Vor einigen Wochen hat sich nach dem Beitrag "BA was sonst?" eine kurze Diskussion entsponnen, die auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam macht. Sebastian Fiedler hatte dort bezweifelt, dass es systemisch Sinn macht, wenn man sich an einer Professur ohne weitere Ressourcen sehr für die Lehre engagiert. Das organisationale Talent eines Professors, z.B. durch Integration seiner Doktoranden in die Lehre, sei zwar aus einer Individualperspektive lobenswert, aber mit etwas Distanz eben auch systemerhaltend und damit langfristig kontraproduktiv. Und das ist der Punkt: ist es rational, ein System zu unterstützen, wenn das eigene Tun nur einen Missstand stabilisiert oder kaschiert; frei nah dem Motto: "Bei denen läuft alles voll prima auch ohne Geld! Ein tolles Modell für die Hochschule in Zeiten des Sparzwangs." Ich denke, was hier angesprochen ist, ist nicht nur ein Problem "unserer" Professur, sondern gilt wohl für alle Lehrstühle/Professuren im Umfeld der im Verhältnis unterfinanzierten philosophischen-sozialwissenschaftlichen Fakultäten.
Was nun, weglaufen aus dem System oder "drin" bleiben. Als ich vor ca. 10 Jahren das kleine Büchlein "Der Teil und das Ganze" von Werner Heisenberg gelesen habe, bin ich zum ersten mal über diese Gretchenfrage gestolpert. Damals stand zur Debatte, ob die Physiker in Deutschland bleiben oder ausreisen sollten. Heisenberg entscheid sich "drin" zu bleiben und zwar mit der Begründung, dort am meisten im humanen Sinne bewegen zu können. In ähnliche Richtung ging eine Argumentation von Varela in einem anderen Buch. Nun haben wir es hier nicht mit totalitären Regimen zu tun, sondern das System unserer Tage heißt Hochschule. Aber ist das nicht egal, haben wir dieses Grundproblem der "Missstandsstützung durch Eigenhandeln" denn nicht überall? Anders herum gefragt, gibt es ein System ohne Fehler? Und wenn es das nicht gibt – wer wollte das bezweifeln – wohin geht man dann? Wo ist denn dann "draußen"?
Was also tun? Wenn man im System weiter arbeiten und! Veränderungen anstoßen will, dann muss man das wohl immer unter einer Doppellogik tun: gute Arbeit für das System leisten und – freilich auf einer anderen logischen Ebene – gegen das System opponieren, indem man den Status Quo in Frage stellt und Alternativen aufzeigt. Gerade die zweite Aufgabe ist schwer, langwierig und erfordert engelhafte Geduld. Ansatzstellen für den zweiten Punkt sind die Unileitung, das Ministerium oder Teile der Wirtschaft. Sie alle muss man davon überzeugen, dass gute Lehre Geld kostet, davon überzeugen, dass gute Lehre in Bereichen wie Lernen & Bildung ein gutes Invest ist, für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen. Ja, am Ende kommt es dann wieder, die neue Uni-Sprache: Invest. Ich selbst sehe jedenfalls keinen anderen Weg, als Dritte von der Bedeutung der philosophisch-sozialwissenschaftlichen Arbeit zu überzeugen. Dabei ist es freilich sehr hilfreich zu wissen, wie das System tickt und was genau unter der "Education-Agenda" in der europäischen Perspektive verstanden wird (Quelle von Sebastian).