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Wir nennen es Arbeit …

Alex hat mir den Text „Lehre zum Spottpreis“ zugespielt. In diesem Artikel geht es darum, dass an deutschen Universitäten Lehrbeauftragte wenig bis kein Geld für ihre Arbeit bekommen. In Kürze: arbeiten ohne Lohn. Wir hatten das Thema schon einmal angesprochen. Nun …ich kann zunächst all das Wehklagen der Betroffenen nachvollziehen, die dort sagen, dass diese Situation „untragbar“ ist. Die Argumente dafür sind vielschichtig: man beruft sich auf den Standpunkt, dass Arbeit an sich einen Wert hat und bezahlt werden müsse (ideologischer Aspekt); man sagt, dass die Arbeit der Lehrbeauftragten ein nicht unwesentlicher Pfeiler in der universitären Lehre ist (funktionaler Aspekt); man sagt, dass es ein gutes Recht von wissenschaftlich interessierten und fähigen Menschen ist, im universitären Raum eine irgendwie angemessene Bezahlung zu bekommen (rechtsliberaler Aspekt). Diese Liste ließe sich fortsetzen und für die „alte“ Universität gelten die Argumente alle, … irgendwie.

Die „neue“ Universität des 21. Jahrhunderts aber – man denkt dabei komischer Weise an eine Art Erstarkung – ist eine Universität der Notlage. Ich denke dabei an die Notlage der Finanzen, aber auch an die Notlage der Ideen (mit Notlagen umzugehen).

* Die finanzielle Notlage hat dazu geführt, dass der Mittelbau – also jener Teil in der Universität, der einen Großteil der Lehre zu stemmen hatte – in den Ruhestand geschickt wurde. Diese klaffende Lücke füllt man nun mit willigen Lehrbeauftragen, die für kleines Geld einspringen. Die Motive sind unterschiedlich: CV-Optimierer, Patchworker, Idealisten. Aus einer kurzsichtigen ökonomischen Perspektive heraus ist das prima: die Personalkosten sind um den Faktor x in den Keller gefallen, das Sparpotential wird in die renditetaugliche Forschung gesteckt und die Lehre – das fünfte Rad am Wagen – läuft … irgendwie. Mit den Studiengebühren wird sich das etwas verändern, die Kundenorientierung sorgt dafür, dass nur noch „gute“ Lehrbeauftragte ihren Dienst tun werden.
* Die Notlage der Ideen ist gerade in Deutschland sehr krass und sie hängt unmittelbar mit dem Thema Lehre zusammen. Wir tun immer noch so, als ob die Universität und damit der Staat das Problem selber lösen könnte. Aus dieser Richtung wird aber nichts kommen, hier und da mal ein paar Millionen „Anschub & Sonderprogramm“, aber nix Nachhaltiges. Denkbar wäre hier, die Lehre viel systematischer mit Institutionen außerhalb der Uni zu vernetzen: Industrie, NGO, Kammern etc. Ich höre die Gegenargumente: Einflussnahme, platte Nutzenorientierung etc. Aber das muss nicht sein, nicht zwingend, hier ist ökonomisch aufgeklärte didaktische Kreativität gefordert (eine lustige Wortfolge). Zumindest haben wir das mal für unseren Studiengang beispielhaft durchgespielt. Die Grundidee ist: Verbinde komplexe Problemlösemechanismen mit Anwendungsbeispielen aus der Praxis. Erarbeite Lösungen für die Praxis UND erarbeite Generalisierungen der Problemlösungen.

Aber diesen Aspekt will ich hier gar nicht weiter vertiefen. Mich hat der o.g. Artikel auch etwas geärgert. Mich ärgert das Gejammer, ja das Gejammer junger Menschen, die für sich reklamieren, intelligent zu sein (jeder natürlich auf seine Art und in seinem Fach). Was machen all diese Intelligenzen: sie klagen und schimpfen, bis zur Verweigerung oder Aufgabe. HA! DAS IST NICHT INTELLIGENT, WEIL ES NICHT FUNKTIONIERT, weil diese Verhalten zu nichts führt. Zwei Wege sind denkbar:

(1) Wenn man unterstellt, dass die Tätigkeit der Lehrbeauftragten in Deutschland so enorm wichtig ist, dann muss man das zeigen! Es nutzt nichts, wenn einer sagt, ihr könnt mich mal. ALLE müssen zu einem Zeitpunkt x aussteigen – also der klassische Streikansatz mit Gewerkschaftslogik. Aufmerksamkeit erzielt man nur, wenn man das System hinreichend stört, Störung muss koordiniert werden. Das mag zwar individuell irrational sein (Job verlieren), ist aber kollektiv sehr rational (und wenn es klappt, natürlich mit positiven Effekten für den einzelnen Lehrbeauftragten.

(2) Niemand kann mir erzählen, dass er von seinem Lohn als Lehrbeauftragter lebt, das wäre ein Anspruch, der unvernünftig wäre. Ich wünsche mir auch, dass ich mit 2 Tagen Arbeit meinen Lebensunterhalt verdienen kann, geht aber nicht. Von daher ist es logisch, dass jeder, der an der Universität u.a. Lehre macht, einen oder mehreren weiteren Tätigkeiten (Beruf?) nachgeht. „Uni“ ist dann so etwas wie persönliche Weiterbildung mit einer symbolischen UND finanziellen Anerkennung. Symbolische Anerkennung???? Ja! Höhere Beweggründe, soziales Kapital, Respektnetzwerke, Vitamin B. All das sind Begriffe für eine neue Währung in einem neuen Spiel – das (zumindest teilweise) funktioniert, … wie Holm Friede und Sascha Lobo in ihren Buch „Wir nennen es Arbeit : die digitale Bohème oder Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung “ postulieren.

Ich weiß, auch diese verlockenden Andeutungen bergen Fallen und es ist an vielen Stellen nur „angedacht“. Für mich ist die Wendung „Jenseits der Festanstellung“ eine positive Antwort, überhaupt eine Antwortperspektive in einer kritischen Übergangszeit, in der sich nicht nur die Universität, sondern auch die Lehr-„beauftragten“ neu erfinden müssen. In jedem Fall gilt: Die aus einer arbeitsteiligen Industrielogik heraus entstandenen Monsterbegriffe (Fragmente), wie z.B. einen „Lehrbeauftragten für besondere Aufgaben“ und den dahinter stehenden Anforderungsprofilen, müssen neuen Formen einer multiplen Arbeit bzw. Erwerbsauffassung weichen, die das offene Zusammenspiel von Technologie, Kultur, Politik, sozialem Wandel Rechnung tragen. Die Universität ist sicher der letzte Ort, an dem man „sicher unter kommen“ kann. Wer das will, der sollte zu BMW gehen, … habe ich mir sagen lassen.

Von Veröffentlicht am: 3. Dezember 2006Kategorien: AllgemeinKommentare deaktiviert für Wir nennen es Arbeit …