Gestern habe ich im Fernsehen einen mir sympathischen Begriff aufgeschnappt: „Eventpatriotismus“ – und zwar im Zusammenhang mit dem Fahnenkult rund um die Fussball-WM. Sympathisch ist mir diese Wortkreation deshalb, weil damit zum Ausdruck kommt, dass sich Menschen zeitlich begrenzt und sehr gegenstandsabhängig für etwas begeistern können. Und um diese gemeinsame Begeisterung Ausdruck zu verleihen, bedient man sich der niederschwelligen Formel „Wir Deutschen“, inklusiv der nationalen Symbolik wie Fahnen und Wappen. Sympathisch ist mir das auch deshalb, weil man damit der hitzigen Patriotismusdiskussion etwas den Wind aus den Segeln nimmt, d.h. Triebfeder dieses Kults ist nicht eine diffuse, zu stärkende Volksseele oder ein (staats-)politisches Kalkül. Das Ereignis WM stimuliert bei den Menschen einfach das Bedürfnis „mitzumachen“ und die Spielregeln des Mitmachens heißen: sich einer (irgendeiner!) Mannschaft zuzuordnen und dies nach außen sichtbar zu machen. Man sagt dann, „die Deutschen“, dass sind diejenigen, die ein äußeres Merkmal vereint, z.B. jene mit den schwarz-rot-goldenen Pullis. Vielleicht kann man an diesem Eventpatriotismus studieren, wie groß das Bedürfnis der Menschen (der Deutschen insbesondere?) ist – zumindest auf Zeit – sich einer größeren Gruppe zugehörig zu fühlen, dies lautstark zum Ausdruck zu bringen, mit geistbenebelndem Alkohol, im Schulterschluss, genderneutral und das noch mit Verdopplungseffekt des Mediums Fernseher (=> schau mal das sind wir!). Einmal „Ganzes-Sein“ dürfen …, im Kölner Karneval, in den religiösen Gemeinschaften und eben auch im Sport finden wir solche Erfahrungen. Das ist natürlich eine sehr psychologisch-funktionale Deutung des Geschehens. Pierre de Coubertin, der (Be)-Gründer der neuzeitlichen Olympischen Spiele hat immer wieder betont, dass der Sport die nationale Fixierung überwinden müsse, um einer inter-(nationale) Perspektive Platz zu machen. Ich denke, dass neben dem angesprochenen „flow of community“ eine solche politische Deutung sinnvoll und auch realitätsangemessen ist, eine, die die deutsche Identität wenn auch klischeehaft herauskehrt, die aber um Gottes willen daraus kein Recht ableitet, andere Nationen abzuwerten oder zu diskriminieren wie es im Patriotismus um 1900, z.B. an deutschen Schulen, gang und gebe war. Vielleicht kommen wir ja über diesen Zwischenschritt zu einer neuen transnationalen Identität, die Europa heißt. Aber eines ist auch sicher: für den Sportwettbewerb wie wir ihn kennen, ist das System Europa (noch) zu groß, wer soll denn da neben Europa noch mitspielen? Und wenn es doch „die Euros“ heißen soll, OK, aber dann müssten wir ein neues Spiel erfinden, mit Mannschaften wie Europa, Afrika, Asien etc. Vielleicht ist das der nächste Schritt in Richtung eines „Weltpatriotismus“, um selbst mal eine Wortkreation mit heuristischen Potential anzubieten.
