Ein Besuch bei der PH Zürich

Montag und Dienstag war ich mit Gabi an der PH Zürich. Sie hat dort ein abendliches Referat zum persönlichen WM gehalten und am Morgen einen Workshop-Impuls im Rahmen einer internen Dozentefortbildung gegeben (sie hat in ihrem Blog darauf hingewiesen). Solche Ausflüge zu anderen Institutionen sind für mich immer inspirirend, eine Art Mindbreak. Man lernt neue, nette Menschen kennen (z.B. die Herren Moser, Merz) sieht aber auch, dass die Herausforderungen bei der Einführung der digitalen Medien in die Organisationen sehr ähnlich sind. An der PH Zürich kann man das gut unter dem Stichwort „Wissensbasis“ analysieren … dazu im  folgenden ein paar Worte.

Die PH hat sich vor einiger Zeit entschieden eine Wissensbasis aufzubauen, die den Lehrenden bei der Gestaltung des Unterrichts helfen soll. Gemeint ist ein Pool an didaktisch aufbereiteten und hinreichend flexiblen Lernobjekten, d.h. PDF-Texte, E-Learning-Module, Videos, Podcast etc. Diese sollen von den Dozenten entwickelt und in diesen Pool gegeben werden. Ein raviniertes Anrechnungssystem soll diesen Prozess unterstützen.

Vor allem am Dienstag Morgen wurde intensiv über diese Wissensbasis diskutiert. Der Leiter des Projekts, Herr Casper Noetzli, stellte hierzu den aktuellen Stand sehr anschaulich vor. Im Anschluss diskutierten die Bereichsleiter unter Moderation von Herrn Moser die Vor- und Nachteile in einer kleinen Podumsrunde, wobei ein kritisch-konstruktiver Gesamtblick gewollt war. Zu dieser Sicht gehörten folgende, wie ich finde berechtigte, Fragen: (a) Unterstützt eine solche Wissensbasis den Zweck einer genuin pädagogischen Einrichtung? Hier wurde vor allem das Defizit gesehen, dass eine Wissensbasis nicht die Vermittlungskompetenz angehender LehrerInnen unterstützen kann. In der Folge ist fragwürdig, ob es am Ende dem SchülerIn in der Schule zu gute kommt. b) Sind wir auf die Fülle der koordinativen Aufgaben aus Leitungssicht vorbereitet? Brauchen wir ein primär organisationales Konzept, dass die button up Initiativen zusammenhält? c) Wer übernimmt die Verantwortung für die Wissensbasis (deren Aufbau, Nutzung, Pfege, Zweck), wenn die Beteiligten eben nicht wissen, was mit ihren Lernobjekten geschieht? Letzteres wird besonders brisant, wenn man an ein OER-Szenario denkt, bei dem sich auch andere PHs beteiligen. Zusammenfassend: Welchen Sinn, sieht man als Lehrender in der Erstellung solcher Lernobjekte und der Beteiligung am prozess, wenn offene Fragen auf der Unterrichts-, Personal- und Organsiationsebene zu finden sind?

Ich fand die Diskussionsrunde sehr sympathisch, weil die Kernfragen offen und kontrovers angesprochen wurden, weil man um die beste Lösung ringt. Man spürt: Den Beteiligten ist das wichtig! Und der pädagogische Gesamtzweck gerät nicht aus dem Blick.

Im Nachgang habe ich mich gefragt: wie ist es möglich, dass ein so kleines Wort wie „Wissensbasis“ eine ganze Organisation nervös macht? Ich denke, weil damit – wie in den Fragen oben angedeutet – auf jeder Ebene substanzielle  Veränderungen impliziert sind, Änderungen in Richtung Arbeitsroutinen, Kooperationsbedingungen oder pädagogisches Selbstverständniss. Neu ist der organisationale Druck, der die primär pädagogischen Gedanken durch Kontroll-, Standardisierung- und Finanzinteressen zu einem Kompromiss, ggf auch zu einen Widerspruch treiben, wie wir es von der Bolognadiskussion kennen.

Was tun? Ich hatte den Eindruck, dass die oben angesprochenen Bedenken "gefangen" sind in mentalen Vorstellungen, die nicht deutlich genug expliziert wurden. Hier ist für mich die zentrale Frage, ob der Begriff der „Wissensbasis“ ungewollt vieles kaputt macht oder die Aktivitäten in eine falsche Richtung bringt. Was stellen wir uns vor, wenn wir von einer Wissensbasis reden, in der jeder sein Wissen „einfüllen“ soll? Merken sie was? Da steckt schon eine Gefäßmetapher drin. Denken wir bei Wissensbasis unausgesprochen an einen großen See, in der jeder ein Becher Wissen einbringt, in der Hoffnung, dass man dann später einmal darauf segeln kann? Denken wir an einen gemeinsamen Garten, indem jeder Blumen pflanzt, an deren Schönheit man sich dann gemeinsam ergötzen kann oder denken wir (um beim Garten zu bleiben) an Häuser mit Vorgärten, in denen jeder Hausbesitzer seinen Vorgarten schön gestaltet, auf den er/sie stolz ist, den aber auch jeder Spaziergänger betrachten kann. Was mich interssiert sind die impliziten mentalen Modelle, mit denen die Beteiligten den Begriff der Wissensbasis konzeptionieren. In diesem Konzept (See, Gemeinschaftskarten, Vorgarten etc.) sind dann nämlich die Verhaltensweisen und „Bringschulden“ sowie die emotionalen Bewertungen eingespurrt.

Die Beschäftigung mit impliziten mentalen Modellen ist für mich keine akademische Frage, denn: jeder der Veränderungen in Organisationen unterstützen will, der trifft auf diese mentalen Barrieren. Oft diskutiert man heftig in x Arbeitskreisen über die Themen Motivation,  IT-Architektur, Tools,  pädagogische Ziele, Content, also über Dinge, die richtig sind, aber nicht den Kern der persönlichen Einstellungen treffen. Es würde vielleicht eine spannende Diskussion ergeben, wenn man die Beteiligten zu einem Workshop einläd, bei dem es ausschließlich um die Explizierung der eigenen mentale Modelle zum Thema Wissensbasis geht und zwar mit Fokus auf analoge-metaphorische Vorstellungen – neutraler Boden sozusagen. Karin Moser von der Uni Zürich hat hierzu ein gutes Workshopprogramm entwickelt, da kann man sich Anregungen holen.