Die Zukunft

In ein paar Wochen werde ich einen Artikel in der Buchreihe „Die Zukunft des Sports“ abgeben müssen, in dem ich unser Konzept Lernen ‚5.0‘ weiter ausbuchstabieren darf. Für alle, die es noch nicht wissen: Lernen ‚5.0‘ beinhaltet fünf Dimensionen zur Neugestaltung der Trainerausbildung. Da steckt meines Erachtens genug digitale und didaktische Zukunft drin, genug sportpolitische Utopie. Also … alles gut?

Nein, denn ich frage mich grundsätzlich: Wie, also methodisch, kann man über die Zukunft des Sports reden? Geht es um das Wahrscheinliche oder Wünschenswerte? Welchen Rat geben uns eigentlich die Wissenschaften jenseits des Systemwissens (Evidenzen), wenn es um (normatives) Zielwissen und das noch viel knappere Transformationswissen geht?

Und weiter: Über welchen Sport reden wir, wenn wir die Zukunft DES Sports ins Auge fassen? Über den traditionellen Leistungs- und Wettkampfsport? Über sportnahe, aber doch eher spielerische, nicht-kompetitive Bewegungsformen wie z.B. Joga? Oder neue Sporterscheinungen wie den e-Sport, der Millionen von Menschen über virtuelle Spielkonsolen mit virtuosen Fingerspielen in den visuellen Bann zieht? Kurz: Gibt es ihn überhaupt noch, DEN EINEN Sport, und falls ja, welche Zukunft wolle wir warum für ihn?

Themenwechsel!?

In der aktuellen Ausgabe der ZEIT wurden Politiker danach gefragt, wie sie sich die Welt in 50 Jahren vorstellen. Die Politiker hatten die Aufgabe, eine Dystopie (Alles wird schlecht) und eine Utopie (Alles wird gut) zu skizzieren. Herausgekommen sind etwa 10 Zukunftsskizzen, in denen es bei der Dystopie um die Auflösung der EU, den Anstieg des Meeresspiegels, um Migrationsströme und atomaren Krieg, geht, bei der Utopie um die Ausweitung der EU, dem Nichtanstieg des Meeresspiegels, um geregelte Migrationsbewegung und … Frieden.

Insgesamt fällt es uns offenbar schwer, die Zukunft (neu) zu denken. Weder ist klar, was genau der Gegenstand ist (Welt, Gesellschaft, Bereich X, Prozess Y) noch haben wir gute Kenntnisse und Übung in den methodischen Zugängen. Fragt man die o.g. Politiker danach, was ihnen bei der Skizze leichter gefallen ist, die Utopie oder Dystopie, so kommen sie schnell zu einem Urteil: Dank Hollywood geht Ihnen die negative Sicht leichter von der Hand. Bei der Analyse der Zukunftsskizzen fällt zudem auf, dass es insgesamt nur sehr wenige Kategorien sind, mit denen sie Zukunft neu denken und wenn, dann konstruieren sie die Welt recht unkreativ mit verschiedenen Vorzeichen (Erhalt oder Ausstieg aus EU).

Themenwechsel!?

Im dritten Buch des israelischen Schriftstellers und Technikhistorikers Yuval Noah Harari, „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ werden uns Hinweise oder besser Mahnungen für die Gestaltung der Zukunft mitgegeben. Hararis beeindruckender Gedankenbogen von der „Geschichte der Menschheit“ bis „Homo Deus“ (seine beiden anderen Bücher in dieser „Serie“) zeigt uns, wie verführbar Homo Sapiens durch Erzählungen oder Fiktionen aller Art ist und wie grundsätzlich neu wir Homo Sapiens unter den Bedingungen der Künstlichen Intelligenz sowie Biotechnologie denken müssen. Grundsätzlich meint: Es geht nicht mehr nur um die Frage, mehr oder weniger EU oder Migration oder Meeresstand, sondern um das, was wir bisher „Menschsein“ nennen. Wenn wir durch genetische und technologische Veränderungen Menschen mit „erweiterten Möglichkeiten“ schaffen können (Übermenschen), dann kommen bei unseren Zukunftsbildern auf einmal ganz andere Farben ins Spiel, das schönste Rot und das dunkelste Schwarz.

Was also tun? Ich weiß es natürlich angesichts der komplexen Fragestellung auch nicht, aber eines ist gewiss: Wenn wir mit Bezug auf die  radikalen Veränderungen nicht ebenso radikal (intensiv, disruptiv, positiv) Zukunft denken, dann wird das mit unserer (!) Zukunft nix. Dann bekommen wir einfach eine.