Blog
Comenius EduMedia Preis gewonnen
Gestern war ich zusammen mit Frau Stanczak (beta Institut) und Herrn Kley (betapharm) auf der Preisverleihung zum Comenius EduMedia-Awards 2006 im wunderschönen Wien. In Anwesenheit von zahlreichen Gästen und Preisträgern aus der Medien- und Bildungsbranche haben das beta Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement, die Universität Augsburg/Medienpädagogik und die Ghostthinker GmbH das Comenius EduMedia Siegel für die Produktion „Grundlagen der Patientenvorsorge – CDROM und Onlineumgebung“ in der Kategorie „Gesundheit“ entgegennehmen können. Natürlich sind wir stolz darauf, insbesondere danke ich dem Kernteam Frank Cmuchal (Comic), Johannes Metscher (Flash) und Christian Zange (Onlineumgebung) für 3 Monate Rock ’n‘ Roll (= leidenschaftliches Engagement eher nach 5 Uhr). Leider konnten meine engen Mitstreiter nicht mitfahren. So habe ich die Last allein auf meine Schulter genommen ;-), d.h. 6 Stunden recht allgemeine Vorträge angehört und – wer es kennt, der weiß was ich meine – bin geduldig den Choreographien zur Preisverleihungen gefolgt. Alles in Allem aber ein guter Aufenthalt, nicht zuletzt wegen interessanter Gespräche vor und nach dem offiziellen Tagesgeschehen.
PV Studie
Ab heute beginnt unsere experimentelle Studie zur Patientenvorsorge, die Ruppert Waldmüller im Rahmen seiner BA-Arbeit durchführt. Johannes Metscher war so freundlich und hat uns die Flashumgebungen aus dem Grundmodul angepasst, Christian Zange hat uns in einer Nachtaktion die Fragebögen online zusammengestellt und Herr Marquard vom ZAWIW der Uni Ulm hat rasch die Akquise der Senioren umgesetzt. Danke schon mal an alle drei Mitstreiter! Wir wollen überprüfen, inwiefern der „Modus des Narrativen“, also eine Geschichte in Textform, als statischer Comic und als dynamischer Comic die Akzeptanz, Motivation und auch den Wissenstransfer beeinflussen. Wir werden drei Untersuchungsgruppen befragen bzw. ein Wissenstest durchführen. Zu den Untersuchungsgruppen zählen Studenten (24), Senioren (24) und Ärzte (12). Leider fehlen uns noch einige Ärzte (m/f), vielleicht kennt ihr welche, die bereit sind eine Stunde online zu investieren? Für Hilfen sind wir dankbar!
Handlungsdilemma „Hochschullehre“
Vor einigen Wochen hat sich nach dem Beitrag "BA was sonst?" eine kurze Diskussion entsponnen, die auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam macht. Sebastian Fiedler hatte dort bezweifelt, dass es systemisch Sinn macht, wenn man sich an einer Professur ohne weitere Ressourcen sehr für die Lehre engagiert. Das organisationale Talent eines Professors, z.B. durch Integration seiner Doktoranden in die Lehre, sei zwar aus einer Individualperspektive lobenswert, aber mit etwas Distanz eben auch systemerhaltend und damit langfristig kontraproduktiv. Und das ist der Punkt: ist es rational, ein System zu unterstützen, wenn das eigene Tun nur einen Missstand stabilisiert oder kaschiert; frei nah dem Motto: "Bei denen läuft alles voll prima auch ohne Geld! Ein tolles Modell für die Hochschule in Zeiten des Sparzwangs." Ich denke, was hier angesprochen ist, ist nicht nur ein Problem "unserer" Professur, sondern gilt wohl für alle Lehrstühle/Professuren im Umfeld der im Verhältnis unterfinanzierten philosophischen-sozialwissenschaftlichen Fakultäten.
Was nun, weglaufen aus dem System oder "drin" bleiben. Als ich vor ca. 10 Jahren das kleine Büchlein "Der Teil und das Ganze" von Werner Heisenberg gelesen habe, bin ich zum ersten mal über diese Gretchenfrage gestolpert. Damals stand zur Debatte, ob die Physiker in Deutschland bleiben oder ausreisen sollten. Heisenberg entscheid sich "drin" zu bleiben und zwar mit der Begründung, dort am meisten im humanen Sinne bewegen zu können. In ähnliche Richtung ging eine Argumentation von Varela in einem anderen Buch. Nun haben wir es hier nicht mit totalitären Regimen zu tun, sondern das System unserer Tage heißt Hochschule. Aber ist das nicht egal, haben wir dieses Grundproblem der "Missstandsstützung durch Eigenhandeln" denn nicht überall? Anders herum gefragt, gibt es ein System ohne Fehler? Und wenn es das nicht gibt – wer wollte das bezweifeln – wohin geht man dann? Wo ist denn dann "draußen"?
