für eine offene, man kann auch sagen beliebige Sportdefinition, macht dafür letztlich begriffstheoretische/ definitionstechnische Schwierigkeiten verantwortlich. Tiedemann vermutet hier aber ein politisch- ökonomisches, eher pragmatisches Kalkül, denn wenn der Beirat eine enge Definition hervorbringen würde, dann hätte sich der DSB, als Dachverband aller Fachverbände, freiwillig um seine Mitglieder gebracht (Angeln und Schach wären bei einer engen Sportdefinition kein Sport).

Wie oben erwähnt, hat Güdenpfennig 1996/1997 spätestens 2001 einen sportsoziologisch anspruchsvollen Definitionsversuch angeboten: Sport ist selbstzweckhafte, schwerpunktmäßig im Medium körperlicher Bewegung vollzogene Eigenleistung, in der es um Anerkennung, Setzung und Austestung von Grenzen geht, wobei die freiwillig vereinbarte Auseinandersetzung zwischen gegnerischen Parteien der (in bestimmter Weise durchaus rücksichtslosen und nicht hilfsbereiten) Erreichung dieser individuell gesetzten Ziele dient und zugleich die Erzeugung des Wettkampfs als eines ästhetischen ‚Werkes‘ ermöglicht. Das ist natürlich harter Tobak, sicher recht voraussetzungsreich, wegen der Begriffe „selbstzweckhaft“, „Grenze“, „Eigenleistung“, „ästhetisches Werk“. Insbesondere die Interpretation zur Ästhetik ist spannend, aber auch sehr streitbar.

Mir kommen all die Fragen auch deshalb in den Sinn, weil wir evtl. ein Projekt „E-Learning im Sport“ angehen können. Zwar werden diese Definitionen in den Verbänden pragmatischer gehandhabt, aber letztlich ist es auch hier entscheidend, was für eine Kernvorstellung man vom Sport hat, welche Sinnelemente damit eingeschlossen sind und welche man ausschließen muss (hier die Diskussion zum Leistungssport & Breitensport). Ich glaube zwar nicht, dass man in den Verbänden mit dem Begriff „Ästhetik“ weiter kommt, aber vielleicht gehen ja auch hier die Diskussionen in Richtung „Sport und Bewegungskultur “, wie Tiedemann es andeutet – mal sehen was sich da noch tut. Mir wird auf jeden Fall immer bewusster, wie eng die Verzahnung zwischen dem politischen Sport (der Verbände) und der Sportwissenschaft in Deutschland ist. Man muss sich fragen, ob diese Ehe mehr Synergien oder Defekte hervorbringt, jedenfalls sind solche Schnittstellen, z.B. personal vertreten durch August Kirsch (Sammlung), Orte „hoher Energie“.

Studenteninitiativen

Aktuell habe ich einen kleinen (virtuellen) Austausch mit Tobias Jenert zum Thema Studenteninitiativen und zwar im Forum von von Ökonomie und Bildung e.V. Wir reiben uns etwas und zwar beim Punkt, inwieweit die Förderung nach Integration von Studentenprojekten in die BA-Struktur realistisch ist. Hier müssen wir noch viel Hirnschmals (und ich glaube nicht nur das) reinstecken, denn die Spielräume sind eng … zumindest in der jetzig Spielart der BA-Architektur. Synergien sind gefragt, aber das ist ja so eine Sache mit diesen voraussetzungsreichen und stratosphärischen Begriffen … gelebt wird im Konkreten.

Disziplinen müssen sich disziplinieren und …

Gestern waren Christian und ich in Heidelberg, wo das erste Arbeitstreffen zum EU Paedimed-Projekt stattgefunden hat. Gabi konnte leider nicht dabei sein, weil sie an der Uni Prüfungen hatte – aus mehreren Gründen schade! Was war also los: Nach einem lecker Abendessen haben wir noch die Heidelberger Altstadt besichtigt, Schloss und Brücke, danach, wir kennen das, wurde „Grundsätzliches besprochen“. Am nächsten Tag haben wir uns im Institut für Arbeits- und Sozialmedizin getroffen. Anwesend waren Arbeitsmediziner (u.a. Onkologen, Dermatologen), Gesundheitswissenschaftler, Berufs- und Medienpädagogen. Bei diesem Projekt geht es ja – das ist mein derzeitiges Mentalmodell – um die Entwicklung einer Lernumgebung zum Thema Empowerment (salutogenitscher Gesundheitsbegriff). Thematische Aufhänger zu diesem Leitthema sollen aus dem Bereich Dermatologie kommen, wie z.B. das Themenfeld „sexuell übertragbare Krankheiten“. Das Ganze soll dann an Schulen aus Deutschland, Italien und Rumänien implementiert werden und zwar nach einem Blended-Learning-Ansatz mit der Zielgruppe Lehrer, Schüler und beteiligte (Schul)-Ärzte. Am Ende könnte eine Art Projektwoche stehen, für die eine Onlineumgebung, Kick-off-Materialien und ein Ablaufkonzept (+ evtl. Train-The-Trainer Konzept) bereitgestellt werden. So ein allererster Rahmen, auf den wir uns geeinigt haben.

