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Die Seele baumeln lassen

Ein Beitrag von Wolfgang Jenewein auf LinkedIn hat mich mitten im Urlaub „erwischt“: Er reflektiert dort offen über Urlaube, wie sie bei ihm sind und wie sie sein sollten. Er erzählt, dass Urlaube – zumindest früher – durch Frühsport, Kinderfußball und andere Familienaktivitäten gekennzeichnet waren, sie wären in diesem Sinne „durchgeplant“ gewesen. Jeder, der Kinder hat, denkt: Normal! Doch die Ärztin attestiert ihm einen dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel, ein sicherer Hinweis auf Stress, trotz Kinderspaß und dem Gefühl, die Batterien wieder gefüllt zu haben. Die Ärztin rät ferner: „Lass die Seele baumeln“. Jenewein nimmt sich den Rat zu Herzen und experimentiert heute mit Vorsätzen: Einfach mal dasitzen, aufs Meer blicken, an nix denken, loslassen. Gut so!

„Die Seele baumeln lassen“, seitdem ich Jeneweins Post gelesen habe, geht mir die Metapher nicht mehr aus dem Kopf. Nur: Was ist damit genau gemeint? Ich versuche mich in einer Deutung …

Ich denke bei diesem Sprachbild an eine Hängematte, indem mein Körper hin und her schwingt. Oder an ein Kind, das kopfüber mit den Beinen an einer Turnstange baumelt. Also da schwingt was, keine Frage, aber die Seele?

Vielleicht schauen wir zunächst auf den Geist: Der Geist folgt dem Körper bekanntlich nicht auf Schritt und Tritt: Wir können Joggen, bis der Arzt kommt, den Körper also auspowern, aber der Geist arbeitet fröhlich weiter: Nachforderungen aus dem letzten EU-Projekt, habe ich was vergessen? Nächsten Artikel, sind meine Argumente stichhaltig? Kundenwünsche, was will er oder sie wirklich? Die Liste möglicher Gedankenkarusselle ist lang. Aber den Geist kann man beruhigen, durch gemachte Hausaufgaben, gutes Zeitmanagement, Meditation, also „Los-Lass-Übungen“ aller Art.

Aber die „Seele“? Was unterscheidet meine Seele von meinem Geist? Hm, schwer, tiefes Fahrwasser.

Die Seele hat was mit meinem Kern zu tun, meinem Selbst, meiner Potenzialität, also der inneren und äußeren Person, die ich in Zukunft sein werde. In der Literatur ist man sich einigermaßen einig, dass Seele die „Einheit“ aus körperlichen, geistigen, emotionalen, willentlichen und anderen Facetten ist. Aber: Wie kann diese „Einheit“ „baumeln“?

Vielleicht geht es beim Baumeln nicht um ein Hin und Her, vielleicht geht es auch gar nicht so sehr um Ruhe. Wie wäre es, wenn wir die Metapher von der baumelnden Seele als ein „Spiel mit meinem (potenziellen) Selbst“ deuten? Wenn wir durch das Spielen dazu beitragen können, dass die unterschiedlichen und unverbundenen Facetten meines Selbst „zu einer Einheit zusammenfinden“. Das wäre eine hochaktive Tätigkeit, nur eben frei von jeglicher Art von Fremdbestimmung!

Gibt es am Ende also eine Alternative zum Bild der „baumelnde Seele“? Ich werde es mit einem Kreisel versuchen, einer zentrierenden, sich selbst stabilisierenden Drehbewegung. Also, „lass die Seele kreisen“, klingt sehr ähnlich, aber vielleicht führt uns das Bild vom Kreisel und dem Selbst-Spiel in ein anderes Fahrwasser.

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