Was also tun? Wenn man im System weiter arbeiten und! Veränderungen anstoßen will, dann muss man das wohl immer unter einer Doppellogik tun: gute Arbeit für das System leisten und – freilich auf einer anderen logischen Ebene – gegen das System opponieren, indem man den Status Quo in Frage stellt und Alternativen aufzeigt. Gerade die zweite Aufgabe ist schwer, langwierig und erfordert engelhafte Geduld. Ansatzstellen für den zweiten Punkt sind die Unileitung, das Ministerium oder Teile der Wirtschaft. Sie alle muss man davon überzeugen, dass gute Lehre Geld kostet, davon überzeugen, dass gute Lehre in Bereichen wie Lernen & Bildung ein gutes Invest ist, für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen. Ja, am Ende kommt es dann wieder, die neue Uni-Sprache: Invest. Ich selbst sehe jedenfalls keinen anderen Weg, als Dritte von der Bedeutung der philosophisch-sozialwissenschaftlichen Arbeit zu überzeugen. Dabei ist es freilich sehr hilfreich zu wissen, wie das System tickt und was genau unter der "Education-Agenda" in der europäischen Perspektive verstanden wird (Quelle von Sebastian).
Vereinsaktivitäten
Heute Nachmittag hat uns Ellen Pfeiffer besucht. Ich habe Sie vor eine paar Wochen gefragt, ob Sie nicht Lust zur Mitarbeit in unserem Verein hätte. Ja, sie hat Lust und will gerne mitarbeiten, auch schon beim nächsten Symposium im Juli, wo Sie sich als advocatus diaboli einbringen will :-). Ich habe mich über Ihre Bereitschaft sehr gefreut! Sie ist unglaublich engagiert und wird den Verein sicher durch ihr aufgeklärtes Ökonomieverständnis – nicht BWL :-) – bereichern. Mal sehen, wir haben ein erstes e-Projekt zum Thema "Bildungsökonomisches Grundverständis für die Lehrerbildung" zumindest mal ins Auge gefasst. Neben Ellen ist Christian Zange zum Verein gestoßen, worüber ich mich ebenfalls sehr freue. Zunächst bringt sich Christian in den Aufbau der neuen Homepage ein, die gerade im Aufbau ist. Aber dabei soll es ja bei Ihm nicht bleiben ;-). Ellen und Christian verbindet ein starkes Engangement zum Thema Entwicklungszusammenarbeit/E-Learning/WM, beide haben hierzu im Ausland geforscht und schreiben bzw. haben hierzu wissenschaftliche Arbeiten verfasst. Vielleicht ergibt sich ja zu diesem Thema ein spannender Symposiumsansatz, aber sich erst in 2007 :-).