Aber darum geht es hier nicht: Spannend war für mich das Zusammentreffen der Fachdisziplinen selbst und hier die Einsicht, dass wir an einer gemeinsamen INHALTLICHEN Zielvorstellung arbeiten müssen. Einerseits sind unterschiedliche Erwartungen/Vorstellungen/Sprachen für ein Erstreffen vollkommen normal, wahrscheinlich. Andererseits ist es sehr interessant, was Mediziner als bedeutsam erachten und was wir Pädagogen als bedeutsam erachten – bei einer ähnlichen Zielvorstellung versteht sich. Die einen rücken die Fachtexte ins Zentrum, bei den anderen gilt das Primat der Didaktik. Wir kommen wahrscheinlich nicht weiter, wenn wir danach fragen, was für uns selber das Wichtigste ist, jeder sieht das, was er gewohnt ist zu sehen, für Experten gilt das zweimal. Für mich ist die Frage entscheidend, worauf hin wir unsere (interdisziplinäre) Arbeit hin integrieren wollen, was also der Zweck ist. Und der Zweck wird im Wesentlichen von der Zielgruppe her definiert , also von den Schülern, Lehrern und den beteiligten Ärzten vor Ort. Und wahrscheinlich ist genau diese Nachfrageorientierung der Schlüssel dafür, wie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit (in diesem Fall) aussehen kann, wer also welche Inhalte, in welcher Bearbeitungstiefe bereitstellt und wer für den „Produktcharakter“ letztlich verantwortlich ist. An der Deutschen Sporthochschule in Köln hat mich die Herausforderung „Interdisziplinarität“ schon einmal beschäftigt. Ich hatte damals den Eindruck, dass (trotz guter institutioneller Voraussetzungen), kein echter Wille an so einer Zusammenarbeit vorhanden war – das Etikett reichte. Innerhalb einer Disziplin liegt eben nicht der Schlüssel (und der Anreiz) für Interdisziplinarität. Entweder kommt dieser von „weisen“ Wissenschaftlern/innen, die den Horizont und damit die Grenzen des eigenen Tuns mitdenken und von daher kooperieren, was zu selten vorkommt oder, der andere Weg, die Disziplinen müssen sich über eine äußere Kraft (Nachfrage Dritter), disziplinieren. Disziplinen müssen sich disziplinieren, ja das hört sich gut an :-).

Dennis Linder, ein Mitglied des Consortiums aus Italien, hat mir freundlicherweise beim Abendessen eine Buchempfehlung gegeben: Knock oder Der Triumph der Medizin. Ich habe das Gefühl, dass dieses Buch mit den oben gemeinten „Einkapselungen“ und den dadurch hervorgerufenen Paradoxien zu tun hat. Aber wahrscheinlich müsste man dann auch ein zweites Buch schreiben: Knock – oder der Triumph der Pädagogik. Ja, am Anfang aller interdisziplinären Zusammenarbeit gehört – glaube ich – so etwas wie eine Satire, ein Schauspiel, das allen Beteiligten den Spiegel vorhält. Nicht um zu strafen, sondern um uns zum Lachen zu bringen – über uns selbst. Damit machen wir unsere hochheiligen Inhalte und Methoden nicht lächerlich, sondern wir können unverkrampfter mit den selbstgesetzten Grenzen umgehen. „Echte“ Interdisziplinarität ist vor diesem Hintergrund (Selbst-)Neufindung, jedenfalls Relativierung eingefahrener An- und Einsichten. Eine Satire zur Zusammenkunft von Medizin und Pädagogik wäre eine spannende Herausforderung und vielleicht eine der besten Investitionen in die gemeinsame Zukunft.

Mitarbeit im EU-Projekt paedimed

Am 19. Oktober starte für uns das EU-Projekt paedimed (Medizin und Pädagogik), bei dem die Ghostthinker-Gruppe konzeptionell im Bereich Didaktik/ Medientechnik mitwirken darf. Genauer geht es darum, mit unterschiedlichen Partnern aus der Medizin (Dermatologie, Klinische Sozialmedizin, u.a.) und der Pädagogik (Medienpädagogik, Gesundheitspädagogik u.a.) Maßnahmen zur hautbezogenen Gesundheitsförderung/ Gesundheitsbildung in Schulen und an Arbeitsplatz zu entwickeln, diese umzusetzen und zu evaluieren. Koordiniert wird das Projekt von der Universität Heidelberg . Eine erste Partnerübersicht und Zielformulierung gibt es hier.