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Didaktiker haben keine Sprache

… so oder so ähnlich habe ich das vorgestern im Doktoranden-Kolloquium gesagt. Aber der Reihe nach. Im Kolloquium gab es zwei Redner: Silvia Sippel hat erste Grundlinien ihrer Arbeit vorgestellt, bei der es um den Zusammenhang von (didaktischen) Mustern und Assessement geht, gehen soll. Während sie zum Thema Assessement an Hochschulen aus dem Vollen schöpfen kann (siehe ihre Masterarbeit), ist der Link zu den Mustern noch relativ offen, was aber gar nicht schlimm ist. Sicher werden sich über die anstehende (online) Befragung spezifische Fragen an die ohnehin noch junge Musterforschung ergeben.

Im Folgenden hat Christian Kohls über SEIN Thema gesprochen: Muster! Zum Teil deckte sich das mit dem, was er bei e-teaching.org schon gesagt hatte. So stand seine Wanderanalogie über weite Strecken im Zentrum, weil sich an ihr das Konzept der Wirkkräfte besonders gut darstellen lässt. Mit seiner Erklärung haben wir gut verstehen können, dass es auf Seiten des Wanderers und der Landschaft sowohl negative als auch positive!! Wirkkräfte gibt. Im Kontext ergeben sich somit in Abhängigkeit vom Start- und Zielpunkt sehr unterschiedliche Lösungsoptionen.

Aber natürlich hatte Christian noch mehr im Gepäck: Angestachelt durch Gabis Esoterik-Vorwurf ;-) hat er das Konzept der Ganzheitlichkeit verteidigt. Für Christian ist Ganzheit/ Ganzheitlichkeit ein GestaltungsRAUM (Form), ein Modell, aber kein Prototyp! An dieser Stelle wurde es sehr interessant, denn hier ging es darum, wie Muster zu Mustern werden: durch Abstraktion? Nein, nicht allein, denn in der Abstraktion löst sich die Form auf, die Idee (= das Wesen) der Sache geht verloren. Leider war es zu diesem Zeitpunkt schon 17 Uhr, das offizielle Ende der Veranstaltung.

Ich weiß nicht, wie es den anderen gegangen ist, aber hier an dieser Stelle springt der Frosch ins Wasser (würde Ulrich Fahrner sagen). Ich meine, zu der Strategie der Abstraktion (impliziert die Dimension Granularität?) müsste noch ein zweites, komplementäres Prinzip hinzukommen: die Analogie, das analoge Prinzip? Christian und ich hatten früher schon einmal überlegt, ob Pattern Analogien sind. Christian argumentierte damals, dass es zwei Seiten derselben Medaille sind. Wenn das stimmt, dann müsste man fragen, ob diese beiden Seiten nicht unterschiedliche Beiträge/Qualitäten "zum Ganzen" einbringen können. Bei der Analogie unterscheidet man ja zwischen (a) Oberflächenähnlichkeit (was ist sichtbar gleich/ähnlich), (b) Funktionsähnlichkeit (Struktur/ Prinzip) und (c) dem analogen Zweck (Holyoak/ Thagard: Multiconstrainttheory). Vielleicht ist der Musterbildungsprozess sowohl durch ein Abstrahieren (Suche nach allgemeinen, dekontextualisierten Merkmalen) als auch durch ein Analogisieren (Suche nach spezifischen, re-kontextualisierten Merkmalen) gekennzeichnet! In dieser Form hätte man die beiden Anforderungen realisiert, dass nämlich didaktische Muster sowohl gestaltbar als auch gestalthaftig/ -gebend sind!

Gut, … und was war nun mit der Sprachlosigkeit der Didaktiker? Wir kamen immer wieder an den Punkt, dass die Übertragung von Gestaltprinzipien in den Kontext der Pädagogik, des Unterrichts schwierig ist. Was die gemeinsame Gestalt innerhalb einer Punktewolke ist, „sehen“ wir unmittelbar, die Wolke. Wie erkennt man aber eine gute Gestalt von Unterricht? Wie beschreibt man die Gestalt? In diesem Zusammenhang erwähnte Christian, dass es innerhalb der Informatik eine Mustersprache gibt, mit der sich Experten gut unterhalten können. Meine These war, dass es sowas in der Didaktik, genauer zum Unterricht, nicht gebe. Natürlich gibt es Methodenkataloge, Unterrichtsbeispiele, didaktische Taxonomien und auch erste Projekte zu didaktischen Mustern (meist im Bereich e-Learning). Wenn ich mich aber an mein Pädagogikstudium erinnere, dann wurde einer Unterrichtssprache (und jetzt kommt es) mit dem Fokus auf Kontext-, Problem- Lösungssequenzen wenig bis kein Raum gegeben. Stattdessen standen didaktische Modelle (Berliner/ Hamburger Didaktik), Bildungsphilosophie (Humboldt & Co.) und Fachdidaktik auf dem Plan, also eine Sprache ÜBER Unterricht. Mir ist dieser Unterschied wichtig: wir können einigermaßen gut über Unterricht und seine philosophisch-didaktischen Unter- oder Überbau sprechen, aber eine Sprache des Unterrichts, mit der Didaktiker (und die, die es werden wollen!!!) ihre Ideen, Konzepte, Lösungen austauschen können, geht uns ab. Sehe ich da was falsch? 

Von Veröffentlicht am: 6. Juni 2010Kategorien: AllgemeinKommentare deaktiviert für Didaktiker haben keine Sprache