Besuch an der Uni St. Gallen
Gestern war ich mit Ulrich, Wolfi und einer Praktikantin an der Universität St. Gallen. Im Zuge unserer Vorbereitungen zur GMW Tagung in Zürich mussten wir Statements zum Thema E-Learning an Hochschulen einfangen. Voll gepackt mit Video- und Beleuchtungsmaterial kamen wir um 11 Uhr an. Zunächst hatten wir einen Termin bei Herrn Professor Euler und Frau Dr. Seufert vom Institut für Wirtschaftspädagogik. Wir haben uns ca. 1 Stunde unterhalten. Im Zentrum standen Fragen zur Implementation und Betreuung und wie man diese Herausforderungen in St. Gallen löst. Da wir im Anschluss an das Interview noch o-Töne von Studierenden einfangen wollten, gab uns Herr Euler den Tipp, nicht nach „E-Learning“ Erfahrungen zu fragen, sondern den Begriff study net zu verwenden. Wir haben dann ca. 3 Stunden versucht, Studenten vor die Kamera zu bekommen, was sich als recht schwierig erwiesen hat (Scheu, wenig Zeit, wenig/keine Erfahrungen etc.). Ca. 20 Frauen und Männer konnten wir dann doch überreden von Ihren Erfahrungen zu berichten, die – mit einer Ausnahme – recht homogen waren ;-). Jetzt steht die Aufgabe an, alle Materialien (also auch die vom VHB-Kongress in München) zu sichten und relevante Stellen für die Panelldiskussion in Zürich aufzubereiten. Bin gespannt!
BA oder was?
Obwohl meine Tagungsreflexion zu "social software – social scills" in eine ganz andere Richtung ging, haben sich doch einige an der Unterhaltung zwischen Sebastian, Jojo und mir zu den BA-Strukturen gerieben …und das ist gut so! Ich denke hier gibt es noch viel zu bereden: (a) auf der Makroebene (Christian Zange) die Frage, wie man das Schnittstellenproblem in einem europäischen Bildungsraum löst und damit die erhoffte Durchlässigkeit innerhalb von Bildungsbiographien optimiert, (b) auf der Mesoebene der Universität, wie man die Kompetenzen von Lehrenden verbessert und strukturell-technische Potentiale des "Lernorts (Artikel)" Uni auslotet, gleichzeitig aber nicht einem Effizienzwahn verfällt (Johannes Metscher) und (c) auf der Mikroebene der persönlichen Bildungsbiographie Raum schafft für Eigenheit, Reflexion, kritischer Distanz und wie ich es nennen "Entwicklung ohne Marktfokus" (Sebastian Fiedler und Alex Ganz).
Was aber vorherrscht ist eine Art kolektiver Lähmung hinsichtlich der Grundsatzdiskussion – einerseits, anderseits spürt man überall ein hektisches werkeln an BA Strukturen und Inhalten. Weniger aus Überzeugung, sondern aus Angst den Anschluss zu verlieren: auf der Makroeben des Kontinets/Landes will man den Anschluss nicht an Amerika oder Asien verlieren, auf der Mesoeben der Universität will man den Anschluss an den Innovationsfond nicht verlieren, und der Einzelne auf der Mikroebene, der in der Dilemmatastruktur des Rattenrennens "sein Bestes tut", dieser will den Anschluss nicht an die Arbeitswelt verlieren. Wo ist die positive Vision von BA? Attraktives Stichworte ist hier die schon erwähnte "durchgängige Bildungsbiographie". Wir kommen an eines nicht vorbei, an der Frage, welche Vision wir von Bildung haben. Die "Jungs" vor 200 Jahren hatten eine, wir sollten doch auch eine finden, oder?
Social Software – Social Scills: Tagung in Salzburg
So, ich möchte etwas ausführlicher von der Tagung in Salzburg berichten, einer Tagung, die sich um das Thema social software und social scills drehte. Bisher haben Jojo und ich in unsererem adhoc-(wir setzen mal einen blog auf)Tagungsblog primär Bilder und ich lediglich "Gestotter" ins Netz gestellt ;-). Eines summarisch vorweg: es war eine sehr gelungene Tagung, Tagungsort, Teilnehmer, Themen, … alles war gut ausbalanciert. Ein herzliches Lob an die Organisatoren.
