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Döner und Dönerinnen
Es ist nun fast zehn Jahre her, als ich mich zum ersten und bisher einzigen Mal zum Thema Gendersprache unter dem Motto „Sprachgewalt“ geäußert habe. Das Credo von damals: Gendern zerstört die Ästhetik der Sprache und es bleibt dort ohne Wirkung, wo eine Bundeskanzlerin, eine Kampfpilotin oder eine Unternehmerin zur Normalität gehören.
Auch 2021 erscheint mir diese Position nicht falsch zu sein, aber wie immer ist das Ganze vielschichtig und verzwickt, weshalb es einer Aktualisierung bedarf.
- Erstens sind da die pragmatischen Argumente, die auch Gabi in Rückgriff auf den aktuellen ZEIT-Standard aufgegriffen hat: Neben gleichgewichtiger Repräsentanz von Frauen und Männern in den Texten geht es ebenfalls und gleichgewichtig um Lesbarkeit, Schönheit, Tradition und Effizienz. Als Folge dieser Anerkennung von gleichrangigen Werten fliegen alle Sternchen, Unterstriche, Binnen-I etc. als Lösungsoption raus. Favorisiert wird ein Wechsel der weiblichen und männlichen Form als Basismodus und Doppelnennung dann, wenn es zur inhaltlichen Präzisierung beiträgt.
- Zweitens hat Rieke Hümpel in einem sehr lesenswerten Beitrag u.a. auf ein strategisches Argument hingewiesen, das weniger nach der Schönheit fragt, sondern darauf verweist, dass Gendern der Emanzipation (also dem Ausgangsinteresse) selbst schade! Wie das? Durch Gendern werde die Frau permanent in ihrer Geschlechterrolle angesprochen, was so klingen kann, als seien Frauen Opfer und bedürfen des besonderen Beistands.
- Drittens lassen sich anti-libertäre Argumente ausmachen, die über das pragmatische und strategische Argument hinausgehen: Wer nicht ordentlich gendert, ist „anders“, und wer anders ist, wird ausgegrenzt. Darauf hatte auch schon Hümpel verwiesen; Schnell und pauschal läuft man auch bei gut begründeter Kritik Gefahr, als Frauenfeind, Querdenker oder gar Nazi beschimpft zu werden, … also schweigt man lieber und jeder weiß: Mit dem Schweigen beginnt der schleichende Tod unserer Demokratie – großes Besteck also.
Neulich sah ich Ursula von der Leyen in einem Statement im Nachgang zum Sofagate-Fall: „Weil ich eine Frau bin!“ Sie sah in ihrem Frausein den Hauptgrund, warum sie auf dem Sofa und abseits Platz nehmen musste. Zwar lassen sich auch andere Gründe finden, aber von der Leyens lenkte den Blick geschickt vom persönlichen Einzelfall in Richtung all jener Frauen, die solche Verletzungen im Stillen, ohne Kamera, ohne Beobachter erleiden und aushalten müssen.
Wir alle – Frauen wie Männer – sollten aufpassen, dass wir den Frauen wie Männern auf den faktischen Spielfeldern des Lebens nicht die Stühle wegziehen (Achtung Metapher) und stattdessen den kollektiven Blick auf die kleinen Sternchen lenken, so wie Zauberer das allzu gerne tun, um das Wesentliche zu vertuschen. Umgekehrt glaube ich nicht, dass die kleinen Sternchen auch nur einen einzigen Stuhl an die richtige Stelle rücken; oft bleibt das eine akademische Turnübung. Schiefe Machtstrukturen lassen sich durch wechselseitiges Vertrauen Schritt für Schritt aushebeln und da hilft nur eins: anfangen, TUN, z.B. beim Thema Einstellungen (trotz Kinder). Unsere Sprache wird nach diesen Taten natürlich (ohne Zwangsverordnung) folgen.