Als ich mich vor ca. 17 Jahre in Köln „anschickte“, zum Start meines Studiums eine Wohnung zu suchte, da war ich nicht erfolgreich: ca. 3 Wochen suchte ich in Zeitungen, zusammen mit Kollegen oder an Aushängen nach freien Wohnungen bzw. Zimmern. Ich erinnere mich wie ich genervt nach Hause ins Sauerland fuhr, mich an die Theke meines Vaters stelle (wir hatten ein Restaurant) und kurz mein Leid klagte. Vor der Theke stand ein Gast der mich fragt: „Wie, du hast kein Zimmer bekommen, möchtest du eines haben?“ Verwundert sagte ich: „Natürlich!“. Ca. 5 Minuten später hatte ich ein Zimmer in Köln, in einer Villa, zusammen mit drei anderen Studienanfängern. Ich stellte bald fest, dass ich dort in einer nichtschlagenden, farbentragenden Verbindung gelandet war, deshalb war alles so günstig, deshalb ging alles so schnell. Obwohl ich einem natürlich angeborenen Reflex folgen wollte – nämlich auf der Stelle kehrt zu machen – verbrachte ich fast ein ganzes Semester bei dieser Truppe um zu sehen, was sich hinter den Mauern der Verbindungselite verbarg. Im Kern habe ich Kamingespräche, an denen Kölner Professoren sprachen oder den Jour fix kennen gelernt, ebenso die Idee des Lebensbandes. Eines ist mir aber noch fest in Erinnerung. Auf die Frage warum die anderen denn in einer Verbindung seien, sagten viele recht unverblümt, weil sie so nach dem Studium recht einfach an einen guten Job kommen würden. Mir war das auf eine unerklärliche Weise peinlich … bald darauf folgte ich meinen anfänglichen Reflex … ich verließ die Verbindung.
Warum bringe ich dieses Erlebnis im Zusammenhang mit der Elitediskussion? Vor ein paar Tagen habe ich das Buch von Julia Friedrichs gelesen. Sie hat ein Jahr damit verbracht Eliten – meist in sog. Eliteinstitutionen – aufzusuchen um sie zu befragen, was das denn sei, „Elite“. Das Buch endet ernüchternd. Sie findet keine Elite, nicht in Salem, nicht an den Business Schools, nicht in Harvard. Sie kann diese Eliten deshalb nicht finden, weil sie selber, implizit, eine (andere) Vorstellung davon hat, was Eliten sind. Sie hat hohe Ansprüche, die eher politisch motiviert sind. Sie sucht also letztlich an falschen Orten, dort wo es draufsteht, z.B. Eliteschule, kann es nicht drin sein – Etikettenschwindel. Eben die von ihr aufgesuchten Eliten erinnern mich an mein Angangsbeispiel, an den Kernmechanismus „Zugang bekommen“ … und zwar nicht über Leistung sondern über „Kontakte“ und damit letztlich über Herkunft. Das ist kein notwendiger Mechanismus, aber doch ein sehr wahrscheinlicher. Was Julia Friedrichs letztlich enttäuscht, sind glaube ich zwei Dinge: erstens die Einsicht in diesen starken Mechanismus der „Exklusion“ – wer keine Eintrittskarte hat kommt nicht rein und die draussen sind, werden geringer geschätzt. Und zweitens die Einsicht, dass die aufgefundenen Eliten politisch wenig aktiv bis desinteressiert waren. Am Ende reicht es vielen (nicht allein z.B. dem Iraker im Buch) mit einem selbst erlegten Reh im Arm Schampus zu trinken, Papas Partei zu wählen und natürlich irgendwann richtiges Geld (definitiv nicht in der Politik) zu verdienen.
Spricht da Neid? Nein, ich hoffe nicht, jeder soll Schampus, Steigenberger, Mini, Kragen, Kroko, Versage, Rothschild tragen & trinken & feiern wo und wie er/sie will. Ich finde es nur unpassend, wenn sich eine Gruppe, die sich den ganzen Tag Gedanken zur eigenen Lebensweise + Abgrenzung zu anderen macht, „Elite“ nennt. Überhaupt finde ich, dass man jungen Menschen nicht mit diesen zentnerschweren Begriff kommen sollte, der "ver-führt": das sensible Gemüt wird erdrückt, das übermäßig Starke bläht sich künstlich auf. Warum nicht einfach nur „seine Sache gut“ machen. Das klingt wenig sexy, ist aber gar nicht so einfach, zumal dann nicht wenn die Konkurrenz groß ist. Ach!? Ja ich bin Pädagoge, da darf man das sagen. Wahrscheinlich sind es aber auch diese beiden Eliteformen, die man besser auseinander halten sollte: auf der einen Seite der soziologische Begriff, dem es um die Beschreibung von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen und Reproduktionslogiken geht und auf der anderen Seite den normativ gemeinten Begriff der Elite, der Aussagen darüber macht, machen will, welche Einstellungen, Verhaltensweisen und Absichten gemeinwohlfördernd sind.
Nun weiß ich gar nicht wie ich enden soll. Vielleicht mit einer erfrischend Anekdote? Immer wieder muss ich schmunzeln über die Geschichte von Basti, der auf der BA-Abschlussfeier im gediegenen Steigenberger Hotel lauthals gesagt haben soll: „Ich tat es für Deutschland!“ Damit irritierte er seine Kommilitonen und die Professorenschaft nicht schlecht. Ja, sowas ist Selbst-Ironie, vielleicht ein ganz wichtiger Baustein in einem wie auch immer gearteten Elitekonzept.