Dienstag Mittag startete die Tagung für mich mit einem Workshop. Leif Pullich von der FernUni Hagen gab uns eine gute Einführung zum Thema weblog. Zwar war das für all diejenigen, die sich schon länger mit weblogs beschäftigen nicht so sehr interessant, aber für einen Neuling wie mich war es gut ;-). Als mein Fern-Uni-Hagen-weblog dann einmal einerichtet war, habe ich (angestoßen durch Jojo) eine für mich interessante Erfahrung gemacht: wenn man das, was im Seminarraum vor sich geht direkt (also live) in seinem Blog re-formuliert, dann nimmt man sehr aktiv (an)teil. Neben den Informationen des Dozenten, die man parallel durch googeln verifizieren oder ergänzen kann, kombiniert man eigene Gedanken zu einer Dozent-Google-Meins-Einheit, die man dann als Sinn-Einheit posten kann.
In diesem ersten Schritt (I) ist interessant, wie auf der Mikroebene der metalen Verarbeitung sich ein Gleichgewicht der Informationsverarbeitung einstellt, d.h. in Abhängigkeit von der persönlichen Leistungsfähigkeit spiele ich mit den Inputgrößen "Dozent", "Google" und "Vorwissen". Im Ergebnis empfinde ich dieses Gleichgewicht als Lernlust, da die Steuerung in mir liegt. Interessant wäre es hier zu sehen, wie unterschiedlich starke Schüler, Studenten mit diesen Angeboten und den damit verbundenen Freitsgraden umgehen. Gibt es individuelle Lernflows bei standartisierten Frontalunterricht? Toll wäre das :-). Ich habe dies im Anschluss kurz im Seminar angemerkt, dass man in Schulen diese Variante einmal ausprobieren sollte. Herr Pullich meinte, dass dies Schüler überfordern würde. Hier bin ich anderer Meinung!! Wenn ich sehe, wie lesitungsstark 12 Jährige in der multiplen Verarbeitung von Spielinformationen sind, dann kann dies nicht der Engpass sein. Wir trauen unseren Schülern und auch Studenten zu wenig zu! Wir spielen in Schule und auch Uni aber das falsche Spiel und schließen von der Jetztbelastung auf ein fehlendes Leistungspotential.
Gut, gut ;-). … interessant ist an diesem liveblogging (der Begriff trifft nicht das mentale matching => matchblog??), dass man in einem zweiten Schritt(II), die unterschiedlichen Objektivationen anschauen, interpretieren und darüber diskutieren kann. Das ist dann für den Lehrenden nicht nur ein sehr erhellendes Qualitätssicherungssystem (nach dem Motto: Was ist den "angekommen"?), sondern es ergeben sich auch Chancen, die jeweiligen Blogbeiträge im Unterricht zu diskutieren oder später asynchron zu kommentieren (Motto: warum hat er/sie das denn anders verstanden?). Was ich meine: man sollte es einfach in der Schule mal ausprobieren! Das die Schüler in den Laptopklassen googeln wenn ihnen langweilig ist (und ihnen ist öfter langweilig), zeigt, dass hier noch Potenziale der persönlichen Flowoptimierung schlummern.
Abends gab es lecker Essen, wirklich, dies ist erwähnenswert! Am Tisch saßen Sebastian Schlömer (ZWW Uni Augsburg), Jojo mein Kollege ein englischsprechender Podcaster und eben ich. Am Ende des Essens wurden uns vom besagten Podcaster ein paar Fragen zum Thema weblogs, wikis, podcast gestellt, die Sebastian professionell beantwortete. Der Beitrag wird nächste Woche online gestellt, ich muss aber noch rauskriegen wo.
