Als ich im Oktober 1990 nach meiner Stippvisite bei der Bundeswehr die „heiligen Hallen“ der Deutschen Sporthochschule betrat, wusste ich noch nicht, was mich erwarten würde. Eines war aber sicher: Sportwissenschaft war mein (!) Studium, und Köln war der einzige Ort, wo man „sowas“ studieren konnte. Warnung! AbsolventenInnen dieser Institution meinen, im Harvard des Sports gewesen zu sein, und klingen deshalb immer etwas von oben herab. Nur der Vollständigkeit halber: Man kann auch in anderen Städten Sport studieren, irgendwie ?.
Heute (29.11.2022) wird die Sporthochschule – kurz SpoHo – 75. Jahre alt (siehe auch die Videos) und ich möchte meinen Beitrag nutzen, um meinen Glückwunsch auszusprechen, und mich erinnern, denn: Mit der SpoHo und dem Sport verbindet mich einfach eine ganze Menge.
Ich war im dritten Semester, als ich im Seminar von Professor Quanz saß, um etwas über die „Ordnung im Sport“ zu erfahren. Ein paar Monate später war ich Hilfskraft im Institut für Sportdidaktik und Herr Quanz sagte zu mir: „Haben sie Lust bei der Auflösung des Haushalts von Carl Diem mitzuhelfen?“ Ich wusste es damals nicht: Diem war Gründer der SpoHo, Quanz sein letzter Assistent (später Rektor/Präsident) und deshalb mit der Auflösung betraut. Ich wurde also im dritten Semester ins „Metaverse der SpoHo-Geschichte“ geschickt, alles zum Anfassen und mit Tonspur. Aus dem Haus konnte ich mir Diems Bürostuhl mitnehmen, auf den ich aus nachvollziehbaren Gründen stolz war. Der Stuhl ist heute in Süd-Korea bei Kottchul Jung, einem damaligen Auslandstudenten, mit dem ich länger im Austausch war und dem der Stuhl als Abschiedsgeschenk Tränen in die Augen trieb.
Etwa in der Mitte meines Studiums kam ich in Kontakt mit dem Nachlass von Professor Kirsch, den ich im Auftrag des Internationalen Leichtathletik Verbandes „ordnen“ sollte. Auch das wusste ich bis dahin nicht: Kirsch war Präsident des deutschen und internationalen Leichtathletikverbandes und Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft mit starkem Bezug zur Trainerakademie Köln. Nachdem ich mich im Laufe von 2 Jahren durch 30 Kartons mit Akten, Zeitungsartikeln und Manuskripten gewühlt hatte, wusste ich ein wenig mehr über „vielschichtige“ Sportverbandspolitik und deren nicht immer leichtem Verhältnis zur Sportwissenschaft.
Natürlich schloss ich mein Studium mit dem einzig „richtigen“ Schwerpunkt ab: Trainerprofil. Nein Quatsch, aber im Tennis war ich passabel und diesen Schwerpunkt konnte man in kurzer Zeit studieren. Das Trainerprofil war dennoch wegweisend: Ca. 10 Jahre später gründete ich die Ghostthinker GmbH, ein EdTech-Unternehmen, das bis heute ca. 20 Fachverbände und viele Landessportbünde bei der didaktisch motivierten Digitalisierung der Traineraus- und -fortbildung unterstützt.
Kurzum: In meinem Kopf (und im Herzen) gibt es diese Sport-Story: Von den Anfängen und Grundmotivationen einer Sporthochschule im Nachkriegsdeutschland, den eigenen Erfahrungen in Kölner Turnhallen, Hörsälen und Instituten bis hin zu den aktuellen Verbindungen zwischen Sportpädagogik und Sportverband, um Kompetenzorientierung und Digitalisierung im Trainerwesen zu fördern (vgl. hier). Mittlerweile sind das bei mir über „30 Jahre Sport“, ein Grund zu feiern, mal sehen, ob ich 2023 Weggefährten zusammentrommeln kann – an der SpoHo natürlich, dem einzigen Ort …
Sehr gut geschrieben! Als „Havard Absolvent“ motiviert mich dein Beitrag dazu, meinen eigenen Lebensweg mit und im Sport zu reflektieren. Carl Diem hätte bestimmt Freude an dem nicht ganz erst gemeinten Vergleich zu der amerikanischen Elite Uni gehabt!