BALANCE: Wie denken wir uns das?

Irgendwie begleitet mich das Thema „Balance“ schon länger und zwar in recht unterschiedlichen Zusammenhängen, was mir noch gar nicht so bewusst war – bis heute.

Zu aller erst denke ich an den Kontext des Lehrens und Lernens. Da fallen mir Begriffe ein wie: „Blended Learning, hybrides Lernen, Methodenmix, Interdisziplinarität“. Offenbar fordert die komplexe und oftmals widersprüchliche Bildungs- und Forschungspraxis eine Art „Mitte“ ein, die unterschiedliche Strategien, Ansätze und Paradigmen integriert und mit Geltung der jeweiligen Bereichsautonomien ausbalanciert. Doch woher nehmen wir die Idee des Ausbalancierens? Gibt es hierzu theoretische Vorstellungen, eine Art Gleichgewichtstheorie des Lehrens und Lernens jenseits der piagetischen Äquibrillation? 

Zum Zweiten denke ich an unser noch junges Netzwerk Ökonomie und Bildung e.V.. Seit Beginn der Aktivitäten im Jahr 2004 schlagen wir uns u.a. mit einer zentralen Frage herum: In welchem Verhältnis stehen Ökonomie und Bildung zueinander? In den vielen Gesprächen u.a. mit Gabi, mit meinem Bruder Peter, mit Fritz Böhle und Sandra Hofhues hantieren wir immer wieder mit Metaphern, um den großen Widerspruch, aber auch die produktiven Abhängigkeiten fassen zu können – im wahrsten Sinne des Wortes „Denk-Krücken“. Vor diesem Hintergrund habe ich heute Morgen zum Buch „Welt in Balance“ gegriffen, darin enthalten das Friulanisches Manisfest, das auf knapp vier Seiten den Hintergrund zur ökosozialen Marktwirtschaft auf den Punkt bringt. Im Buch generell, in unseren Verein im Speziellen geht es um die Frage der Ausbalancierung von Interessen, nicht im Sinne einer „Harmonie“, sondern im Sinne eines Widerspruchmanagements.

Ein dritter Bereich ist die eigene Gesundheit. Um sie zu wahren, muss man sich um sie kümmern, sie vor dem Hintergrund konkurrierender Interessen in ein Gleichgewicht bringen. Erfolgsbedürfnisse und Karrierewille, Bedürfnis nach sozialen Kontakten, Wohlbefinden und Entspannung. Wer hier das rechte Maß im Blick hat, von dem aus er die vielen Ansprüche „managt“, der kann sich glücklich schätzen. Wir reden von psychosozialer Gesundheit, um darauf hinzuweisen, dass Gesundheit ein „Integral“ aus sozialen, psychologsichen und auch körperlichen Bedürfnissen ist.

Also: drei Bereiche, in denen wir etwas ausbalancieren müssen: Lernprozesse, Governance, Gesundheit. Wie eine Steckpuppe greifen diese Bereiche ineinander, von der Mikroebene einer gesundheitlichen Kohärenz bis auf die Makroebene einer öko-sozialen Marktwirtschaft. Was jeweils von uns gefordert wird, ist eben diese Suche und konkrete Umsetzung von Balance. Aber, wie denken wir uns Balance? Als Mischung, als Integration, als Widerspruchsgelage, als Fließgleichgewicht? Welches mentale Konzept, welchen „Frame“ haben wir im Kopf: eine Wippe, ein sich drehender Kreisel, ein Agonist/Antagonist-Modell, … nochmal: Wie konzipieren wir Balance, was ist die regulative Idee? Wer ein Buch kennt, das diese Frage behandelt, dem wäre ich für einen Tipp dankbar.