Abends habe ich dann noch Sebastian Fiedler getroffen, ein bekannter Hund der Szene (bekannter "Hund"?, oder meine ich bunter Hund), der jetzt für das Zentrum für soziale Innovation in Wien arbeitet. Neben "tiefen" Einsichten in die Verwaltungs- und Koordinationsarbeit in EU Projekten, habe wir uns noch länger über die Entwicklungen deutscher Universitäten unterhalten. Sebastian ist ja einer derjenigen, dessen Herz an der sog. Bildungsidee hängt, der daran glaubt, dass die Universität verdammt nochmal die Pflicht hat, kritische Zeitgeister auszubilden. Mit der "Angleichung" von BA/MA Strukturen würde aber eine Verplattung des ehemaligen universitären Anspruchs einhergehen, kurz und plakativ: 1. Semester "Wo bin ich hier", 2. Semester: "Wo sind die Frauen/Männer?", 3. Semester: "Wie qualifiziere ich mich für einen Job? Wo bleibt da Raum für eine Lebensphase – so seine Worte – , in der ich auf kritische Distanz zu dem gehen kann, was Vati und Mutti mir als richtig, als Wahrheit mitgegeben haben? Jojo, mein junger Kollege (4 Semester BA Medien/Informatik Uni Augsburg) antwortete auf diese leidenschaftlich vorgetragene Position: "Du hast ein Glaubensproblem" :-). Er verneint die Behauptung, dass alle im 3. Semester arbeitsfixiert sind, verneint, dass zu wenig Freiraum für eigene Gedanken gibt, verneint, dass da eine Verflachung und Vermarktung am Werke ist. Was er fordert ist vielmehr sehr pragmatisch: ich suche Lehrer, die mir effizient etwas beibringen können – basta! Wahrscheinlich sind die jungen BAler viel weniger verkrampft mit den Strukturen in denen sie selber leben (leben müssen) als wir Diplomer und echten UNIVERSITÄTSABSOLVENTEN ;-). Ich selbst bin der Meinung, dass die BA-Idee nicht notwenig zu einer Verflachung führt, wenn wir denn den Spielraum der mit Bologna vorgegeben ist auch ausnutzen, man kann ja auch über einen "typisch deutschen" BA nachdenken und zwar mal im positiven Sinne des Wortes. Wenn die Amerikaner einen Goethe, einen Humboldt, Schiller, Einstein etc. gehabt hätten, dann hätten sie einen Humboldtdiplom ausgerufen, ein einmaliges nur amerikanisches Bildungsdiplom. Dahinter hätten Sie eine riesige Marktingkampagne gehängt und gesagt, seht, hier in Amerika, wo die größten Köpfe der Welt gelebt und gewirkt haben, da haben wir ein Bildungsdiplom. Sie hätten gefragt: What's that? … a BA/Master???? Wir sollten also unter dem Dach der BA/MA Struktur (das ist Realität) die Spielräume so ausfüllen, dass da noch "Eigenbildung" stattfinden kann. Ich jedenfalls glaube nicht an einen Automatismus BA=>Verflachung. Die Hochschullehrer haben aber den Auftrag, die durch die Medien induzierte Angst zu dämpfen und die 3-4 Jahre "Freiraum" vielfältig, explorativ und meinetwegen auch effizient zu gestalten. Gleichzeitig hat der Staat die Pflicht, diejenigen, die sich für Bildung Tag und Nacht engagieren ordentlich zu bezahlen!
Den Folgetag will ich knapper beschreiben: es gab für mich 2 interessante Schwerpunkte: e-Portfolios mit digital story telling und gaming. Das erstgenannte Thema möchte ich weiterverfolgen, vielleicht auch mal in einem Seminar. Große Potentiale sehe ich in sog. Kooperationsseminaren wie z.B. unser letztes Werbung und Ethik mit dem beta Institut für Gesundheitsmanagement. Hier hat man eine Projektstruktur, hier treten Konflikte mit den externen Partner auf, hier hat man einen überdurchschnittlichen Koordinationsaufwand in der Projektgruppe. Ich selbst habe im genannten Seminar am Ende eine "Dokumentations- und Reflexionsmappe" erstellen lassen, sozusagen als schriftliche Leistung zum Seminar. Es wäre um ein vielfaches besser gewesen, wenn die Studenten in diesem Seminar ein formatives e-Portfolie angelegt hätten. Am Ende hätte man die echte Vor-Ort-Präsentation auf der Bühne der betaphram in einem sog. showcase-portfolie (habe ich gelernt) packen können, z.B. eines der Produkte.
