Authentizität

Das Wort lässt sich schon schwer aussprechen, manche vergessen das „zi“ in der Mitte, … aber egal, darum geht es nicht. Der Begriff ist für mich im Zusammenhang mit dem Thema „Lernen“ interessant: authentische Lehrer haben offenbar das Vermögen, junge Menschen zu fesseln, sie zu öffnen, sie zu aktivieren … als Bedingung der Möglichkeit zur (Eigen-)Belehrung. Das kann man als These einmal vorausschicken. Aber was heißt das eigentlich, authentisch sein? Spontan würde ich es mit „echt sein“ oder „unmittelbar sein“ übersetzen. Das Ganze gewinnt an Fahrt, wenn man sich fragt, ob man in (sozialen) Rollen noch authentisch sein kann, spielt man nun eine Rolle oder ist man echt, oder gibt es eine authentische Rolle? Hier komme ich aber nicht weiter. Versuchen wir es andersherum. Was ist eigentlich, wenn wir jemanden als nicht authentisch erleben, … was fehlt uns da? Z.B. bei einem Freund im Freundeskreis oder bei einem Schauspieler auf der Bühne. Was ist, wenn wir einem Erzähler zuhören (das Thema hatten wir schon einmal) und wir sagen, der erzählt seine Geschichte nicht authentisch! Kann man überhaupt authentisch erzählen oder IST man authentisch? Es gibt ja das Phänomen – bleiben wir beim Erzähler – das jemand handwerklich schlecht erzählt, sagen wir, weil er keinen Spannungsbogen aufbaut, weil er Sprachschwierigkeiten hat und weil er keine plakativen Bilder verwendet. Dennoch kann die Geschichte, die erzählt wird, den Zuhörer gewaltig fesseln, ihn packen, weil der Erzähler VON SICH erzählt, also etwas von ihm Erlebtes weitergibt. Daraus ergibt sich aber die Frage, ob ein Erzähler, der seine Geschichten nicht selber erlebt hat, eine gute Geschichte erzählen kann? Ja er kann, aber nur deshalb, weil die fremde Geschichte durch viele Wiederholungen zu seiner eigenen geworden ist und er so einen Teil von sich erzählt. Genau in diesem persönlichen Offenbarungsakt liegt das Geschenk des Erzählers, liegt die Echtheit, liegt etwas unmittelbar Liebenswertes, was den Zuhörer in den Bann zieht, ihn zuhören und miterleben lässt, weil – das ist wichtig – er vertraut. In diesem vertrauten Zustand aktiviert der Zuhörer eben nicht seine Kontroll- oder Schutzstrategien, die ihn wieder auf Distanz zum Erzähler bringen, die das Flowerleben zerstören. Der authentische Erzähler, genauso wie der authentische Lehrer kalkuliert nicht mit seiner Performanz, kämpft nicht um die Gunst des Publikums oder der Schüler. Wer authentisch ist, der muss von sich sagen können: „Ich bin wertvoll, auch ohne Anerkennung!“. Und diese Selbstliebe (nicht Selbstverliebtheit) ist es auch, die den guten Erzähler ausmacht.