Gestern Abend waren wir (Ökonomie und Bildung e.V.) in der Hanns-Seidel Stiftung in München um unter der Überschrift "Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?" den Kontext Schule genauer unter die Lupe zu nehmen. Neben einer Einführung von Prof. Böhle und Prof. Höfling hatten wir den Politiker Josef Erhard (Amtschef im Bayrischen Staatsministerium), und die Professoren Wößmann (LMU) und Zymek(Uni Münster) geladen. Zudem haben wir ein kleines Inprovisationstheater; zwischen Impulsreferate und Plenumsdiskussion geschoben, das für Erdung sorgen sollte.
Alles im Allem war ich mit dem Abend zufrieden, weil die drei Redner je unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema geworfen haben: Herr Zymek als Erziehungswissenschaftler baute seine Argumentation sehr grundsätzlich auf, sprach nicht nur, aber auch von einem neuen Menschenbild (der unternehmerische Mensch), was man ins Bildungssystem verankern wolle. Herr Wößmann fasste das Interesse (oder besser die Interessenlosigkeit?) des Ökonomen mit dem Kernpostulat zusammen: Menschen reagieren auf Anreize … und es gelte eben diese Anreize zum Wohle der Gesamtheit (als Handlungen aller) auszubalancieren. Herr Erhard vertrat eine vermittelnde Position, in der traditionelle Interessen (Allgemeinbildung) und Interessen des Arbeitsmarktes aufgehoben sein sollen, Humboldt und Siemens, so seine Worte.
Wir haben über viel gesprochen, über Wettbewerb, Autonomie, Finanzierung etc., aber irgendwie nicht über den Unterricht und die Perspektive derjenigen, die von der aktuellen Bildungsreform am meisten Betroffen sind, z.B. die G8 Schüler. Wir hatten es ja in unserem Improvisationstheater angesprochen, es plakativ auf den Punkt gebracht: um so entkräftender ist es, wenn das alles als Klischee abgetan wird. Also eines ist sicher: beim nächsten Treffen werden Studenten dabei sein, denen kann man dann nicht mehr so leicht sagen,
"alles nur Klischee, das wird nur von den Medien hochgejubelt". Aktuell versuchen die Schüler ihren Unmut durch eine Demo Luft zu machen, nicht nur in München, sondern bundesweit, das kann nicht nur Privatvergnügen sein.
Welche Erkenntnis nehme ich aus der gestrigen Veranstaltung mit? Sehr spannend fand ich den Kommentar der Herren Zymek/Böhle, dass die Internationalisierung resp. Globalisierung zu einem common sence darüber führt, wie man Bildung formal zu organisieren habe: in "Kästchen", eine Metapher für Zeitmaße, Punkte und Inhaltseinheiten, also Streben nach Verrechenbarkeit. Genau diese (formale) Bürokratisierung – bei allen Entbürokratisierungsbeschwörungen – macht den neuen Herrschaftskampf aus. Nun ist die Diskussion in so schwindeligen Höhen wie bei Max Weber und seiner Ethik immer schwer. Einfach und greifbar ist das, was im Unterrichtsraum von diesen formalen Rahmenbedingungen ankommt: Tendenz zum Frontalunterricht, Verschließung gegenüber neuen Lehr-Lernformen, Eindimensionalität der Noten, weniger Projetarbeit, weniger Raum zur Problemreflexion, also all das, was man in Praxis und Wissenschaft (Pädagogischen Psychologie) unter gutem Unterricht versteht. Irgenwas läuft da doch falsch?!
Da hilft auch nicht viel, wenn Herr Wößmann auf die Kraft des Wettbewerbs zeigt: wo findet denn Wettbewerb statt?? Wettbewerb hieße besser zu sein als andere in dem Ziel des nachhaltigen Lernens, hieße nicht wie die Konkurrenz frontal zu unterrichten, hieße innovative Lernlösungen entwickeln, ausprobieren, optimieren, Schumpeters Credo folgen halt. Aber in Deutschlands Schulen wird nicht experimentiert, warum auch? In Schweden ist man da radikaler: um zu sehen welcher Unterricht besser ist, teilt man die Stadt in zwei Hälften: in Schulen der linken Häfte unterrichtet man nach der Methode a in der rechten Häfte nach der Methode b. Man sieht dann was rauskommt. Toll finde ich diesen Anstz deshalb, weil man eines offenbar weiß: so viel kann man gar nicht falsch machen, selbst wenn man zur schlechten Häfte gehört lernt man beim Selbstexperiment mehr über das eigene Lernen als sonst im 0-8-15 Verfahren. Kurzum: Bildungsreform fängt mit Unterrichtsreform an und genau hier müssen wir einen unternehmerischen Lehrertypen anstreben und fördern – und ihn oder sie aber auch dann gewähren lassen! Helge Staedtler hat es abends in kleiner Runde auf den Punkt gebracht: wir haben keine Bildungskrise, sondern eine Vertrauenskrise (in das Lehrpersonal an Schule und Universität).