Insbesondere der Verbindung zum story telling hat mich angesprochen. Hier schlummertn viele Potentiale, wie Studenten ihre Lerngeschichten gestalten (audio, video), sich gegenseitig erzählen und dadurch für sich, dem Kooperationspartner und den Dozenten etwas gewinnen. Aber: ich habe es oben schon erwähnt, die Dozenten müssen natürlich eines einbringen! Sie müssen potentiell spannende Rahmengeschichten erfinden. Wer eine klassische Vorlesung (kein kritisches Ereignis) macht, der überfordert seine Studneten mit einem e-portfolie … was soll da rein???
Gut, der andere interessante Teil des Nachmittags dreht sich um das Thema game based learning. Interessant war, wie viel Geld in diese Thematik auf der EU Ebene gesteckt wird (10 Mio). Ich habe mich etwas darüber geärgert, warum wir, also Freddi und Caro nicht intensiver bei solchen Tagungen in Erscheinung treten. Ihr Diss-Projekt mit der TU München Mikrosystemtechnik ist mittlerweile schon weit fortgeschritten und im Forschungsraum hätten sie sicher viel zu sagen. Auf jeden Fall brauchen sie sich mit ihrem interaktiven 3D-Spiel zur Mikrosystemtechnik nicht verstecken. Meine zentrale Frage zum Thema Spiel, insbesondere zur analogen Struktur von Spiel und Anwendungskontext bleib leider unbefriedigend beantwortet. Es ist für mich immer noch eine Herausforderung zu begründen, wie ähnlich (analog) sich Spiel und Anwenungskontext sein müssen, damit man a) Prozesse des Anwendungskontextes erlernt und nicht andere und b) das Spiel noch als Spiel erkennt und nicht als demotivierende 1:1 Abbild des Anwendungskontextes.
So, ich denke, das war es erstmal. Sicher wird Jojo noch eine recht umfangreiche Mitschrift der Tagung (Skizzen, Links, Fotos) ins Netz stellen.
E-Portfolio
Ich hatte auf der besagten Tagung in Salzburg ein kurzes Gespräch mit Wolf Hilzensauer. Er ist Mitorgansiator der Tagung und Mitglied bei Salzburg Research. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich e-Portfolios, mit Fokus auf der Lehrerbildung. Vielleicht finden wir im Herbst/Winter einen Termin für einen Gastvortrag an der Universität Augsburg. Das Team rund um die Professur für Medienpädagogik würde sich über einen Austausch, gerade im Kontext Lehrerbildung, freuen!
Erste experimentelle Studie
Im Rahmen der BA-Betreuung (Ruppert Waldmüller) ergibt sich eine erste experimentelle Studie. Es geht dabei darum, wie unterschiedliche Zielgruppen (junge und alte Patienten sowie Ärzte) mit unserem Lernangebot Patientenvorsorge zurecht kommen. Dabei interessieren wir uns einerseits für die Verschränkung von narrativen Darstellungsmitteln und analytischer Detailinformationen via Concep-Map, anderseits wollen wir den Wert von dynamischen Comic gegenüber statischen Comic und Textgeschichte untersuchen. Leider suche ich bisher vergebens nach einem guten Modell zu dieser Thematik, d.h. einen Informationsverarbeitungsmodell, bei dem narrative und analytische Darstellungsformen berücksichtigt sind. Bisher versuche ich mir zu helfen mit dem Modell von Schnotz, der Text-Bildinformationen in einem Modell zusammenbringt. Zudem sind wir noch auf der Suche nach Ärzten/innen, die bei unserer Untersuchung zur Lernqualität mitmachen möchten. Wer also Ärzte/innen kennt, der kann sich gerne melden!
:-)